China entwickelt sich zum neuen Player

Firmen sind beim IT-Outsourcing wählerisch geworden

08.06.2005 von Ingo Butters
Ernüchterung stellt sich beim Thema Outsourcing ein. In einer weltweit durchgeführten Befragung des Beratungsunternehmens Diamondcluster gab zwar das Gros der Firmen an, im kommenden Jahr noch stärker auf Outsourcing zu setzen. Gleichzeitig sind die Unternehmen in der Zusammenarbeit mit den Dienstleistern kritischer denn je – vorzeitige Vertragsauflösungen sind inzwischen der Normalfall. Schuld haben nicht nur die Dienstleister.

Mehr als die Hälfte der befragten Firmen hat bereits eine Outsourcing-Partnerschaft vorzeitig gekündigt. Bei der Vorjahresstudie hatte dies nur jedes fünfte Unternehmen angegeben. Zum ersten Mal in der seit 2002 durchgeführten Studie gab außerdem eine nennenswerte Zahl von Unternehmen an, ihre Outsourcing-Investitionen im kommenden Jahr zurückfahren zu wollen: sieben Prozent im Onshore-Bereich, fünf Prozent im Offshore-Bereich. Auch unter den Anbietern macht sich Ernüchterung breit: Vor einem Jahr glaubten 97 Prozent an weiter steigende Investitionen der Kunden, dieses Jahre sind es 14 Prozent weniger.

Es gibt aber auch eindeutig positive Signale: So planen drei Viertel der befragten Firmen ihre Outsourcing-Aktivitäten im kommenden Jahr noch auszubauen. In der Vorjahresbefragung waren es noch zehn Prozent weniger gewesen. Ebenfalls zeigten sich die Firmen zufriedener mit ihren Outsourcing-Partnern onshore.

Für die Diamondcluster-Analysten sind die auf den ersten Blick widersprüchlichen Ergebnisse ein Indiz, dass der Outsourcing-Markt am Scheidweg steht. Der Sättigungsgrad ist mittlerweile sehr hoch: Praktisch alle befragten Firmen haben zumindest eine IT-Funktion an einen externen Partner ausgelagert. Gleichzeitig haben die Firmen die Erfahrung gemacht, dass erhoffte – und von Anbietern versprochene – Kosteneinsparungen selten so hoch ausfallen wie erwartet. Viele Unternehmen haben unterschätzt, wie anspruchsvoll das erfolgreiche Management einer Outsourcing-Partnerschaft ist. Gerade einmal neun Prozent der Firmen gaben an, dass ihre Erwartungen vom Anbieter übertroffen wurden. 48 Prozent sagen, dass zumindest einige Erwartungen erfüllt worden sind.

Die Gründe für diese Ergebnisse sind laut Diamondcluster-Berater Tom Weakland aber nicht nur bei den Anbietern zu suchen: "Viele Kunden haben mittlerweile mehrjährige Erfahrungen mit Outsourcing-Partnerschaften. Trotzdem mangelt es ihnen noch immer an effektiven Evaluierungsinstrumenten, mit denen sie den Nutzen einer Outsourcing-Initiative messen können. Gerade das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Kunden auch das bekommen, was sie wollen."

Zwar haben die Kunden haben in den vergangenen Jahren die Kontrolle der Dienstleister verdichtet. So arbeiten drei Viertel von ihnen mit Service Level Agreements (SLAs) und koppeln die Vergütung zunehmend an deren Erfüllung. Allerdings erfassen solche Instrumente oft genug nicht das, was den Kern des Outsourcing-Projektes ausmacht. Manche Anbieter sind in der schwierigen Situation, dass sie vom Kunden gesetzte Vorgaben erfüllen müssen, die an der eigentlichen Dienstleistung vorbei gehen. Die Folge: Unzufriedenheit auf beiden Seiten.

Die Evaluierung wird auch anspruchsvoller, weil sich die Ziele, die Firmen mit einem Outsourcing-Projekt verfolgen, verändert haben. Neben Kostensenkung und –kontrolle rücken zunehmend andere Aspekte in den Vordergrund: Firmen wollen durch IT-Auslagerungen die eigenen Ressourcen und Mitarbeiter flexibler nutzen und sich auf unternehmenskritische Bereiche konzentrieren.

Bei der Auswahl eines Dienstleisters gehen Unternehmen deshalb zunehmend selektiver vor. Statt sich auf einen Anbieter mit einem breiten Portfolio zu verlassen, wird nun zunehmend auf Dienstleister gesetzt, die sich auf einzelne Funktionen spezialisiert haben. Zum Zuge kommen nicht mehr zwangsläufig jene Anbieter, die ihre Dienstleistungen am günstigsten anbieten. Als Folge rechnet Diamondcluster mit vorläufig eher steigenden Outsourcing-Kosten und einem sich weiter ausdifferenzierendem Markt.

Allerdings könnte sich das durch das Auftreten eines neuen Players am Markt ändern: China rückt zunehmend in den Fokus der Outsourcing-Branche. 40 Prozent der befragten Firmen planen mit dort ansässigen Dienstleistern innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zusammenzuarbeiten. Vor einem Jahr gaben dies nur sechs Prozent der Unternehmen an. Für nicht spezialisierte Anbieter könnte dies in einigen Jahren dramatische Konsequenzen haben. Die Preise für wenige komplexe Outsourcing-Dienstleistungen könnten drastisch sinken, sobald sich das Niedriglohnland China als Outsourcing-Standort etabliert hat.

Das Beratungsunternehmen Diamondcluster mit Hauptsitz in Chicago erstellt den "Global IT Outsourcing Report" seit 2002 einmal jährlich durch. Für die diesjährige Studie führten die Berater Tiefeninterviews mit 210 CIOs der weltweit 1000 größten Unternehmen. 70 Prozent der befragten CIOs arbeiten in US-Firmen, rund 25 Prozent in europäischen Unternehmen. Außerdem wurden Führungskräfte von 242 Outsourcing-Anbietern, vor allem aus den USA und Indien, geführt.