Obwohl Firmen Potenzial sehen

Fraunhofer: Kein Geld für Big Data

15.01.2013 von Werner Kurzlechner
Big Data kann doch nützlich sein – in fast jeder Branche. Das zeigt eine Untersuchung des Fraunhofer IAIS. Geld dafür ist vielerorts dennoch nicht veranschlagt.
So verteilen sich die Big Data-Potenziale nach Branchen.
Foto: Fraunhofer IAIS

Mit Big Data ist es eine vertrackte Angelegenheit. Einerseits wird die Analyse großer Datenmengen von Anbietern seit einiger Zeit als Hype vermarktet, was durchaus reges und auch konkretes Interesse bestimmter Anwender aus bestimmten Branchen findet. Andererseits scheint ein beträchtlicher Teil an Firmen damit noch nichts anfangen zu können.

Jetzt hat das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (Fraunhofer IAIS) mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums begonnen, das Potenzial von Big Data auszuloten. Eine zentrale Botschaft: Für jede Branche lassen sich Schwerpunkte für die Aufgaben von Big-Data-Anwendungen identifizieren.

Eine Umfrage unter 82 deutschen Unternehmen ist dabei aber nur einer von mehreren Schritten, mit denen das Institut Erkenntnisse gewinnen und verbreiten will. Auf der Cebit 2013 will das Fraunhofer IAIS eine primär an den Mittelstand gerichtete Experimentierplattform mit Namen „Living Lab“ vorstellen. In Halle 9, Stand E08 können Unternehmen an einem Beispieldatensatz ausprobieren, was in Sachen Datenauswertung möglich ist. Ergänzend dazu bietet das IAIS ab Anfang des Jahres Schulungen für Unternehmen an, in denen spezifische Anforderungen und Lösungen für Big Data Analytics diskutiert werden. Neben Workshops mit Branchenvertreten wertet das Institut zudem auf internationaler Ebene den Umgang mit Big Data aus.

Die Studie unter den deutschen Firmen zeigt, dass insbesondere – von jedem zweiten Unternehmen genannt – Datenschutz- und Sicherheitsbedenken einem Einsatz von Big Data im Wege stehen. 43 Prozent führten ein fehlendes Budget oder andere Prioritäten als Hürde an. 78 Prozent halten zudem die personellen Ressourcen für verbesserungswürdig.

„Obwohl alle Teilnehmer konkrete Ziele angegeben hatten, verfügt ein Drittel der befragten Firmen aktuell über kein Budget für Big-Data-Zwecke und plant dies auch noch nicht“, so das Institut. Zu den Fördermaßnahmen, die sich die Unternehmen wünschen, gehörten vor allem eine bessere Vernetzung und Best Practices, Trainings und Schulungen sowie überarbeitete Datenschutzvorgaben.

Betrugserkennung und Prognose

Als vorrangige Ziele im Bereich Big Data wurden von 69 Prozent strategische Wettbewerbsvorteile, von 61 Prozent die Steigerung der Umsätze sowie jeweils von 55 Prozent eine höhere Produktivität und Kostensenkung angeführt. Als Analysematerial kämen insbesondere Transaktions-, CRM-Daten, E-Mails und Briefe sowie Log-, Stamm- und Falldaten in Frage.

Als Anwendungsszenario nannten 53 Prozent Prognosen zur Werbewirksamkeit. 53 Prozent würden anstreben, die Markenwahrnehmung zu beobachten. 45 Prozent hätten gerne die Preise näher im Blick. Diesen eher allgemeinen Befund differenzieren die Forscher aber noch nach branchenspezifischen Schwerpunkten.

Finanzdienstleister haben demnach vor allem Initiativen zur Betrugserkennung und finanziellen Risikoabschätzung vor. In der Fertigungsindustrie haben die Anwender demgegenüber eher Marktbeobachtung, vorausschauende Instandhaltung sowie Produktinnovationen und -verbesserungen im Sinn. Für den Handel wiederum eröffnet Big Data neue Möglichkeiten zur Absatzprognose und personalisierten Produktempfehlung.

Auch wenn das Thema in Deutschland bisher nicht allzu weit vorangekommen und aktuell USA-dominiert sei, biete Big Data in vielen Branchen Chancen, so das Institut. Drei vorrangige Potenziale macht das Fraunhofer IAIS aus:

1. Effizientere Unternehmensführung durch Big Data: „So lassen sich etwa im Einzelhandel genauere Prognosen treffen, wann welches Produkt verkauft wird und nachbestellt werden muss“, so das Institut. Die Energiebranche könne besser vorhersagen, wie viel Strom wann benötigt wird. Und bei einfachen Prozessen wie der Postbearbeitung könnten lernende Systeme durch automatisierte Abläufe für mehr Effizienz sorgen.

Virtuelle Assistenten fürs Carsharing

2. Massenindividualisierung durch Big Data: Wenn Systeme während der Bearbeitung einer Anfrage relevante Informationen über den Kunden mitlernen, können Dienstleistungen künftig maßgeschneiderter angeboten werden. „So wird es bald ganz neue Serviceideen geben, zum Beispiel virtuelle Assistenten, die auf Basis historischer Mobilitätsmuster individuelles Carsharing organisieren“, schwärmt Institutsleiter Professor Stefan Wrobel.

3. Intelligentere Produkte durch Big Data: Schon heute verfügen viele Maschinen und Anlagen über Sensoren, die beispielsweise über den Wartungszustand Auskunft geben. „In Zukunft könnten die Maschinen selbst mit Big-Data-Intelligenz ausgestattet werden, um die Sensordaten direkt zu verarbeiten und damit zu lernen, sich zum Beispiel auf Lastspitzen einzustellen oder gar, sich selbst zu reparieren“, prognostiziert das Fraunhofer-Institut.

Insgesamt zeige sich in der qualitativen Analyse, dass Big Data kein reines Technologie-, sondern vor allem ein Strategiethema sei. „Sowohl in den Ergebnissen der Onlinebefragung als auch in den Roadmaps der Branchenworkshops finden sich neben technologischen Herausforderungen vor allem betriebswirtschaftliche und unternehmenspolitische Aspekte“, erläutert Wrobel.