Mitarbeiter erwarten Anerkennung

Führungskräfte belohnen zu selten

15.04.2010 von Nicolas Zeitler
Führungskräfte würdigen zu wenig Leistungsbereitschaft und Flexibilität ihrer Mitarbeiter. Nach den Einschnitten und Unsicherheiten erwartet die Belegschaft Gegenleistungen wie leistungsgerechte Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten.
Deutsche Berufstätige gehören im weltweiten Vergleich zu den Motiviertesten. Gleichzeitig erwarten sie, dass ihre Vorgesetzten Leistungsbereitschaft stärker wertschätzen. (Quelle: Towers Watson)
Foto: Towers Watson

Es ist Krise, Kollegen werden entlassen - und doch gehen zwei Drittel der Berufstätigen in Deutschland tagtäglich engagiert zu Werke. So lautet ein Ergebnis der neuen weltweiten Arbeitnehmer-Studie des Beratungsunternehmens Towers Watson. 27 Prozent der Angestellten sind demnach teilweise nicht engagiert, nur sechs Prozent zeigen grundsätzlich keine Motivation.

Mit diesen Werten belegt die deutsche Arbeitnehmerschaft weltweit einen der vorderen Plätze. Sie erweist sich zudem bereit, Verantwortung für das eigene berufliche Fortkommen zu übernehmen und sich fortzubilden. 65 Prozent der Befragten erklärten sich bereit, für einen Karrierefortschritt auch in einem anderen als dem angestammten Geschäftsbereich zu arbeiten. 47 Prozent wollen ihre Kenntnisse im Finanz-Management verbessern, 46 Prozent ihre beruflichen Netzwerke stärken. 43 Prozent sind außerdem zu überdurchschnittlich langen Arbeitszeiten bereit.

Vor allem Unternehmensleitung, Führungskräfte und Personalentwicklungs-Programme haben laut der Studie Einfluss auf die Motivation der Belegschaft. Dass Vorgesetzte alles richtig machen, wäre dennoch ein Kurzschluss, der aus den Studienergebnissen nicht gezogen werden darf. Denn deutlich werden darin auch Versäumnisse des Managements.

Laut den Studienautoren sind die Arbeitnehmer in Vorleistung gegangen und erwarten im Gegenzug jetzt, dass die Unternehmensleitung das anerkennt. Auf den Führungsebenen müsse mit einem neuen Selbstbewusstsein der Angestellten gerechnet werden. Umdenken sei notwendig, um das Engagement langfristig zu sichern.

Vorgesetzte müssen Flexibilität von Angestellten würdigen

Die Untersuchung von Towers Watson nennt Beispiele: Mit der Bereitschaft zum flexiblen Einsatz und Fortbildung übernähmen Angestellte Verantwortung für sich. Ihnen fehle aber nicht selten die Gegenleistung. 55 Prozent sagen, es gebe zu wenige Karrieremöglichkeiten für sie. Jeder Fünfte fühlt sich von seinem direkten Vorgesetzten zu wenig unterstützt.

Außerdem haben während der Wirtschaftskrise Leistungsdruck und Kontrolle zugenommen. Wer gute Leistung bringt, vermisst aber, dass dies gewürdigt wird. Nur 41 Prozent der Befragten sagen, ihre Vorgesetzten setzten sich mit schlechter Leistung auseinander. Und nur 45 Prozent meinen, gute Leistung werde ausreichend anerkannt. Dass Vorgesetzte Leistung und Vergütung angemessen aneinander koppeln, finden ebenfalls nur 41 Prozent.

Dass Mitarbeiter sich keinesfalls immer sicher in ihren Betrieben aufgehoben fühlen, zeigen die Studienergebnisse zur Altersversorgung. 30 Prozent der Teilnehmer gehen davon aus, dass sie nach Erreichen des Rentenalters weiterhin werden arbeiten müssen. Wo die betriebliche Altersversorgung nicht transparent ist, fürchtet sogar die Hälfte der Befragten, im Alter die Rente durch Arbeit aufbessern zu müssen.

Loyalität der Belegschaft schwer einzuordnen

Ein Mittel, die Zufriedenheit der Belegschaft zu steigern, können die Möglichkeit zur Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten sein. Wo dies angeboten wird, machen 79 Prozent der Arbeitnehmer davon Gebrauch. 55 Prozent aller Befragten haben allerdings gar nicht die Möglichkeit dazu. Nicht selten kommt bei ihnen Frust auf, weil sie Familie und Beruf schwer in Einklang bringen können. Für 28 Prozent der Befragten ist die Möglichkeit, ihre Arbeit flexibel zu gestalten, ein entscheidender Faktor für die Bindung an ihren Arbeitgeber.

Die Studienautoren betonen, trotz der zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitswelt seien die Angestellten in Deutschland "bemerkenswert loyal". Sie gründen diese Einschätzung auf dem Studienergebnis, dass die Hälfte der Befragten derzeit kein Interesse an einem Wechsel des Arbeitgebers habe. Allerdings lässt sich diese Zahl genau so gut umgekehrt interpretieren.

Jeder Dritte würde den Arbeitgeber wechseln

Zumal Towers Watson in der Befragung auch herausgefunden hat, dass fast jeder Dritte einen Wechsel in Erwägung ziehen würde, hätte er ein geeignetes Angebot für eine neue Arbeitsstelle. Wo Mitarbeiter die Unternehmensleitung als ineffektiv einschätzen, ist sogar jeder Zweite bereit, den Arbeitgeber zu wechseln.

Towers Watson hat für die "Global Workforce Study 2010" mehr als 20.000 Arbeitnehmer in 27 Ländern befragt. Außerdem sind in die Auswertung Aussagen von mehr als vier Millionen Angestellten eingeflossen, die im Rahmen von Beratungsprojekten erhoben wurden.