Kritik von Mitarbeitern

Führungskräfte sind nicht innovativ

16.01.2018 von Hans Königes
Manager in Unternehmen stehen im Ruf, Innovationen eher zu blockieren als voranzutreiben. Das sagen nicht nur Mitarbeiter, sondern auch andere Kollegen in Führungspositionen. Leadership wird demnach überschätzt, Kreativität dagegen unterschätzt.
  • Die Ergebnisse der Studie Leadership-Trend-Barometer des IFIDZ (Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter)
  • Innovationen scheitern häufiger an der Unternehmenskultur als an den finanziellen Mitteln.
  • Viele Mitarbeiter glauben noch, Innovationen würden durch einen einsamen, genialen Erfinder und nicht durch eine Teamleistung bewirkt.
Barbara Liebermeister, IFIDZ: Dass neun von zehn Chefs als unkreativ gelten, damit hatten wir nicht gerechnet.
Foto: IFIDZ

Nur 13 Prozent der Befragten empfinden ihre Führungskräfte als krea­tiv und innovativ, so ein Ergebnis des aktuellen Leadership-Trend-Barometers des IFIDZ in Frankfurt am Main. Auch Eigenschaften, die als Voraussetzung für eine hohe Innovationsfähigkeit gelten - etwa Neugier, Mut oder Risikobereitschaft - finden Mitarbeiter bei ihren Vorgesetzten nicht immer.

Neugier fehlt

Jeder zweite Umfrageteilnehmer attestiert den Führungskräften einen Mangel an Neugier (49 Prozent), fast ebenso viele beurteilen sie als risikoscheu und wenig mutig (48 Prozent). "Dieses Ergebnis hat uns überrascht", sagt die Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Barbara Liebermeister. "Zwar wissen wir aus anderen Studien, dass Führungskräfte als wenig innovativ wahrgenommen werden, doch damit, dass neun von zehn Befragten sie als eher unkreativ und wenig innovativ einstufen, hatten wir nicht gerechnet."

Die Umfrage bestätigt eine Studie der TU München und des Personaldienstleisters Hays, derzufolge 40 Prozent der Mitarbeiter ihren Chef als größtes Innovationshindernis erachten.

Kreativität ist wichtiger als Leadership

Leadership als Prinzip ist für die Befragungsteilnehmer für den Innovationserfolg eher unwichtig. 72 Prozent von ihnen antworteten auf die Frage, was für den Erfolg einer Idee wichtig sei: Kreativität ist wichtiger als Leadership. "Auch dieses Ergebnis hat uns überrascht", so Liebermeister, "denn ohne Leadership können Innovationen selten erfolgreich umgesetzt werden: Aus einer guten Idee entsteht bei schlechter Führung meist nichts; bei guter Führung kann jedoch aus einer eher mittelmäßigen Idee durchaus ein erfolgreiches Produkt entstehen."

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
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Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
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Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
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Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
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Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
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Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
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Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
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Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
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Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.

Das negative Image der Führungskräfte in Sachen Innovation und Führungsverhalten spiegelt sich auch in der Bewertung der Unternehmenskultur wider. So sind drei Viertel der Befragten (74 Prozent) der Auffassung: Innovationen scheitern häufiger an der Unternehmenskultur als an den finanziellen Mitteln. Da die Kultur eines Unternehmens stark von den Führungskräften geprägt wird, liegt die Vermutung nahe, dass dahinter auch negative Erfahrungen der Befragten mit Führungskräften stehen.

Teamleistung unterschätzt

Wenn Mitarbeiter Innovation nicht als Führungsleistung wahrnehmen, könnte man annehmen, dass sie stattdessen als Teamleistung gesehen wird. Doch das bestätigen die Umfrageergebnisse nicht. Nur jeder zweite Teilnehmer ist der Meinung, dass Innovationen fast immer Teamleistungen sind. "In vielen Köpfen existiert anscheinend noch die Vorstellung, Innovationen würden in erster Linie durch einen einsamen, genia­len Erfinder bewirkt", kommentiert Liebermeister.

Überwiegend positiv wird immerhin der Standort Deutschland gesehen: 59 Prozent der Befragten sind der Meinung, das Land sei insgesamt innovativ und veränderungsbereit genug.

Studie | Leadership-Trend-Barometer des IFIDZ

An der Studie des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt am Main, nahmen 136 Personen teil, die zu zwei Dritteln Führungskräfte der ersten und zweiten Führungsebene von Unternehmen waren.

Ein Drittel der Befragten waren Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung sowie Vertreter aus Wissenschaft, Forschung und Verbänden. Informationen über das aktuelle Leadership-Trendbarometer und die Ergebnisse der früheren Trendbarometer, die das IFIDZ vierteljährlich erarbeitet, finden Interessierte auf der Website www.ifidz.de in der Rubrik Studien.