Polizei funkt weiter analog

Fußball-WM wird nicht digital gesichert

26.04.2006 von Tanja Wolff
Das Großereignis Fußball-WM sollte von der Polizei eigentlich mit Hilfe einer digitalen Funktechnik gestemmt werden. Daraus wurde jedoch nichts, denn das Projekt scheiterte an bürokratischen Hürden. Laut Annette Zeisig vom Pressereferat des Bundesministeriums des Innern läuft zurzeit immer noch die Ausschreibung für die Systemtechnik einer digitalen Funklösung. Doch es geht auch anders, wie der WM-Austragungsort Leipzig zeigt.

Die Polizisten müssen bei der Fußballweltmeisterschaft noch mit ihren alten Geräten vorlieb nehmen. Damit ist Deutschland eines der wenigen Länder, das noch analog funkt. "Bis zur WM wird die Technik auf keinen Fall laufen, da gerade erst ein entsprechender Gesetzesentwurf ausgearbeitet worden ist“, sagt Annette Zeisig.

Der Digitalfunk soll allerdings bis spätestens 2010 in ganz Deutschland eingeführt werden. Die Gesamtkosten des Projektes sollen sich auf bis zu vier Milliarden Euro belaufen. Der Grund für die Umstellung ist, dass die derzeit verwendete analoge Technik veraltet ist und nicht mehr die operativ-taktischen Anforderungen an die Kommunikationssysteme moderner Sicherheitsbehörden erfüllt.

Mit der digitalen Technik können unter anderem Fahndungsfotos direkt auf dem Bildschirm im Handfunkgerät der Polizeibeamten angeschaut werden. Zudem können Personen direkt vom Streifenwagen aus identifiziert werden. Das vereinfacht und beschleunigt die Arbeit der Ordnungshüter. Geplant war es das Projekt Digitalfunk vor der Fußball-WM zu starten, gescheitert ist das Vorhaben an bürokratischen Hürden.

Weg zur digitalen Technik

Als sich die Fußballstars noch auf das nächste Spiel statt auf die WM konzentrierten, beschäftigten sich die deutschen Politiker bereits mit der Einführung des Digitalfunks in den Sicherheitsbehörden. Im Sommer 2003 wollte der damalige Innenminister Otto Schily den Aufbau für ein bundesweites Sprech- und Datenfunknetzes vorantreiben. "Unser Ziel ist es, die WM-Austragungsorte und –regionen vorrangig mit digitaler Funktechnik auszustatten“, sagte Schily im Juni 2003.

Zwei Jahre später startete das Ausschreibungsverfahren für das bundesweit einheitliche digitale Sprech- und Datenfunksystems für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsausgaben (BOS-Digitalfunk). Bevor die so genannten Verdingungsunterlagen zur Beschaffung der Systemtechnik versendet wurden, nahmen elf Unternehmen an einem Wettbewerb teil. Der Auftrag umfasst im Wesentlichen die Basisstation, die Vermittlungstechnik und das Netzwerk-Management.

Gleichzeitig verhandelte das Bundesinnenministerium mit dem Auftragnehmer DB Telematik, einer Tochter der Deutschen Bahn, den Vertrag über den Betrieb. Auch die Aufteilung der Kosten wurde festgesetzt. So übernimmt der Bund den Aufbau des Rumpfnetzes, das 50 Prozent der Landesfläche abdecken soll. Für die andere Hälfte sind die Länder verantwortlich.

Obwohl das Ganze dann bereits Ende 2005 beginnen sollte, wurde erst Anfang April 2006 endgültig beschlossen, eine Bundesanstalt für den BOS-Digitalfunk einzurichten. Die neue Behörde mit Sitz in Berlin wird Aufbau, Betrieb und Funktionsfähigkeit des Digitalfunks für die Polizei, die Feuerwehren und die Rettungskräfte in Deutschland sicherstellen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zufolge soll das geplante Digitalfunknetz das größte weltweit sein. Um dessen Qualität bundesweit zu sichern, ist es wichtig, dass sich der technische, taktische und betriebswirtschaftliche Sachverstand an einer zentralen Stelle konzentriert.

Leipzig stürmt bei der WM vor

Während die Regierung noch mit den behördlichen Rahmenbedingungen und der Ausschreibung beschäftigt ist, legte der WM-Austragungsort Leipzig vor. Polizei und Feuerwehr werden bereits während der Fußballweltmeisterschaft den Digitalfunk in und um das Zentralstadion sowie in der Innenstadt einsetzen.

"Parallel dazu werden wir aber auch weiter den Analogfunk betreiben, so dass wir zwei voll funktionsfähige Funknetze während der WM haben“, sagt Lothar Hofner, Stellvertretender Sprecher des Sächsischen Innenministeriums. Laut Innenminister Albrecht Buttolo können so mögliche Engpässe bei den Kapazitäten kompensiert und Überreichweiten im bestehenden analogen Funknetz ausgeglichen werden.

Die Nutzung des abhörsicheren Digitalfunknetzes wird eine Bietergemeinschaft aus den Firmen Siemens AG/NL Dresden, Mezger/NL Leipzig und der Funk- und Informationstechnik (FIT) GmbH aus Dresden gewährleisten. Für die Systemtechnik sind die Firmen Siemens und Mezger verantwortlich. Den Zuschlag für die Ausstattung der Leipziger Ordnungshüter mit digitalen Handsprechfunkgeräten, Fahrzeuggeräten und Geräten für den stationären Betrieb erhielt FIT.

Andere Bundesländer wollen mit dem Einsatz des Digitalfunks noch warten. So will Bayern beispielsweise kein Risiko vor der WM eingehen. "Wir werden das zur WM nicht hinkriegen, außerdem wollen wir bei diesem Großereignis nicht mit etwas Neuem experimentieren“, sagt Michael Ziegler, Sprecher des Bayerischen Innenministeriums. Grundsätzlich sei das Land zwar am Digitalfunk interessiert, allerdings sollte die Technik erst erprobt sein, bevor sie eingesetzt wird. In Bayern sei der alte Analogfunk zudem noch in einem sehr guten Zustand.

WM-Stadien mit Digitalfunk

Im Gegensatz zu den deutschen Sicherheitsbehörden haben die zwölf FIFA-Stadien den Sprung in die digitale Zukunft geschafft. Sie wurden von T-Systems mit einem Digitalfunknetz ausgestattet. Die Mitglieder der FIFA, private Sicherheitskräfte und die Stadionmanager werden somit digital verbunden sein.

Zudem kommunizieren die Stadien, die Zentralen des Organisationskomitees (OK) und das Internationale Medienzentrum in München über den Funkstandard Terrestrial Trunked Radio (TETRA). Der digitale Bündelfunk-Standard bietet eine drahtlose, abhörsichere und stabile Verbindung. Im Großeinsatz können per Gruppenruf mehrere tausend Nutzer gleichzeitig erreicht werden.

Außerdem hat TETRA noch einen Vorteil gegenüber dem Analogfunk im Fußballstadion. Dank der guten Sprachqualität kann man sich auch bei hohem Lärmpegel noch gut über Funk verständigen. Laut T-Systems werden daher auch rund 150 Polizisten und Feuerwehrmänner mit den passenden Handfunkgräten in den zwölf Stadien ausgestattet.