Hype Cycles der vergangenen zehn Jahre

Gartner-Trends im Reality Check

05.12.2014 von Simon Hülsbömer
Carbon Nanotubes? Public Virtual Worlds? Context-enriched Services? Complex-Event-Processing? Alles noch nie gehört? Macht nichts.

Jedes Jahr im August erscheint der Heilige Gral der IT-Branche - der "Hype Cycle for Emerging Technologies"des IT-Analystenhauses Gartner. Er beantwortet drängende Fragen wie: Auf welche Trends muss sich der Markt einstellen? Welche kreativen neuen Wortschöpfungen gibt es? Und vor allem: Welche Buzzwords der Vorjahre sind wieder verschwunden?

Die Y-Achse des zum Graphen gehörenden Koordinatensystems zeigt dabei stets den Grad der Erwartungen an einenIT-Trend an, die X-Achse beschreibt dessen produktive Einsatzmöglichkeiten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Vom "Innovation Trigger" geht es dabei immer über den "Höhepunkt der überzogenen Erwartungen", durch das "Tal der Desillusionierung" hin zum "Hang der Erleuchtung", bis dann schließlich ab und zu doch noch das "Plateau der Produktivität" erreicht wird.

Betrachtet man sich die Hype Cycles der vergangenen zehn Jahre, fällt auf, mit welch erstaunlicher Präzision die Analysten die Trends der schnelllebigen IT-Welt vorhergesehen und auch einst sehr marktferne Themen in einen durchaus passenden zeitlichen Kontext gesetzt haben.

Bereits 2005 wurde beispielsweise prognostiziert, dass das Thema "Augmented Reality" binnen fünf bis zehn Jahren - also spätestens 2015 - seinen Höhepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung erreichen werde. Diese Vorhersage trifft tatsächlich zu - marktreif sind zwar erst wenige Produkte, aber gerade in den letzten ein bis zwei Jahren wird sehr viel über mögliche Geschäftsmodelle geschrieben und gesprochen und Hersteller wie Anwender stürzen sich auf Augmented-Reality-Anwendungen.

Ein anderes Beispiel ist der 3D-Druck, der erstmals im Hype Cycle des Jahres 2007 auftauchte und der demnach bis spätestens 2017 seinen Hype erreichen würde. Oder das Internet TV, dem die Gartner-Analysten im Jahr 2010 maximal zehn Jahre bis zum Hype-Plateau einräumten.

Trendkurve

Einige Trends liegen bereits seit zehn Jahren weit in der Zukunft wie das Quantencomputing, das schon seit 2005 und bis heute mit einer Prognose "rückt erst in mehr als zehn Jahren in den öffentlichen Fokus" belegt wird. In der Tat ist noch immer nicht absehbar, wann Quantencomputer ein massentaugliches Produkt werden könnten.

Viele interessante Entwicklungen sind erst dann zu beobachten, wenn man die Hype Cycles vieler Jahre direkt hintereinander stellt. So hat der "Tablet PC" zwischen 2006 und 2010 den Sprung vom Hype in die Produktivität geschafft, was Gartner in den fünf Cycles der entsprechenden Jahre auch entsprechend begleitete. Spätestens mit Apples erster iPad-Generation im Jahr 2010 war das Thema dann kein reiner Hype mehr und flog aus der Kurve (tauchte 2012 in Form der "Media Tablets" kurz noch einmal auf).

Buzzword-Bingo

Die thematischen Trends in den Hype Cycles geben also nur selten Anlass zur Häme - es befinden sich nur wenige Rohrkrepierer darunter.

Spannender hingegen sind ihre oft kreativen Gartner-Bezeichnungen, die nicht selten zwar Einzug in den allgemeinen Branchen-Sprachgebrauche finden - ab und an aber auch ziemlich scheitern. Das ist gerade dann der Fall, wenn ein Begriff in einem Jahr aus dem Nichts auftauchte, im darauffolgenden aber direkt wieder unkommentiert verschwand, obwohl seine prognostizierte Lebensdauer dies nicht vermuten ließ.

"Folksonomies" aus dem Jahr 2006 ist ein gutes Beispiel dafür, das laut Gartner-Analysten binnen zwei Jahren ganz groß werden sollte. Das Thema wurde es auch, es heißt mittlerweile aber doch eher "Social Tagging". Oder "RSS Enterprise", 2006 und 2007 als mittelfristig großer Trend ausgerufen, ab 2008 dann wieder verschwunden. Ob sich RSS als Technologie überhaupt in der Breite durchsetzen konnte, ist aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig.

Die Aufnahme der "Public Virtual Worlds" mit dem Vermerk "Durchbruch in zwei bis fünf Jahren" in die Cycles 2008 und 2009 war wohl zu einem Großteil dem damaligen Hype um die Online-Welt "Second Life" zu verdanken. 2010 bis 2012 wurde den virtuellen Welten dann ein deutlich langsameres Wachstum zugetraut, seit 2013 steht nun "Virtual Reality" im Hype Cycle mit einer Prognose von bis zu zehn Jahren bis zu ihrem Durchbruch auf breiter Front.

Alle Hype Cycles von 2005 bis 2014

Machen Sie sich am besten selbst ein Bild und vergleichen Sie die "Gartner Hype Cycles for Emerging Technologies" der Jahre 2005 bis 2014 miteinander:

Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies - 2005 bis 2014
2005
Bereits 2005 sieht Gartner das Thema "Augmented Reality" als ein mittelfristig wichtiges an und sagt voraus, dass es binnen fünf bis zehn Jahren - also spätestens 2015 - seinen Höhepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung erreichen werde.
2006
Der Tablet-PC macht sich 2006 auf seinen Weg durch den Trend-Zyklus und verschwindet erst 2010, nachdem Apple das erste iPad vorstellt und ihn damit zu einem Massenprodukt macht.
2007
In diesem Hype Cycle taucht erstmals der 3D-Druck auf, der sich heute langsam auf dem Weg in die breite Anerkennung befindet.
2008
Es beginnt die Zeit des Cloud Computing - kaum ein anderer Begriff wird die IT-Branche in den folgenden Jahren so prägen. Heute - sechs Jahre später - ist die Wolke im "Tal der Desillusionierung" angekommen, wie auch der unten verlinkte Beitrag zeigt.
2009
Seit Jahren schon befindet sich das "Quantencomputing" im Bereich "Technology Trigger" mit der Aussicht, erst in ferner Zukunft wirklich relevant zu werden. Das war schon 2005 so und ist es bis heute.
2010
Das Internet-Fernsehen sollte diesem Hype Cycle nach bis spätestens 2020 ganz groß rauskommen. Mediatheken, Youtube und Streaming-Platformen befeuern diesen Trend, der sich derzeit auf dem Weg in die Massentauglichkeit befindet.
2011
Das Thema "Virtuelle Welten" beschäftigt Gartner seit dem Trend um Second Lífe in den Jahren 2007 und 2008. Ab 2012 hält es als "Virtual Reality" Einzug ins "Tal der Desillusionierung", wo es bis heute verharrt.
2012
Nachdem es viele Jahre lang eher ein nicht greifbarer Trend gewesen ist, sind die "Predictive Analytics" spätestens 2012 auf dem "Plateau der Produktivität" angekommen.
2013
In-Memory-Computing hat sich nach seinem Peak im Jahr 2011 aufgemacht, die überzogenen Erwartungen an die Datenverarbeitung direkt im Hauptspeicher ein wenig zu dämpfen - der produktive Einsatz kommt näher.
2015
Der Hype Cycle 2015 nimmt 37 Technologietrends unter die Lupe. Im Internet of Things bekommen CIOs nun künftig eine neue Kundengruppe: Dinge wie Roboter und smarte Maschinen. Big Data und In-Memory findet man allerdings nicht mehr in der Kurve, diese Technologien hält Gartner inzwischen für etabliert.
2016
Während sich Augmented und Virtual Reality im Jahr 2016 langsam in den Produktivbereich entwickeln, erlebt die Blockchain-Technologie einen rasanten Aufstieg. Machine Learning und Software-defined Security befinden sich auf dem Höhepunkt der übertriebenen Erwartungen.
2017
Die Blockchain spielt auch 2017 eine Rolle - allerdings geht es jetzt um die überzogenen Erwartungen an die neuartige Datenbank. Während es vor zehn Jahren (2007) noch um 3D-Druck ging, schreibt Gartner jetzt über 4D-Druck.
2018
2018 sieht Gartner den Hype Cycle im Mega-Trend Mensch und Maschine. Die Grenzen zwischen beiden verschwimmen, so die Analysten. Daher geht es etwa um Neuromorphic Hardware und Brain-Computer Interfaces.
2019
Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine sowie die Einbindung Künstlicher Intelligenz stehen im Fokus von Gartners Hype Cycle for emerging Technologies 2019. Die US-Marktforscher geben für die kommenden zehn Jahre Prognosen für 29 Technologie-Trends ab.
2020
Im Hype Cycle for Emerging Technologies 2020 hat Gartner aus über 1.700 Technologien jene 30 herausgefiltert, die aus Sicht der Analysten das größte Transformationspotenzial für Gesellschaft und Wirtschaft bieten und einen hohen Nutzen versprechen. Dazu zählen in diesem Jahr unter anderem Technologien, die es Unternehmen erlauben, ihren Betrieb zu modularisieren, die das Vertrauen der Gesellschaft in Technologie wiederherstellen sollen und die den Zustand des menschlichen Gehirns verändern können.
2021
KI, Blockchain, digitale Menschen: Die Marktforscher von Gartner sagen, welche Technologien Gesellschaft und Wirtschaft in ein paar Jahren auf den Kopf stellen könnten.
2022
Zum Auftakt ihres IT Symposiums/Xpo in den USA haben die Analysten von Gartner die aus ihrer Sicht wichtigsten Technologietrends veröffentlicht, mit denen sich Unternehmen beschäftigen sollten.
2023
Dass KI ein Trendthema ist, ist uns allen bewusst. Für Gartner hat KI zudem das Potenzial in den nächsten zwei bis fünf Jahren einen transformativen Mehrwert zu erzielen.