Studie über E-Invoicing

Geldvernichtung durch Papier-Rechnungen

14.01.2010 von Werner Kurzlechner
Die deutsche Wirtschaft verschenkt jedes Jahr 54 Milliarden Euro, weil sie nicht konsequent auf elektronische Rechnungsverarbeitung umstellt. Eine Ursache sind schlechte Erfahrungen vieler Firmen, die mit Texterkennungs-Tools experimentiert haben, wie das Institut für Wirtschaftsinformatik der Leibniz Universität Hannover herausfand.
Das manuelle Schreiben und Verschicken von Rechnungen nervt viele Anwender.

Klar, elektronisch ginge es schneller und billiger. Aber die große Mehrheit der Unternehmen in der Bundesrepublik erstellt Rechnungen immer noch manuell, verschickt die Ausdrucke auf dem klassischen Postweg und archiviert jede Menge Papier.

Sechs Milliarden Rechnungen pro Jahr werden hierzulande nach Angaben der Wirtschaftsinformatiker von der Leibniz Universität Hannover verschickt, 90 Prozent davon per Post. Jede postalische Rechnung kostet alles in allem durchschnittlich zehn Euro. 70 bis 90 Prozent dieser Ausgaben könnten nach Einschätzung der Forscher durch elektronische Verarbeitung eingespart werden.

Sind die hiesigen Unternehmen den digitalen Vorteilen gegenüber blind? Keineswegs, wie aus der Studie hervorgeht. Die befragten Firmen stellen der manuellen Rechnungserfassung ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. 27 Prozent beurteilen sie als kritisch, 58 Prozent als aufwendig oder sehr aufwendig. Diese 85 Prozent wissen also, dass Optimierungsbedarf besteht.

Nur wenige nehmen dieses Problem aber bislang in Angriff. Das Volumen des E-Invoicing – also qualifiziert signierter Rechnungen, die über Internet verschickt werden – hat sich laut Befund der Wirtschaftsinformatiker seit 2007 nicht erheblich vergrößert. Nach wie vor wird in der Bundesrepublik lediglich eine von 100 Rechnungen elektronisch versandt.

Für viele Anwender gab es aber auch nach OCR-Versuchen ein böses Erwachen.

Sehr gering erscheint auch der Anteil der Firmen, die elektronische Rechnungen verschicken. Lediglich 11 Prozent tun das derzeit. Allerdings beabsichtigen 12 Prozent, E-Invoicing zeitnah einzuführen. Wenn auch „mit angezogener Bremse“, wie die Forscher aus Hannover schreiben, geht es doch merklich voran. Immer mehr Firmen führen Testprojekte durch, installieren wenigstens Teillösungen oder schließen einzelne Lieferanten ans elektronische Rechnungsmanagement an.

Integration in Arbeitsabläufe zentrales Problem

Einen Hinweis auf die wachsende Dynamik geben Veränderungen in den Gründen, die die Firmen als Argument gegen eine Einführung des elektronischen Rechnungsempfangs angeben. Etwa ein Viertel erkennt nach wie vor keinen Bedarf. Drastisch zurückgegangen ist von 2007 auf 2008 hingegen das vorgebliche Desinteresse der Versender – von über 30 auf 26 Prozent. Hauptschwierigkeit in den Unternehmen ist aktuell die Integration in die Arbeitsabläufe. Diesen Punkt nannte 2008 ein Drittel, im Vorjahr waren es lediglich 15 Prozent. Das lässt darauf schließen, dass sich die Entscheider verstärkt mit den Potenzialen des elektronischen Rechnungswesens auseinandersetzen.

Als Hürde entpuppt sich mittlerweile, dass die Anwender allzu häufig schlechte Erfahrungen mit Optical Character Recognition (OCR) machen. Diese Texterkennungs-Lösungen wurden in den vergangenen Jahren verstärkt als erster Schritt zur Verbesserung des Rechnungsmanagements eingesetzt. Ein Drittel der Unternehmen gibt diesen Lösungen aber mangelhafte und schlechte Noten. Die Anwender sind unzufrieden, weil Einsparziele verfehlt wurden, die Datenqualität sich nicht verbessert hat und der Korrekturaufwand nach wie vor erheblich ist.

"Als Ausweg aus diesem Dilemma werden spezialisierte Dienstleister angesehen, die Papier-Belege und E-Invoices gleichermaßen beherrschen sowie hohe Qualitätsraten und Fristen garantieren", schreiben die Wirtschaftsinformatiker in ihrer Studie.

Außerdem hätten die meisten Unternehmen mittlerweile erkannt, dass eine Umstellung von Papier auf elektronische Rechnungen nur schrittweise erfolgen kann. Manche Lieferanten wollen auf gedruckte Belege nach wie vor nicht verzichten.

Immer mehr liebäugeln die Anwender mittlerweile mit der Zentralisierung des Rechnungseingangs in einem Shared Service Center. 62 Prozent der Befragten gehen davon, dass sich dieses Konzept wegen des erhofften Einsparpotenzials künftig durchsetzen wird. Schon jetzt nutzt fast die Hälfte der Unternehmen ein Shared Service Center.

Shared Service Center auf der Agenda

Ein Drittel lehnt das Shared Service Center-Konzept rundweg ab. 18 Prozent denken nach oder beurteilen dieses Instrument als positiv.

Das Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Hannover untersucht das elektronische Rechnungswesen in einem mehrjährigen Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Hildesheimer Dienstleister sgh Service AG. Basis der aktuell vorgelegten Ergebnisse sind Befragungen von mehr als 200 Unternehmen.