Gartner-Prognose

Hardware-Anbieter entdecken die Kreislaufwirtschaft

30.06.2023 von Annette  Zimmermann  IDG ExpertenNetzwerk
Die Gesetze werden strenger, die Verbraucher verantwortungsbewusster und die Mitarbeitenden umweltbewusster. Für die Hardwarebranche heißt das: Nachhaltigkeit ist Pflicht.
Gebrauchte Hardware im Sinne der Kreislaufwirtschaft aufbereitet wiederzuverwenden, dürfte bald zu einer Selbstverständlichkeit werden.
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Einer globalen Online-Studie des Marktforschungsunternehmens Gartner zufolge ist momentan nur etwa 17 Prozent der im Umlauf befindlichen Hardware in die Kreislaufwirtschaft integriert. Für die meisten Anbieter kommt es also darauf an, den Übergang von linearen Produktions- und Lieferketten zu einem zirkulären Entwicklungsmodell zu beschleunigen.

Doch wenn es um das Einhalten von Klimazielen geht, ist Kreislaufwirtschaft nur schwer umsetzbar. Die führenden Hersteller müssen daher ihre Produktstrategien überdenken. Sie sollten vor allem folgende drei Veränderungen einleiten:

1. Umweltbewusstes Produktdesign

Jedes Hardwareprodukt hat einen ökologischen Fußabdruck, der alle Prozesse und Ressourcen im gesamten Lebenszyklus umfasst. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat in den vergangenen zehn Jahren wiederholt den Footprint von Mobiltelefonen und Smartphones untersucht. Auf Grundlage der erhobenen Daten und auf der Basis aktueller Gartner-Interviews schätzen wir, dass bis zu 60 Prozent der verbrauchten Ressourcen und Emissionen auf verarbeitete Rohstoffe sowie auf Ressourcen wie Energie und Wasser zurückzuführen sind.

In den vergangenen Jahren haben die Anbieter den Übergang zur Kreislaufwirtschaft beschleunigt, um ihrer Verantwortung für die Umwelt besser gerecht zu werden. So verwendet beispielsweise Dell mittlerweile zertifizierten recycelten Stahl. Laptop-Verpackungen stellt das Unternehmen vollständig aus recycelten oder erneuerbaren Materialien her. Papieralternativen ersetzen Plastiktüten, Trays und Klebeband.

Trotz solcher Fortschritte hat ein großer Teil der Branche noch nicht erkannt, dass echte Kreislaufprodukte mehr als marginale Produktverbesserungen erfordern. Es geht um einen Systemwechsel und darum, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern und ihren Wert so lange wie möglich zu erhalten. Doch das widerspricht dem traditionellen Geschäftsmodell der Branche, die stets auf den Verkauf möglichst vieler neuer Produkte aus war. Dieser Ansatz lässt sich aber grundsätzlich nicht mit Nachhaltigkeitszielen vereinbaren.

Hier gilt es umzudenken: Anstatt ausschließlich auf kurze Produktzyklen zu setzen, sollten die Anbieter mit neuen Geschäftsmodellen ökologisch effektiver werden und sich mehr mit Hardware-Leasing, Hardware-as-a-Service und digitalen Diensten befassen. Außerdem gilt es, funktionsübergreifende Teams aus Forschung, Produktentwicklung und Lieferkette zusammenzustellen, die sich um Alternativen zu schädlichen Materialien und um neue Verfahren zur Materialrückgewinnung bemühen. Eine gemeinsame Produktentwicklung auf der Basis von Partnerschaften, beispielsweise mit Organisationen aus der Abfallwirtschaft oder der Materialwissenschaft, wäre ein grundlegendes Konzept der Kreislaufwirtschaft.

Rohstoffe und andere Ressourcen werden knapp. Die Kreislaufwirtschaft weist Wege aus diesem Dilemma.
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2. Übergang zu einer Closed-Loop-Lieferkette

In einer Gartner-Umfrage von 2022 haben Lieferketten-Experten betont, dass die übergreifende "Zusammenarbeit" und "Innovation" die wichtigsten Voraussetzungen seien, um die Kreislaufwirtschaft - auch kulturell - voranzutreiben. Erfreulicherweise zeigt die Erhebung, dass die Hardwarebranche bereits begonnen hat, Vorteile aus Investitionen in die Kreislaufwirtschaft zu ziehen. Die Verantwortlichen registrieren etwa eine sicherere Rohstoffverfügbarkeit, geringere ökologische und soziale Nachteile und auch wirtschaftliche Vorteile.

Eine Herausforderung ist allerdings der Übergang von einer linearen zu einer geschlossene (Closed-Loop-)Lieferkette. Letztere ist komplex, weil sie zusätzliche Schritte wie das Sammeln, Reparieren, Wiederaufbereiten und Recycling von Hardware umfasst. Eine wirklich zirkuläre Lieferkette nutzt erneuerbare Energien anstelle von fossilen Brennstoffen und produziert keinen Abfall. Sie gewinnt nicht nur Material zurück, um es in neuen Geräten wiederzuverwenden, sondern auch Energie für andere Prozesse.

Es lohnt sich also, den Wandel voranzutreiben. Wiederverwertung im Sinne der Nachhaltigkeit wird wirtschaftlich neu bewertet. Bislang galt, dass der Restwert eines Wirtschaftsguts (zum Beispiel eines PCs) in der Regel nach etwa vier Jahren negativ wird. Um nachhaltiger zu wirtschaften, ziehen es mittlerweile sowohl Anbieter als auch Endnutzer in Betracht, in die Wiederaufarbeitung zu investieren. So entstehen allmählich neue Geschäftsmodelle.

Die Marktführer haben erkannt, dass sie in die Kreislaufwirtschaft investieren müssen, indem sie eine umgekehrte Lieferkette entweder mit ihren eigenen oder mit den Anlagen Dritter aufbauen. Ziel ist es, den Bedarf an Rohstoffen zu reduzieren und die Umweltbelastung durch Produkte zu verringern.

Auch wenn es noch keinen eindeutigen Marktführer im Bereich der Kreislaufwirtschaft gibt, sind doch Fortschritte zu erkennen. Sie wirken sich in jeder Phase der zirkulären Lieferkette aus, so dass sich der Lebenszyklus der Rechner insgesamt verlängert. Hewlett Packard Enterprise (HPE) hat beispielsweise in den vergangenen drei Jahren 3,1 Millionen PCs, 2,3 Millionen Server und Rechenanlagen sowie fast eine Million Speichergeräte über sein Programm für zertifizierte Gebrauchtprodukte an den Markt zurückgegeben. Die HPE Technology Renewal Centers sind die größten IT-Wiederhersteller weltweit. Im Jahr 2022 verarbeitete die Einrichtung über 3,6 Millionen Altgeräte, von denen 82 Prozent wiederaufbereitet wurden.

3. Neue Umweltgesetze

Ein erfolgreicher Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert ein Gleichgewicht zwischen technologischen Innovationen der Anbieter und strengen Umweltvorschriften der Behörden, die gut konzipiert und strikt durchgesetzt werden. Wie Studien gezeigt haben, stimulieren streng durchgesetzte politische Maßnahmen die Innovationen der Industrie. Im Rahmen der EU-Verordnung für nachhaltiges Produktdesign (Ecodesign for Sustainable Products Regulation = ESPR) planen die Regulierer die Einführung eines digitalen Produktpasses. Er soll Verbrauchern und Unternehmen, die mit Recycling, Reparatur und Wiederaufbereitung zu tun haben, unter anderem folgende Informationen zur Verfügung stellen:

Ziel der Initiative ist es, den Grundstein für eine schrittweise Einführung eines "Digital Product Passport" (DPP) in mindestens drei Schlüsselmärkten bis 2024 zu legen. Dieser Pass soll schlussendlich für alle Konsumgüter gelten. Die DPP-Initiative kann Anbietern helfen, das Vertrauen von Benutzern und Geschäftspartnern in ihre Marken zu fördern, da wichtige Produktinformationen an die beteiligten Parteien weitergegeben werden. Gleichzeitig zielt der DPP darauf ab, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben und die Akzeptanz wiederaufbereiteter Produkte zu erhöhen.

Unternehmen sollten sich daran beteiligen. Beispielsweise können sie die Arbeitsgruppen unterstützen, die mit der Formulierung der Gesetzesvorlagen für den digitalen Produktpass oder das Recht auf Reparatur befasst sind. Außerdem sollten sie mit gutem Beispiel vorangehen und die Herkunft ihrer Rohstoffe, den Produktionsort sowie Umweltindikatoren transparent machen.

Neue Kreislaufwirtschaft - durch Technologien und Partnerschaften

Die Hardwareanbieter müssen den Übergang von einem ökoeffizienten zu einem ökoeffektiven Produktansatz jetzt angehen. Das gelingt durch das Entwickeln von Produkten, die aus recycelten Komponenten und erneuerbaren Materialien bestehen. Diese müssen einfach zu zerlegen und zu reparieren sein, so dass sich die Lebensdauer der Geräte verlängern lässt. Indem Forschung, Produktentwicklung und Supply-Chain-Spezialisten gemeinsam neue Methoden zur Rückgewinnung von Materialien erforschen und nach Alternativen zu schädlichen Stoffen suchen, kann die Ausbeutung von Rohstoffen minimiert werden.

In der Kreislaufwirtschaft geht es um den Einfluss eines Produkts auf die Umwelt - und zwar über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg. Produktverantwortliche haben heute die Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzuheben, indem sie die negativen Auswirkungen ihrer Produkte massiv reduzieren. Die Neugestaltung der Kreislaufwirtschaft wird aber nur mit Technologiepartnerschaften und strategischer Zusammenarbeit über Branchen hinweg funktionieren. (hv)