Arbeitsrecht

Im Visier der Chefs

02.12.2013 von Jens Hagen
Die Gangart gegenüber Mitarbeitern wird härter. Wer in Ungnade fällt, wird oft brutal hinausgedrängt. Mit welchen Tricks die Chefs Angestellte loswerden möchten - und welche Rechte Betroffene haben.

Als Führungskraft muss man sich auch schon mal die Hände schmutzig machen. Das lernen Leitende mit Personalverantwortung spätestens beim Besuch eines einschlägigen Seminars zum Arbeitsrecht.

"Die Kündigung störender Mitarbeiter" - so lautet der Titel einer Veranstaltung, die von einer Kanzlei mit Büros in fünf deutschen Städten organisiert wurde. Laut Programm lernen die Führungskräfte zuerst einmal, ihre Angestellten in fünf Klassen zu unterteilen: in "Querulanten", "Pflichtenverletzer", "Schlechtleister", "Mobber" oder "zu häufig fehlende Arbeitnehmer".

Nach der ersten Kaffeepause um 11.30 Uhr geht es den Ungeliebten dann an den Kragen. Ihre Chefs lernen, wann der Einsatz von Privatdetektiven, Videoüberwachung oder "Datenzugriff und Auswertung" als Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung zulässig ist.

Die nächsten Punkte auf der Tagesordnung: das "Schaffen fester Regeln, Verbote und Vorgaben zur späteren Konkretisierung von relevanten Pflichtverletzung" und die "konkrete Erfassung von störenden Pflichtverstößen". Damit sollen unzufriedene Chefs gerichtsfest dokumentieren können, wie ihre Mitarbeiter in die von ihnen aufgestellten Fallen tappen. Tipps zur Kündigung von Mitarbeitern, die wegen Krankheit oder Überforderung ihr Pensum nicht mehr schaffen, runden die Veranstaltung ab.

Wie Unternehmen Führungskräfte weichkochen
Listenplatz
Führungskräfte werden auf besondere "schwarze" Listen gesetzt. Quelle: Abeln Rechtsanwälte.
Sterbezimmer
Führungskräfte werden in besondere Abteilungen ausgegliedert.
Überforderung oder Degradierung
Projektaufgaben werden ohne die erforderlichen Sach- und Personalressourcen übertragen.
Zeugnis
Schlechte Beurteilungen werden bewusst erstellt um spätere Ablehnungen in internen Bewerbungsprozessen zu rechtfertigen.
Zielvorgaben
Aufgaben und Aufträge werden unbestimmt gehalten und laufend verändert.

Die Unternehmen rüsten auf, wenn es darum geht, das strenge deutsche Arbeitsrecht in ihrem Interesse zu nutzen. "Die Hire-and-Fire-Mentalität ist längst in deutsche Chefetagen eingezogen", sagt Christoph Abeln, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Inhaber der gleichnamigen Kanzlei in Berlin. "Die Bandagen werden härter, vor allem Führungskräfte werden nach wenigen Jahren wieder ausgetauscht."

Vertreter der Leitenden schlagen Alarm. "Immer mehr große Unternehmen gehen mittlerweile rüde gegen unliebsame Führungskräfte vor", sagt Ulrich Goldschmidt, Rechtsanwalt und Hauptgeschäftsführer vom Verband "Die Führungskräfte". "Es braucht Generationen, bis das verlorene Vertrauen wieder hergestellt werden kann", fügt Goldschmidt hinzu.

Auf den nächsten Seiten erklären wir, wie Unternehmen missliebige Mitarbeiter wieder loswerden möchten und welche Rechte Betroffene haben.

Die internen Kündigungstipps eines Dax-Konzerns

Es gibt viele Gründe, warum Mitarbeiter bei Chefs in Ungnade fallen können. Egal ob wegen menschlicher Differenzen, Streit über Zielvorgaben oder schlicht die Belegung einer Position, die eigentlich für den Vertrauten des Vorgesetzten bestimmt ist - wer einmal im Visier des Chefs steht, muss um seinen Job bangen. "Mitarbeiter sind zwar arbeitsrechtlich geschützt, dürfen aber nicht die Professionalität ihrer Vorgesetzten in puncto Arbeitsrecht unterschätzen", sagt Abeln.

Denn Führungskräfte werden nicht nur auf Seminaren geschult und von den Personalern - meist selbst studierte Arbeitsrechtler - unterstützt. Für das Aussortieren angeblicher Problemfälle gibt es in Unternehmen mittlerweile standardisierte Prozesse. Das zeigt zumindest der Leitfaden eines weltweit agierenden und wirtschaftlich höchst erfolgreichen Dax-Konzerns, der Handelsblatt Online vorliegt.

In kritischen Gesprächen sollen Führungskräfte dieses Unternehmens "nicht unvorbereitet" und "mit Fingerspitzengefühl" vorgehen. Sonst käme es bei dem betroffenen Mitarbeiter "zu Blockaden, die eine Einigung letztendlich unmöglich machen".

Voraussetzungen für betriebsbedingte Kündigung
Keine alternativen Jobs
Es darf keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen geben, ansonsten ist die betriebsbedingte Kündigung nicht möglich.
Weniger Schutzbedürftige
Die weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer können gekündigt werden.
Sozialauswahl
Der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl durchführen und je nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung entscheiden, welche Arbeitnehmer sozial am schutzbedürftigsten sind.
Wegfall von Arbeitsplätzen
Die unternehmerische Entscheidung muss zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, es darf keine anderen, milderen Maßnahmen geben – etwa Teilzeit oder Umstrukturierungen – die einen Wegfall der Arbeitsplätze verhindern könnten.
Unternehmerische Entscheidung
Für eine betriebsbedingte Kündigung muss es eine unternehmerische Entscheidung geben, beispielsweise einen Vorstandsbeschluss.

"Trennungsgespräche und andere schwierige Gespräche" können nach dem Leitfaden einen "bleibenden Eindruck der Führungskraft hinterlassen", der sich "in der Belegschaft, bei Kunden, Lieferanten oder anderen Gesprächspartnern herumsprechen könnten".

Checklisten sollen allzu rüden Führungskräften Leitlinien geben, Emotionen gilt es zu vermeiden. Wer auf der Abschussliste steht, soll auch weg. Und das - laut Papier - so schnell wie möglich. Wenn keine "Nebenaufgabe, ein sogenannter Elefantenfriedhof" zugewiesen werden kann, seien Aufhebungsverträge oder Kündigungen die beste Wahl. Entscheidungskraft und Schnelligkeit seien wichtig, weil sonst das "Alter" des Mitarbeiters spätere "externe Lösungen" wie etwa eine Kündigung erschwere.

Bei den Gründen für die Trennung von Mitarbeitern lässt das Unternehmen seinen Chefs freie Hand. Das "Nachlassen der Leistung" oder "Überforderung" gelten dafür als ebenso relevant wie "sehr hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten" oder "Chemie-Probleme". Offenbar widerspricht es nicht der Unternehmenskultur, dass solche Begründungen für eine Trennung dem deutschen Arbeitsrecht widersprechen.

Welche Rechte Betroffene haben

Denn auch Führungskräfte, die auf Wunsch des Chefs das Unternehmen verlassen sollen, haben Rechte. Entgegen des in weiten Kreisen der Führungskräfte verbreiteten Irrglaubens steht ihnen in der Regel der gleiche Kündigungsschutz zu wie jedem "normalen" Arbeitnehmer. "Für eine Kündigung muss regelmäßig ein betriebsbedingter, verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund vorliegen", sagt Abeln.

Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen ist eine Führungskraft auch ein leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzes. Nur dann kann sich das Unternehmen aber gegen Zahlung einer Abfindung unter erleichterten Bedingungen von dem Mitarbeiter trennen.

Welche Beleidigungen den Job kosten
Schmähkritik am Vorgesetzten
Ebenfalls mit sofortiger Wirkung entlassen werden kann, wer seinen Chef auf einer Firmenfeier als "Betrüger" und "Halsabschneider" bezeichnet (BAG, Az. 2 AZR 38/96).
Fäkalsprache auf der Betriebsfeier
Alkoholkonsum rechtfertigt nicht alles. Wer auf einer Betriebsfeier seinen Vorgesetzten als "Arschloch" beschimpft, muss selbst dann mit der fristlose Kündigung rechnen, wenn er zu diesem Zeitpunkt alles andere als nüchtern war: Grund: Der Mitarbeiter untergräbt damit Autorität des Arbeitgebers und verstößt gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht (LAG Hessen, Az.: 9 Sa 718/97).
Buhrufe für den Chef
Ein betrunkener Mitarbeiter, der während eines Firmenjubiläums die Rede des Chefs mehrfach mit Buhrufen, darf nicht wegen einer "Störung des Betriebsfriedens" fristlos entlassen werden. Das gilt zumindest, wenn der Mitarbeiter, wie im konkreten Fall, bereits seit 30 Jahren im Betrieb angestellt war (LAG Frankfurt/Main, Az.: 5 Sa 37/01).
Diktatoren-Vergleiche
Spricht ein Arbeitnehmer über einen in der ehemaligen DDR geborenen und dort lebenden Vorgesetzten von einer "Scheiß Stasimentalität", sind diese Worte an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (LAG Düsseldorf, Az. 10 Sa 1321/06).
Ausländerfeindliche Parolen
Eine Verwaltungsangestellte beim Finanzamt, die Ausländer als Schmarotzer bezeichnet, darf gekündigt werden (BAG, Az. 2 AZR 274/95).

Da es bei den meisten Führungskräften oftmals keinen rechtlich tragfähigen Kündigungsgrund gibt, sich die Unternehmen aber immer öfter gerade von älteren und damit verhältnismäßig teureren Führungskräften trennen möchten, haben die Personaler ein Problem.

Denn es besteht kein Anspruch des Unternehmens auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Ob es die Vorgesetzten mögen oder nicht: Auch unliebsame Mitarbeiter behalten ihren Anspruch auf volle Bezahlung und - solange eine Kündigung nicht rechtskräftig ist - auf eine vertragsgemäße Beschäftigung in der bisherigen oder einer gleichwertigen Funktion.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter hinausdrängen möchten, müssen daher kreativ werden. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt der Fall einer Mitarbeiterin, die lange Jahre in leitender Funktion direkt an den Vorstand eines Dax-Unternehmens berichtete. Die Managerin hatte umfangreiche Personalverantwortung, war für die Entwicklung wesentlicher Produktlinien verantwortlich und erfolgreich.

Wie Chefs unliebsame Mitarbeiter herausdrängen

Alles lief gut, bis der Betriebsrat eine Mitarbeiterumfrage initiierte. Anonym warfen die Kollegen ihrer Chefin angeblich Führungsdefizite vor. Die Folge war der öffentlichkeitswirksame "Entzug der Tätigkeit". Das heißt: Ihr wurde nicht nur ihre bisherige Tätigkeit entzogen, sondern dies wurde auch veröffentlicht. Sodann wurde sie auf ein bedeutungsloses Projekt ohne Verantwortung für Mitarbeiter und Budget versetzt. Das neue Büro lag am Ende des Werksgeländes in einer ansonsten leeren Büroetage.

Verbandsmanager Goldschmidt berichtet von einem Fall, in dem eine Führungskraft in einem Management Audit seine Fähigkeiten unter Beweis stellen sollte. "Uns liegen Unterlagen vor, die eindeutig belegen, dass sein Ergebnis bereits vor der Prüfung feststand", sagt Goldschmidt. "Es war sehr schlecht und sollte als Grund dafür dienen, die Trennung von dem Mitarbeiter einzuleiten".

In einem anderen Fall soll das Management eine Führungskraft mit einem angeblich von ihm verursachten Schaden in Höhe von zwei Millionen konfrontiert haben. "Bei einer Eigenkündigung des Mitarbeiters stellten die Vorgesetzten einen Verzicht auf Schadenersatz in Aussicht", sagt Goldschmidt.

Wie Sie sich gegen die Versetzung wehren
Nicht ohne Zeugen
Wenn es um eine Versetzung geht, ist es aus Gründen der Beweiskraft sinnvoll, einen Zeugen hinzu zu ziehen. Das kann jemand vom Betriebsrat oder vom Sprecherausschuss der leitenden Angestellten sein.
Nicht ohne Zeugen (2)
Diese Gremien müssen ohnehin vom Arbeitgeber informiert werden und der Betriebsrat könnte ein Veto einlegen. Ist unklar, worum es in einem Mitarbeitergespräch gehen soll, gilt es nachzufragen, wer genau an der Runde teilnimmt und was der Inhalt des Gesprächs sein soll.
Genaue Prüfung
Während des Gesprächs sollten Mitarbeiter das Gesagte möglichst nur mit dem Hinweis entgegen nehmen, den Vorschlag prüfen lassen. Das Dilemma: Zu heftige Ablehnung kann eine Kündigung nach sich ziehen. Wer hingegen Einverständnis signalisiert,verwirkt unter Umständen seine Rechte. Ein absolutes No-Go sollte es sein, bereits beim Gesprächstermin eine Vertragsänderung zu unterschreiben.
Genaue Prüfung (2)
"Erfolgreiche Führungskräfte lassen zu Recht jede Modifikation vom Anwalt prüfen", so Abeln: "Wir erleben immer wieder, dass selbst wenn sich beide Parteien grundsätzlich einig sind, bei solchen Gelegenheiten eine Verkürzung der Kündigungsfrist oder ein nachteiliger variable Vergütungssatz in den neuen Vertrag aufgenommen werden soll."
Vorsicht Falle! Protokoll erstellen
Manchmal droht im Gespräch eine Falle. So sei ein Mandant gefragt worden, wo er sich selber sehe, berichtet Repey. Dabei fiel der Nebensatz, er könne sich im Prinzip einen Wechsel von Berlin nach Hannover vorstellen.
Vorsicht Falle! Protokoll erstellen (2)
Darauf wurde er festgenagelt. Das Gespräch sollten Betroffene kurz zusammenfassen und eine entsprechende Notiz an die Gesprächspartner verschicken. Eine E-Mail reicht. Kommt keine Reaktion von der Gegenseite gilt die Version im Falle einer Gerichtsverhandlung als akzeptiert.
Anwaltsgespräch vorbereiten
"Bei Versetzungen ist die Materie meist komplexer als bei Kündigungen. Betroffene sollten daher unbedingt einen Anwalt hinzuziehen", rät Repey. Er wird zunächst prüfen lassen, ob die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag die geplante Versetzung wirklich deckt oder ob eine Änderungskündigung notwendig ist.
Anwaltsgespräch vorbereiten (2)
Weiter gilt es zu belegen, ob die Versetzung möglicherweise willkürlich ist und keine sachlichen Gründe dafür sprechen. Dafür ist es hilfreich vor einem Gespräch mit einem Anwalt einen Vergleich zwischen der alten und der neuen Position anzustellen.
Anwaltsgespräch vorbereiten (3)
Folgende Fragen helfen, sich Unterschiede bewusst zu machen. Wie viele Mitarbeiter wurden beispielsweise geführt und wie sieht es jetzt aus? Wegen welcher Kriterien wurde die ursprüngliche Position angetreten? Wie sieht die neue Stellung dazu im Vergleich aus?
Drei-Wochen-Frist
Wer seinen Job zunächst nicht riskieren möchte, kann die Änderungskündigung unter Vorbehalt annehmen. Dann ist die Annahme unwirksam, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen vor Gericht als sozialwidrig festgestellt wird.
Drei-Wochen-Frist (2)
Diesen Vorbehalt muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären. Die gleiche Frist gilt, wenn sich der Arbeitnehmer entscheidet, eine Kündigungsschutzklage einzureichen.
Vorteil Formalitäten
Der Anwalt wird jedoch zunächst prüfen, ob der Arbeitgeber wichtige Formalien eingehalten hat. Nur wenn der Arbeitsvertrag in punkto Ort und Art der Tätigkeit unspezifisch bleibt, kann der Chef von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen und den Mitarbeiter ohne Vertragsänderung versetzen.
Vorteil Formalitäten (2)
Andernfalls muss eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Und hier kommt es immer wieder zu Patzern. Dann muss der Betroffene die Änderungskündigung nicht akzeptieren. Es winkt eine Weiterbeschäftigung zu bisherigen Konditionen oder bei einvernehmlichen Ausscheiden eine Abfindung.
Vorteil Formalitäten (3)
Die Änderungskündigung bedarf stets der Schriftform (Paragraph 623 BGB). Sie muss von den richtigen Leuten unterschrieben sein und kann unter Wahrung der Kündigungsfristen oder - in seltenen Ausnahmefällen - mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden.
Vorteil Formalitäten (4)
Auch die geänderten Arbeitsbedingungen müssen schriftlich fixiert werden. Dabei muss das Angebot so konkret wie möglich sein. Der Arbeitnehmer muss dieses mit einem bloßen "Ja" ohne weitere Erläuterungen und Ergänzungen annehmen können.
Vorteil Sozialprüfung
Wenn ein Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht annehmen will, kommt es darauf an, ob die ausgesprochene Kündigung wirksam ist. Das ist sie nur, wenn sie nicht sozialwidrig ist. Der Arbeitgeber darf nur Änderungen anbieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.
Vorteil Sozialprüfung (2)
Er muss die Verhältnismäßigkeit wahren. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
Vorteil Sozialprüfung (3)
Eine 39-jährige Leiterin der Rechtsabteilung hatte mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, dass sie während der Elternzeit 30 Stunden pro Woche arbeitet – drei Tage von zu Hause aus und zwei Tage im Büro in der Nähe ihres Wohnorts.
Vorteil Sozialprüfung (4)
Einige Monate später wies die Firma sie an, nun zwei Tage pro Woche in der Londoner Konzernzentrale. Ihre Tochter war zu diesem Zeitpunkt 13 Monate alt. Aus Sicht des hessischen Landesarbeitsgerichts war das unzumutbar und nicht zulässig. Die Richter untersagten in einem Eilverfahren dem Arbeitgeber, die Frau in London einzusetzen (13 SaGa 1934/10).
Vorteil Degradierungsschutz
Ein Arbeitgeber darf einem Mitarbeiter keine Tätigkeit mit geringeren Anforderungen zuweisen, die zudem normalerweise niedriger bezahlt wird. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz. Das gilt nach diesem Richterspruch selbst dann, wenn der Chef seinem Mitarbeiter weiterhin den bisherigen höheren Lohn zahlt. Eine solche Versetzung sei allenfalls durch eine Änderungskündigung zulässig (Az. 11 Sa 43/07).
Vorteil Degradierungsschutz (2)
Doch in der Praxis ist eine Degradierung nicht leicht zu erkennen. Die neue Position werde oft in schmeichelhaften Formulierungen beschrieben. Zudem wird von Führungskräften erwartet, flexibel zu sein. Daher kann grundsätzlich jeder von einer Versetzung betroffen sein.
Vorteil Degradierungsschutz (3)
Erfolgt sie jedoch nicht im Einvernehmen oder gingen gar gescheiterte Verhandlungen voran, sich zu trennen, gilt es kritisch zu sein. Oft hat ein Arbeitnehmer bei einer Vertragsänderung auch nur ein ungutes Gefühl. "Man sollte auf alle Fälle hellhörig werden, wenn Führungskompetenz entzogen wird und man beispielsweise Führungskraft war und Projektmitarbeiter werden soll", empfiehlt Repey.
Vorteil räumlicher Schutz
Die betriebsbedingte Versetzung eines Mitarbeiters etwa in eine Filiale in einer anderen Ortschaft, kann nur in beidseitigem Einvernehmen stattfinden. Dementsprechend kann ein Beschäftigter nicht gegen seinen Willen versetzt werden, wenn der Arbeitsvertrag einen bestimmten Arbeitsort festlegt.
Vorteil räumlicher Schutz (2)
Dies zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz (Az.: 6 Sa 871/03). Das so genannte Direktionsrecht des Arbeitgebers stößt hier an seine Grenzen. In diesem Fall muss der Unternehmer zu einer Änderungskündigung greifen.
Vorteil räumlicher Schutz (3)
Das hat das Arbeitsgericht Frankfurt entschieden. Die Richter gaben damit der Klage eines kaufmännischen Sachbearbeiters gegen die Deutsche Lufthansa statt. Die Versetzung des Mannes von Frankfurt nach Köln wurde für gegenstandslos erklärt. Das Unternehmen hatte die Versetzung mit der Zentralisierung der kaufmännischen Abteilung in Köln begründet. Ohne eine Änderungskündigung, die sozial und betrieblich zu rechtfertigen ist, sei am Arbeitsvertrag nicht zu rütteln. ( Az. 18 Ca 4485/04).
Vorteil Rückbehaltungsrecht
"In der Praxis kann der Arbeitnehmer anfangs oft nicht abschätzen, ob eine Versetzung juristisch wirksam ist oder nicht ", sagt Fachanwalt Abeln. Erst im Kündigungsschutzprozess wird das Arbeitsgericht feststellen, ob die Arbeitsverweigerung gerechtfertigt war.
Vorteil Rückbehaltungsrecht (2)
Bleibt der Mitarbeiter also nach der Versetzung einfach zuhause und es stellt sich heraus, dass die Versetzung doch in Ordnung war, riskiert er eine fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.
Vorteil Rückbehaltungsrecht (3)
Ein Urteil des Niedersächsischen Landesarbeitsgerichts zeigt jedoch, dass Mitarbeiter ein Rückbehaltungsrecht geltend machen können. Dieses Recht wurde einer Managerin im Urteil des Niedersächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Juni 2010 (12 Sa 1251) im Falle einer rechtswidrigen Versetzung ausdrücklich zugestanden.
Vorteil Rückbehaltungsrecht (4)
"Sie habe ein Interesse daran, dass für die gegenwärtige Situation der Umfang ihrer Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis in einer Weise geklärt wird, der sie vom Risiko weiterer arbeitgeberseitiger Maßnahmen wie einer Abmahnung oder eine verhaltensbedingte Kündigung infolge der unwirksamen Versetzung freistellt", lautet die Begründung.

Nicht immer werden unliebsame Mitarbeiter so offensichtlich herausgeekelt wie in diesen Fällen. Die Verhaltensmuster der Unternehmen ähneln sich aber, wie verschiedene vergleichbare Fälle und Schilderungen von Anwälten zeigen.

Einige Beispiele für übliche Verhaltensweisen der Praxis sind etwa der schleichende Entzug von Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten einer bisher angesehenen Funktion. Oder das Vorhalten vermeintlicher Verhaltensverstöße, die angeblich anonym bleiben sollen, unter dem Vorwand, die "Zeugen" zu schützen. Ebenfalls beliebt: Die Führungskraft wird in öffentlichen Runden lächerlich gemacht, oftmals nachdem der Betreffende zuvor mit kaum zu bewältigenden Zusatzaufgaben überschüttet wurde.

Die Auswirkung von Psychotricks

Das sind nicht die einzigen Maschen von Vorgesetzten. Führungskräfte werden in Vorgesetztengesprächen auf angebliche Leistungsdefizite und Führungsdefizite angesprochen, die objektiv gar nicht bestehen.

So sollen Mitarbeiter verunsichert werden in der Hoffnung, dass diese Fehler machen. Kritik- und Personalgespräche werden unter Hinzuziehung von Mitarbeitern der Personalabteilung geführt, so dass von vornherein eine "Waffengleichheit" fehlt. Oftmals werden die Gespräche in immer zeitlich engeren Abständen geführt, um die Führungskraft zu zermürben. Dann werden Gesprächstermine kurzfristig eingestellt oder nicht eingehalten.

In acht Schritten zum Burn-Out
Erster Schritt
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause. (Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Zweiter Schritt
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Dritter Schritt
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Vierter Schritt
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Fünfter Schritt
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Sechster Schritt
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Siebter Schritt
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Achter Schritt
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.

Die Liste der Zermürbungstaktiken ließe sich beliebig fortführen. "Mobbing ungeliebter Führungskräfte ist längst gängige Praxis in vielen Unternehmen, die angeblich die Creme de la Creme der deutschen Wirtschaft darstellen", berichtet Anwalt Abeln.

Dabei sind die Mobber selbst getriebene, müssen Sparprogramme und Zielvorgaben durchsetzen, die sie ohne ein Herausdrängen von Mitarbeitern mit "einvernehmlichen" Aufhebungsverträgen niemals erreichen könnten, wie eine Führungskraft aus der Automobilbranche berichtet: "Die Verantwortlichen in den Personalabteilungen stehen bei solchen Aktionen regelmäßig vor dem Problem der Umsetzung und im krassen Gegensatz zur öffentlich propagierten Aussage, der Mitarbeiter sei 'bei uns das Wichtigste'."

Führungskräfte auf der schwarzen Liste haben ein psychologisches Problem. Vorgesetzte, die sich bislang kollegial verhalten haben, arbeiten gegen den Mitarbeiter. "Es war, als hätten Marsianer meine Kollegen neu programmiert", erinnert sich ein ausgeschiedener Mitarbeiter einer Bank. "Vertraute Kollegen waren plötzlich nicht mehr zugänglich, es war, als ob sie mich nicht mehr erkannten und eine andere Sprachen sprechen würden."

"Gute Chancen auf eine hohe Abfindung"

Führungskräfte sollten in derartigen Situationen in der Regel weder auf ihre Verdienste, langjährige Freunde noch bisherige Fürsprecher vertrauen. "Keiner dieser Personen will es sich mit den Entscheidern verderben und demnächst der Nächste sein", sagt Abeln.

So bitter eine solche Erfahrung für die Mitarbeiter auch sein mag, so hat es doch auch etwas Gutes. Sie zeigt, dass die rechtliche Position der Vorgesetzten bei einer Trennung miserabel ist. Ansonsten wären solche Psychotricks nicht nötig.

Da ein Verbleib im Unternehmen in der Regel unter solchen Bedingungen nicht anzuraten ist, sollten Mitarbeiter zumindest ihren Rechtsvorteil ausnützen und ihr "Sozialkapital" in eine hohe Ausgleichszahlung oder Abfindung ummünzen.

Da es bei langjährigen gut verdienenden Mitarbeitern schnell um sechs- und in Top-Positionen sogar um siebenstellige Eurobeträge gehen kann, sollten Betroffene bei den ersten Anzeichen einer Trennungsabsicht einen Fachanwalt hinzuziehen.

Denn unter Druck machen selbst alt gediente Führungskräfte häufig Fehler, nehmen vergiftete Angebote an oder vergreifen sich im Ton. Es gilt bei größtem Gegenwind keine Schwäche zu zeigen. "Privates, wie die Erkrankung der Ehefrau oder der Wunsch, wegen der schulpflichtigen Kinder am Sitz des Unternehmens zu verbleiben, werden oft mit Versetzung zu hunderte Kilometer entfernten Standorten gekontert", sagt Abeln. Nach seinen Erfahrungen verliefen Trennungsgespräche in der Regel "gnadenlos".

Quelle: Handelsblatt