DKSH modelliert seine Prozesse

Integration wie gemalt

18.12.2007 von Riem Sarsam
Mit einer modellbasierten Integration bindet der Schweizer Konzern DKSH unterschiedliche Anwendungen an ein zentrales SAP-System. Programmierung, Dokumentation und schlaflose Nächte sind dadurch seltener geworden.
Warum für den Dienstleistungskonzern DKSH die schnelle Integration verschiedenster Systeme entscheidend ist.

Risiken kann sich Dieter Schlosser nicht leisten. In Kuala Lumpur, fernab der Züricher Firmenzentrale, trägt der Vice President IT von DKSH die Verantwortung für eine der größten SAP-Anwendungen in der Supply-Chain-Industrie. Das Dienstleistungsunternehmen entstand 2002 aus dem Zusammenschluss der Asien-Aktivitäten von Diethelm, Keller und SiberHegner, allesamt Schweizer Traditionshäuser, deren Beziehungen nach Fernost bis ins 19. Jahrhundert reichen.

Ohne DKSH könnten viele Unternehmen nur schwer Geschäfte in Japan, China, Thailand oder Indien machen. Von der Marktanalyse und dem Markenaufbau über Distribution, Logistik und After-Sales-Service bis hin zum Kontakt mit den Kunden vor Ort nimmt der Konzern ihnen alles ab. Market Expansion Services nennt man das. DKSH betreut heute rund 2.000 Unternehmen auf der einen und mehr als eine Million Kunden auf der anderen Seite. Rund eine halbe Millionen Rechnungen fließen beispielsweise jeden Monat durch DKSHs Systeme. Konzerne wie Roche, Ferrero, Procter & Gamble, Faber-Castell oder der Maschinenbauer Trumpf verlassen sich auf die Fähigkeiten der Schweizer. "Wir liefern unter anderem rund die Hälfte aller lebenswichtigen Medikamente in vielen Märkten Asiens aus", erklärt Schlosser.

Fusionsbedingter Wildwuchs

Umbauen musste DKSH die Systeme dennoch. Und zwar gründlich. Die Ursache ist vielen CIOs hinlänglich bekannt: Historisch bedingt war die IT-Landschaft zersplittert, die Prozesse waren uneinheitlich. Die Fusion der drei Unternehmen vor fünf Jahren ließ allein die Zahl der ERP-Systeme auf 17 unterschiedliche Produkte und Versionen mit 5.000 Nutzern in 38 Ländern steigen. "In diesem fusionsbedingten Wildwuchs entschlossen wir uns, alle Prozesse und Daten zu standardisieren und unsere Systeme zu konsolidieren", beschreibt Schlosser die damalige Situation.

Pegasus soll nun helfen. Mit dem nach dem beflügelten Pferd benannten Projekt zur Harmonisierung und Zentralisierung der IT-Infrastruktur und -Prozesse legt der Konzern ein technisches wie organisatorisches Fundament für die Zukunft. Organisatorisch entschloss man sich zum Aufbau eines konzernweiten Shared Service Centers, technisch fiel die Entscheidung auf ein einheitliches SAP-Template und die Zentralisierung auf Basis einer Service-orientierten Architektur. Die Datendienste aller Länder mussten mit dem Zentralsystem, SAP-ERP 4.7, kommunizieren können.

So viel zu den internen Systemen. Hinzu kommt jedoch, dass DKSH als Servicedrehscheibe nur arbeiten kann, wenn die Systeme der Kunden und Lieferanten ebenfalls angeschlossen werden können. Vor Ort die Märkte zu verstehen, die Waren zu produzieren und zu verteilen setzt ebenfalls eine starke Vernetzung voraus.

DKSH: Von Medikamenten bis Maschinen.

Pegasus lässt Schlosser nicht viel Zeit. Nach Gründung des Corporate Shared Service Center (CSSC) in Malaysia, wo auch der IT-Chef seinen Arbeitsplatz hat, rollt er gerade das SAP-Template aus, mit dem bis 2008 nahezu 90 Prozent aller Anwender arbeiten sollen. Für diesen ehrgeizigen Plan fehlte anfangs jedoch das passende Werkzeug zur Integration der Schnittstellen, denn Schlosser will Daten in verschiedenen Formaten austauschen, Transaktionen automatisch steuern können und ein zuverlässiges Reporting ermöglichen.

Die Realität der Integration

Es drohte, was Butler-Group-Analystin Teresa Jones im vergangenen Jahr als die Realität der Anwendungsintegration beschrieben hat. Schon die Auswahl des Werkzeugs sei umständlich. Außerdem wachse die Komplexität noch einmal, wenn externe Anwendungen hinzukommen. Damit nicht genug, tauchten oft auch noch Leistungsprobleme in den Systemen auf. Dann helfe nur noch eine zusätzliche Infrastruktur. "Dies führt dazu, dass die wenigsten Integrationsprojekte mit den gewünschten Resultaten enden", sagt Jones.

Erst kurz vor Ende der Ausschreibung liegt auf Schlossers Schreibtisch das Angebot für ein modellbasiertes Verfahren. Das in Basel ansässige Unternehmen E2E behauptet darin, modellierte Prozesse in eine Applikation übersetzen zu können. Ohne, dass Entwickler eine Zeile Code schreiben müssen, ohne dass eine Dokumentation geführt werden muss und ohne eine leistungsfähigere Infrastruktur aufbauen zu müssen. "Ich habe es nicht geglaubt", sagt Schlosser. Doch er gibt dem Unternehmen eine Chance.

E2E BRIDGE; Modellbasierte Integration

Dass sich Geschäftstätigkeiten mit definierten Prozessen abstrahieren lassen, beweist ein Proof-of-Concept. "Bei jedem Integrationsschritt, den wir testeten, waren die Ergebnisse tatsächlich besser als bei jedem anderen SOA-Ansatz, den wir gesehen hatten." Schlosser ist überzeugt, die Entscheidung gefällt.

Keine Codierung mehr nötig

Der anschließende Pilot bestätigt die Funktionalitäten. In Singapur rollt die IT die neue Integrationslösung als Standardplattform mit dem SAP-Template aus. Die ursprünglich 78 Schnittstellen können dabei auf 15 Kernschnittstellen und 15 Services verringert werden. Hinzu kommt eine hohe Wiederverwendbarkeit einmal modellierter Business Services wie Auftragsbestätigung oder Lieferbenachrichtigung. Mindestens 60 Prozent lassen sich bei den Roll-outs in den anderen Ländern unverändert nutzen. In einem Mehrphasenprojekt führt Schlossers Team die Software nun unternehmensweit ein.

"E2E Bridge" besteht im Kern aus einem Enterprise Service Bus, der als virtuelle Maschine für UML funktioniert und somit Integrationsdienste in Form von UML-Modellen direkt ausführen kann. Eine Codierung entfällt dadurch, denn das Modell fungiert gleichzeitig als Dokumentation und ausführbares Programm. "Wir müssen also nicht befürchten, dass Veränderungen in der Ausführung nicht dokumentiert werden", stellt Dieter Schlosser fest. Mit der "Übersetzung" des dokumentierten Modells wird automatisch das produktionsfertige Programm geliefert - gleich wie oft das Modell angepasst werden muss.

Zwar ist das Werkzeug-Set neu auf dem Markt, aber alt in der Nutzung. Lange war E2E der Haus- und Hoflieferant der Schweizer Großbank UBS. Erst vor zwei Jahren beschlossen die Gründer Serge Ganser und Alex Büch, mit ihrem Produkt auch an den Markt zu gehen. Mittlerweile sind als Kunden unter anderem die Deutsche Post, Swisscom, Dr. Oetker und der österreichische Energielieferant EVN hinzugekommen.

Modellierungserfahrung gefragt

"DKSH hat mit seiner Arbeit unter Beweis gestellt, dass E2E Bridge schnell eine hochwertige Integration mit oft verwertbaren Services liefern kann, und das alles ohne Programmierung", kommentiert Derek Prior von AMR Research den Projekterfolg. Sein Kollege Philip Howard von Bloor Research ergänzt: "Der Integrationsprozess verkürzt sich, er wird günstiger, und er ist leichter zu bedienen - viel, viel leichter."

Das bestätigt auch Schlosser, der schon einige Erfahrungen mit der neuen Middleware gesammelt hat. Auf Singapur folgten Taiwan, China, Hongkong, Indonesien und Thailand. Die Integration in das SAP-Template schafft das Team innerhalb des vorgegebenen Zeitplans, die Zahl der Schnittstellen hat sich stark reduziert, ihre Qualität hingegen verbessert, und der gesamte Ablauf hängt auch noch weniger von der Person des Entwicklers ab, sondern orientiert sich an den Prozessen.

DKSH kümmert sich um Verarbeitung, Vertrieb und Verteilung verschiedener Güter in Asien wie zum Beispiel Bananen.

DKSH kann künftig seine Klienten leichter an die Systeme anbinden oder lösen. "Bislang dauerte es drei Monate, bis wir die produktive Arbeit für einen neuen Kunden aufnehmen konnten, in Zukunft wird das in 15 Tagen möglich sein", rechnet Schlosser vor.

Dennoch ist die Lösung nicht für jeden das selig machende Allheilmittel bei der Integration. Das System fordert die Unternehmen heraus, da die Prozessmodellierung einen hohen Abstraktionsgrad von allen Beteiligten verlangt. "Am ehesten profitieren daher Organisationen, die schon erste Erfahrungen im Modellieren gesammelt haben und auf einem hohen Abstraktions-Level arbeiten, oder solche, die schon einmal mit dem Versuch einer Integration auf dem herkömmlichen Weg gescheitert sind", dämpft Butler-Analystin Teresa Jones zu hohe Erwartungen.