Verknüpfung von realer und virtueller Welt

Jedes Ding ein Link

27.11.2006 von Anja Tiedge
Angenommen, Sie könnten jeden Gegenstand in einen Internetlink verwandeln. Nur ein Klick - und Sie sind drin. Was nach Utopie klingt, rückt der Wirklichkeit immer näher, denn mittels Semapedia- und Beetagg-Codes lässt sich die Welt mit dem Handy einfach scannen - und beispielsweise über Ebay vermarkten.

Nie zuvor Gesehenes oder gänzlich Ungeahntes sorgen in der realen Welt manchmal für große Fragezeichen. Wie einfach scheint hingegen die virtuelle Realität, in der es keine Ungereimtheiten gibt. Alles kann gegoogelt oder bei Wikipedia erkundet werden. Und falls doch noch Fragen auftauchen, findet man in Blogs und Foren willige Gesprächspartner, mit denen jedes Thema ausdiskutiert werden kann.

Das Ziel des offenen Projekts Semapedia ist es, die Lücke zwischen virtueller und realer Sphäre zu verkleinern. Das Handy dient dabei als Barcode-Scanner, der seinem Besitzer einen Weg durch die Welt bahnen soll.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Manager Magazin Online.
Foto: manager-magazin.de

Dazu kann der Nutzer Beiträge des Online-Lexikons Wikipedia codieren, ausdrucken und an Gegenständen oder Gebäuden befestigen. Mithilfe einer speziellen Software erkennt die Kamera eines internetfähigen Mobiltelefons die Codes und verbindet das Handy mit kontextbezogenen Inhalten im Internet. Jeder, der eine spezielle Software auf seinem Handy installiert hat und den Semapedia-Code damit "einscannt", also fotografiert, gelangt darüber zu dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag im Internet. So können sich beispielsweise Paris-Touristen über Geschichte und Höhe des Eiffelturms informieren - vorausgesetzt, sie verfügen über ein Fotohandy sowie die Software und finden den dazugehörigen Semapedia-Code.

Einige Unternehmer versuchen aber auch, an dem Scanner-Prinzip zu verdienen. Wie das Schweizer Unternehmen Connvision, das die sogenannten Beetaggs entwickelt hat. Die mindestens vier Quadratzentimeter großen, druckbaren Schilder bestehen aus vielen kleinen Waben und funktionieren ebenso wie Barcodes.

Im Prinzip wird so aus jedem Gegenstand der realen Welt ein Link ins Internet, den man mit dem Handy anklicken kann. Die Möglichkeiten, den Wabencode einzusetzen, sind zahlreich. Beispielsweise könnte auf Filmplakaten ein Barcode mit der Wegbeschreibung zum nächstgelegenen Kino abgedruckt werden. Auf Visitenkarten würde ein Beetagg zur Homepage des Unternehmens führen. Immobilienmakler hätten die Möglichkeit, Wabencodes in Zeitungsinserate einzufügen, die zur Website mit dem Wohnungsgrundriss führen.

Der Anwender zahlt dafür den entsprechenden Betrag, um mit dem Handy im Internet zu surfen. Das Unternehmen, das über die Beetaggs neue Kunden erreichen will, zahlt pro Klick des Anwenders auf die verlinkte Seite. Sobald ein Nutzer den Code abfragt, muss der Anbieter volumenabhängig etwa einen Cent zahlen.

Beetaggs jetzt auch auf Ebay-Artikeln

Durch das Scannen der Umwelt wird der potenzielle Kunde persönlich angesprochen und zu einer Antwort aufgefordert. Der Nutzer entscheidet, ob er auf das Angebot eingeht und die Informationen abruft. Beetaggs sind somit eine neue Form von Direktmarketing.

Doch erst bei einer flächendeckenden Verbreitung kann das Geschäftskonzept aufgehen, denn nur ein hoher Bekanntheitsgrad macht das Beetagging zu einem attraktiven Marketing-Instrument. Robin Maas, Geschäftsführer von Connvision, möchte derzeit allerdings nicht einmal verraten, welche Unternehmen das System für ihre Vermarktung nutzen wollen. ´"Um das Überraschungsmoment auszunutzen", wie er sagt. Nach Angaben von Connvision läuft die Software derzeit auf 60 bis 70 Handytypen; das Programm unterstützt die Betriebssysteme Windows, Symbian, Java und Palm .

Ein Kooperationspartner steht jedoch seit Kurzem fest. Für alle Artikel auf der Auktionsplattform Ebay gibt es einen entsprechenden Beetagg. Will zum Beispiel jemand sein Auto verkaufen, kann er es bei Ebay im Internet versteigern - und gleichzeitig den entsprechenden Beetagg-Code ausdrucken und an der Fensterscheibe des Autos befestigen. Ein Handy, auf dem die erforderliche Software installiert ist, kann den Code lesen und einen Interessenten mit der entsprechenden Internetseite bei Ebay verbinden. So kann sich der Nutzer über den Artikel informieren oder gleich mitbieten.

Die Idee zum Beetagg hatte Maas vor zwei Jahren. "Als ich im Auto unterwegs war und dringend tanken musste, versuchte ich über mein Handy und das Internet, die nächste Tankstelle auszumachen". Dies sei leider erfolglos geblieben. "Auf der Rückseite der Tankkarte sah ich jedoch einen Barcode." Die Idee, über einen Code die gewünschten Informationen zu erhalten, war geboren. Maas räumt ein, dass es zu dieser Zeit in Japan bereits den sogenannten Quick-Response-Code gab. An seinem Geschäftskonzept gebe es dennoch eine Neuheit. "Im Unterschied zu den Japanern bieten wir nicht nur die Technik an, sondern entwickeln auch die komplette Lösung inklusive Betreuung", sagt er.