Weltweiter Vergleich

Keine Balance zwischen Arbeit und Freizeit

13.12.2012 von Werner Kurzlechner
Sowohl im Rekrutieren von Spitzen-Fachkräften als auch bei Work-Life-Balance für die Mitarbeiter tun sich deutsche Firmen laut Towers Watson besonders schwer.
Anderswo machen Mitarbeiter mehr Werbung für ihre Firma: Studienergebnisse von Towers Watson im Überblick.
Foto: Towers Watson

Die Work-Life-Balance ist in Deutschland offenbar deutlich schlechter als anderswo auf der Welt. Rund zwei Fünftel der Firmen hierzulande gehen davon aus, dass das Gleichgewicht aus Arbeit und Freizeit bei ihren Mitarbeitern nicht stimmt. Weltweit nimmt nur ein Fünftel dieses Problem wahr. Das geht aus einer Studie der Berater von Towers Watson hervor, die auch schwerwiegende Probleme bei Rekrutierung und Bindung hochqualifizierter Mitarbeiter feststellt und gemeinsam mit den HR-Experten von WorldAtWork erstellt wurde.

Es handelt sich auf den ersten Blick um einen alarmierenden Befund. Relativieren mag man ihn mit dem Hinweis, dass das Ergebnis auch für ein höheres Problembewusstsein der Firmen hierzulande im internationalen Vergleich sprechen könnte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass eine auf einer Befragung der Mitarbeiter basierende Studie ebenfalls von Towers Watson im Sommer zwar kein schönes, aber doch auch kein grausiges Bild zeichnete. Demnach könnten viele Mitarbeiter in der Bundesrepublik zwar motivierter sein, sind aber im Vergleich beispielsweise zu den britischen Kollegen doch weitgehend zufrieden mit ihren Arbeitgebern. Vor allem dann, wenn ihnen der speziell aus deutscher Sicht wichtigste Wert geboten wird: Sicherheit.

Dauerhaft hohe Arbeitsbelastung lässt Engagement sinken

Die jetzt erschienen Studie des Beratungshauses ergänzt sozusagen die Mitarbeiterperspektive durch jene der Unternehmen. Befragt wurden mehr als 1600 Firmen weltweit, davon 36 aus Deutschland. Davon 57 Prozent berichten, dass ihre Mitarbeiter im Job häufig unter großem Druck ständen. Auch dieser Wert liegt über dem globalen Durchschnitt von 48 Prozent. 62 Prozent der deutschen Firmen gehen davon aus, dass ihre Mitarbeiter ihr Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber weiterempfehlen würden. Der weltweite Mittelwert ist hier 71 Prozent.

„Gerade wenn Unternehmen unter dem Druck stehen, kurzfristig ihre Produktionsprozesse zu optimieren oder ihre Umsatzsituation zu verbessern, kann sich dies in einer erhöhten Arbeitsbelastung für die Mitarbeiter niederschlagen“, kommentiert Olaf Lang, Leiter des Beratungsbereichs Talent & Rewards bei Towers Watson. Viele Mitarbeiter seien auch bereit, in solchen Phasen Höchstleistungen zu erbringen, wie die befragten Unternehmen bestätigten. Werde daraus jedoch ein „Dauersprint“, leide das Engagement der Mitarbeiter.

Nun lassen sich die drei erwähnten Ergebnisse aus guten Gründen schönfärben. Wie die Erfahrung zeigt, erscheinen in derartigen Studien die europäischen Werte traditionell nahezu immer schlechter als jene aus Asien oder Amerika. Problematischer ist da schon, dass dies in der Towers Watson-Studie auch für den objektiv bewertbaren Bereich der Rekrutierungsengpässe gilt.

Große Kluft bei Spitzenkräften

Die Nase vorne haben deutsche Firmen im Vergleich nur bei der Bindung von Mitarbeitern ohne besondere Befähigung.
Foto: Towers Watson

Demnach sind die Probleme hierzulande besonders ausgeprägt, sobald es um besondere Mitarbeiter geht. Beim Suchen und Binden gewöhnlicher Mitarbeiter haben nur 18 Prozent der deutschen Firmen Schwierigkeiten. Weltweit sind es hier 31 Prozent.

Umso schlimmer ist die Lage etwa bei den sogenannten Top Performern. 83 Prozent der hiesigen Firmen tun sich schwer, Spitzenkräfte für sich zu gewinnen – der internationale Durchschnitt liegt bei lediglich 59 Prozent. Mit 81 zu 71 Prozent ist die Kluft bei den Mitarbeitern mit erfolgskritischen Fähigkeiten etwas kleiner, aber durch die deutsche Brille ebenfalls negativ.

Das ist ebenfalls der Fall bei High Potentials und Hochschulabsolventen. 78 beziehungsweise 36 Prozent der deutschen Unternehmen berichten von Problemen, diese zu rekrutieren. Die internationalen Vergleichswerte sind mit 60 respektive 18 Prozent deutlich geringer.

Laut Towers Watson versuchen viele Firmen zwar, High Potentials die erwünschten Karrierechancen zu bieten. Dabei werde aber vergessen, dass der hochbegabte Nachwuchs ebenfalls an Jobsicherheit interessiert ist. Immerhin hätten rund zwei Drittel der Unternehmen ihre Leistungsträger und Nachwuchstalente mittlerweile genau identifiziert.

„Dies ist ein guter erster Schritt – und er scheint sich zu lohnen“, sagt Studienmitautor Johannes Berger. „Unternehmen, die Klarheit über die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen in ihrer Belegschaft haben, berichten über bessere Karriereentwicklungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter und effektivere Nachfolgeplanungsprozesse.“

Passgenaue Perspektiven

Allerdings gelinge es bisher nur der Hälfte der Firmen, Karriereplanungs- oder Personalentwicklungsprogramme genau auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Mitarbeitergruppen auszurichten. „Gerade passgenaue Karrieremöglichkeiten sind es jedoch, die High Potentials dazu bewegen, einen Job anzunehmen und länger im Unternehmen zu verweilen“, so Berger.

Die Studie „Global Talent Management and Rewards Survey” ist bei Towers Watson erhältlich.