Länder-Ranking

Kienbaum: Engagement der Mitarbeiter sinkt

19.10.2011 von Werner Kurzlechner
Deutsche Arbeitnehmer fühlen sich von ihren Chefs schlecht verstanden. Schweizer und österreichische Mitarbeiter arbeiten deutlich engagierter.
Indien im grünen, Großbritannien im roten Bereich: Die Kienbaum-Ergebnisse im Überblick.
Foto: Kienbaum

Die engagiertesten Mitarbeiter der Welt gibt es in Indien. Deutschland reiht sich im Vergleich von 18 Ländern mit Platz Neun im Mittelfeld ein. Während indische Arbeitnehmer auf einer Skala von 0 bis 100 in Punkto Motivation im Durchschnitt 74 Punkte erreichen, steht die Bundesrepublik bei einem Wert von 57.

Das geht aus einer Studie von Kienbaum hervor, die die Berater gemeinsam mit dem Marktforscher ORC International durchführten. Befragt wurden für den zum zweiten Mal erhobenen Engagement-Index 10.000 Arbeitnehmer, ein Viertel davon aus der Bundesrepublik.

Hinter Indien folgt auf Platz Zwei mit 67 Punkten China. Auffällig an den beiden Spitzenreitern ist, dass die Motivation gegenüber 2010 nochmals um acht respektive sieben Punkte anzog. Dritter ist Brasilien mit 64 Punkten- einer weniger als im Vorjahr.

„Die positiven Engagement-Werte von Indien, China und Brasilien könnten auf die Aufbruchsstimmung zurückzuführen sein, die in diesen Ländern herrscht“, sagt Jan-Marek Pfau, Projektleiter bei Kienbaum. „Die BRIC-Staaten gehören zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Erde und verkleinern den Abstand zu den westlichen Industriestaaten in hohem Tempo.“

Zu diesem Befund würde in jedem Fall passen, dass das Ende des Feld durchweg klassische Industrienationen bilden. Japan kommt als Schlusslicht auf lediglich 41 Punkte; Großbritannien bleibt mit 48 auch unter der 50 Punkte-Marke. Schlecht da stehen außerdem Hongkong (50), Frankreich und Spanien (jeweils 53). Zumindest in Frankreich und Spanien ist das Engagement wenigstens im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, während es im Vereinigten Königreich einen Absturz um sechs Punkte gab.

Leistung nicht ausreichend gewürdigt

„Hier könnte die Finanz- und Wirtschaftskrise stärkere Spuren hinterlassen haben“, ordnet Pfau das schlechte Abschneiden dieser Industrieländer ein. „Gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten und ist sogar der eigene Arbeitsplatz in Gefahr, sinkt häufig die Motivation der betroffenen Mitarbeiter.“ Anzumerken ist allerdings, dass das etwa für die USA nicht gilt. Die Vereinigten Staaten liegen mit 63 Punkten auf dem fünften Rang. Hingegen liegt der BRIC-Staat Russland sogar um einen Punkt schlechter als Deutschland.

Die Bundesrepublik lässt also – ein erfreulicher Aspekt – die anderen großen europäischen Volkswirtschaften hinter sich, auch Italien auf Platz 12 mit 55 Punkten. Im Vergleich zum Vorjahr ging es allerdings abwärts: 2010 hatten 60 Punkte noch den siebten Platz im Ranking bedeutet. Deutschland trägt auch die rote Laterne im deutschsprachigen Sprachraum. Denn die Schweiz schnitt mit Platz Vier und 63 Punkten exzellent ab, und auch Österreich erreichte mit 60 Punkten einen guten sechsten Rang.

„Die Schweiz mit ihrem starken Bankensektor ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Land für Hochqualifizierte aus den umliegenden Staaten“, so Pfau. „Das könnte ihre Spitzenposition im deutschsprachigen Raum erklären.“ In jedem Fall ist in der Schweiz ebenso wie in Österreich das Gehaltsniveau im Vergleich zu Deutschland ein die Motivation fördernder Faktor. In der Schweiz ist der Anteil derjenigen Mitarbeiter, die mit ihrer Vergütung zufrieden sind, 15 Prozentpunkte höher als in Deutschland, in Österreich sind es 13 Prozentpunkte mehr.

Ähnlich ist das Bild bei der Frage, ob die jeweilige persönliche Leistung auch vom Unternehmen anerkannt wird: Hier ist der Anteil der Zufriedenen in der Schweiz zwölf Prozentpunkte höher als in Deutschland. Ebenso groß ist der Unterschied zwischen den Mitarbeitern beider Länder bei der Zufriedenheit mit der Unterstützung durch ihren Vorgesetzten. Auch ihre Weiterbildungsmöglichkeiten schätzen Schweizer und Österreicher besser ein als in Deutschland.

Diese Ergebnisse dürften den deutschen Arbeitgebern Kopfzerbrechen bereiten, denn die Aus- und Weiterbildung sind aus Sicht der Mitarbeiter der zweitwichtigste Faktor, der ihr Engagement positiv beeinflusst. Am wichtigsten ist ihnen, dass das Unternehmen insgesamt gut geführt wird. Außerdem legen die deutschen Mitarbeiter viel Wert auf Fairness und Respekt.

Behörden besser als gedacht

Hierzulande scheinen überhaupt die Probleme vor allem von Arbeitgeberseite lösbar zu sein. So erklären 69 Prozent der Befragten, das ganze Jahr über engagiert für ihre Firma arbeiten zu wollen. Aber nur 53 Prozent sagen, dass ihr Tätigkeitsfeld alles aus ihnen heraushole. Hoch schätzen viele deutsche Arbeitnehmer indes die Erwartungssicherheit am Arbeitsplatz. 79 Prozent der Befragten bewerten es positiv, dass sie jederzeit wissen, was ihr Arbeitgeber von ihnen im Job erwartet. Knapp drei Viertel der Mitarbeiter können darüber hinaus gut einschätzen, inwieweit sie mit ihrer Arbeit zum Erfolg des gesamten Unternehmens beitragen. Deshalb möchten auch knapp 70 Prozent der deutschen Studienteilnehmer ihrem aktuellen Arbeitgeber treu bleiben.

Im weltweiten Branchenvergleich liegen die Mitarbeiter aus dem Finanzsektor auf Platz eins: Ihr Engagement-Wert beträgt im Schnitt 62 Punkte. Etwa gleichauf liegt die High-Tech-Branche, gefolgt von den Handelsunternehmen mit 59 Punkten. Die Motivation von Angestellten im Öffentlichen Dienst ist entgegen der landläufigen Meinung relativ hoch: Sie erzielen einen Wert von 58 Punkten.

„Um das strategische Wettbewerbsvorteile im War for Talent zu erzielen und das Engagement der Mitarbeiter nachhaltig zu steigern, ist es notwendig, im Rahmen eines strategischen Engagement Management organisationsspezifische Stärken herauszuarbeiten und Schwächen zu überwinden“, lautet Pfaus Fazit. „Dabei sollte das Engagement Management in bestehende HR-Prozesse wie zum Beispiel das Performance Management eingebunden werden, um den Erfolg eines Unternehmens nachhaltig zu sichern.“

Die Studie „Employee engagement around the world“ ist bei Kienbaum erhältlich.