Damit Projekte nicht scheitern

Klares Projektmanagement statt guter Vorsätze

18.09.2020 von Philip Moscoso
Erst große Pläne, dann großes Scheitern. Oder? Der Schweizer Philip Moscoso, Professor an der internationalen IESE Business School in München und Barcelona, meint: Selbstverständlich können Projektverantwortliche Erfolgschancen deutlich erhöhen.
Soll das Projektmanagement dauerhaft erfolgreich sein, müssen Unternehmen unbedingt eine Projektmanagement-Kultur entwickeln
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Der Berliner Flughafen BER steht inzwischen als Synonym für gescheitertes Projektmanagement, geradezu als Prototyp für planerischen Misserfolg. Anders lässt sich ein Projekt nicht beschreiben, dessen avisierte Kosten von 1,7 auf fast fünf Milliarden Euro gestiegen sind und dessen Fertigstellung, die ursprünglich für 2012 geplant war immer und immer wieder verschoben wurde.

Der BER ist kein Einzelfall. Laut dem Standish Report halten lediglich 32 Prozent aller Projekte den Zeit- und Kostenrahmen ein, 44 Prozent überschreiten die festgeschriebenen Ziele für Zeit und Kosten deutlich, knapp ein Viertel wird sogar vorzeitig abgebrochen. Lassen sich solche Misserfolge überhaupt verhindern?

Wenn sie nach einer klaren Methode vorgehen, lernen Manager aus den Fehlern ähnlicher Projekte und nutzen diese Erkenntnisse für künftige Projekte. Gehen die Führungskräfte systematisch vor, verbessern sie auch die Koordination zwischen einzelnen Zuständigkeitsbereichen und die Kommunikation. Dies wiederum erleichtert den Abschluss und die Nachbereitung des Projekts.

Eine solche Systematik lässt sich am besten am Lebenszyklus eines Projekts darstellen. Jedes Projekt, ganz gleich wie komplex, durchläuft fünf Phasen.

Auswahl

Da ein Unternehmen im Allgemeinen mehr Projekte als Ressourcen hat, muss das Management anfangs priorisieren. Projekte dienen zur Umsetzung der Strategie. Die Auswahl muss also immer die strategischen Ziele in den Mittelpunkt stellen. Diese Priorisierung entspricht einem ersten "Checkpoint".

1. Unklare Arbeitslast
Bryan Fagman vom Anbieter Micro Focus sagt, dass viele Projekte an einem nicht klar umrissenen Arbeitsaufwand scheitern. Schleichen sich hier Unschärfen ein, leidet das ganze Projekt. Im schlimmsten Fall bleibt undefiniert, wann es überhaupt abgeschlossen ist. Fagman mahnt deshalb an, Ziele im Dialog mit den Kunden klar zu benennen.
2. Undefinierte Erwartungen
Alle Beteiligten müssen von Beginn an wissen, welche Anforderungen ein Projekt stellt und welche Erwartungen zu erfüllen sind – sonst droht ein Fiasko. Tim Garcia, CEO des Providers Apptricity, nennt zwei entscheidende Dinge, die alle Team-Mitglieder vorab wissen sollten: was getan wird und wie man weiß, wann das Projekt abgeschlossen ist. „Ohne eine dokumentierte Vereinbarung, die Antworten auf diese beiden Fragen liefert, ist ein Projekt von Anfang an in Gefahr“, sagt Garcia.
3. Fehlende Management-Unterstützung
Die Unterstützung aus der Firmenspitze sollte unbedingt gesichert sein. Befindet man sich dahingehend mit der Chef-Etage nicht in Einklang, mindert das die Erfolgsaussichten beträchtlich, meint Brad Clark vom Provider Daptiv.
4. Methodik nach Schema F
Im Projekt-Management wird gemeinhin mit standardisierten Schlüsselaufgaben und Leistungen gearbeitet. Darin lauert nach Einschätzung von Robert Longley, Consultant beim Beratungshaus Intuaction, aber auch eine Gefahr. Die Standard-Ansätze seien meist auf Projekte einer bestimmten Größe ausgerichtet. Sie passen möglicherweise nicht mehr, wenn man sich an größere Projekte als in der Vergangenheit wagt.
5. Überlastete Mitarbeiter
„Team-Mitglieder sind keine Maschinen“, sagt Dan Schoenbaum, CEO der Projekt-Management-Firma Teambox. Projekte können auch daran scheitern, dass Mitarbeiter mit Arbeit überfrachtet werden. Vermeiden lässt sich das, indem man sich vorab ein klares Bild über die Stärken der Team-Mitglieder macht und auf eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben achtet.
6. Ungeteiltes Herrschaftswissen
Projekte leben davon, dass Informationen nicht monopolisiert, sondern miteinander geteilt werden. Das geschieht oft dann nicht, wenn Ergebnisse erst nach langer Anlaufzeit geliefert werden müssen. Tim Garcia von Apptricity rät deshalb dazu, Projekt in kurze Phasen einzuteilen. An deren Ende sollte es jeweils Resultate geben, mit denen das ganze Team weiterarbeiten kann.
7. Unklare Entscheidungsfindung
Im Verlauf eines Projektes sind Änderungen der ursprünglichen Roadmap oft unvermeidbar. Es sollte beim Change Management aber klar dokumentiert werden, wer wann was geändert hat und wie die neue Marschrichtung aussieht.
8. Fehlende Software
Exel-Spreadsheets nötigen Projekt-Manager zu manuellen Korrekturen und führen oft zu Problemen bei der Status-Aktualisierung. Insofern ist es befreiend, mit Project Management Software zu arbeiten, die für automatische Updates sorgt und von lästigen manuellen Berichten entlastet. Dazu rät Brian Ahearne, CEO des Anbieters Evolphin Software.
9. Gefahr des Ausuferns
Change Requests sind alltäglich im Projekt-Leben, aber sie haben leider oft einen unerfreulichen Nebeneffekt: den Hang, Fristen und Budget-Rahmen immer weiter auszudehnen und auf Dauer zu Demotivation und Frust auf allen Seiten zu führen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind neben klaren Zielvorgaben auch tägliches Monitoring und ein definierter Prozess für gewünschte Veränderungen sinnvoll. Das empfiehlt in jedem Fall Sandeep Anand, der beim Software-Entwicklungshaus Nagarro für Project Governance verantwortlich ist.
10. Nicht "Nein" sagen können
Im Sinne des Unternehmens sei es manchmal nötig, Anfragen abzulehnen, sagt Markus Remark vom Provider TOA Technologies. Gut sei es deshalb zu wissen, wie man "nein" sagt. Am besten habe man für solche Fälle auch gleich eine konstruktive alternative Lösung parat.
11. Mangelnder Zusammenhalt
Projektarbeit ist Team-Arbeit. In der Praxis gerieren sich manche Projekt-Teams aber wie in Eifersüchteleien gefangene Sportmannschaften ohne Erfolg, beobachtet Berater Gordon Veniard. Der Fokus auf das eigentliche Ziel gehe verloren. Stattdessen beschuldigen sich Grüppchen gegenseitig, für Probleme und schlechte Leistungen verantwortlich zu sein. Um das zu verhindern, ist Führung durch den Projekt-Manager gefragt. Und der sollte es verstehen, sein Team mitzunehmen und in Entscheidungen einzubinden. Ohne Kommunikation sei das Desaster programmiert, so Hilary Atkinson vom Provider Force 3.
12. Vergessener Arbeitsalltag
Hilary Atkinson hat nach noch einen weiteren Kommunikationstipp parat: Projekt-Manager sollten nicht vergessen, ihre alltäglichen Aufgaben zu erledigen. Wer als Verantwortlicher keine Meeting-Termine verkündet, Status-Berichte vergisst und E-Mails unbeantwortet lässt, riskiert unnötige Verzögerungen.
13. Zu häufige Meetings
Meetings, in denen der Status Quo besprochen wird, können nerven – vor allem dann, wenn sie zu oft stattfinden oder zu lange dauern. Wichtige Informationen lassen sich durch Collaboration Tools häufig besser an die Team-Mitglieder bringen, meint Liz Pearce, CEO des Providers LiquidPlanner. Ihr Tipps: Meeting auf die Entscheidungsfindung beschränken. In ihrem Unternehmen gebe es lediglich zweimal in der Woche ein Treffen, um neue Aufgaben zu verteilen und Prioritäten zu definieren.
14. Gut genug ist nicht immer gut
Sergio Loewenberg vom IT-Beratungshaus Neoris macht Nachlässigkeiten in der Qualitätssicherung als Problem aus. Es sei günstiger, Fehler zu vermeiden anstatt Geld und Zeit ins Ausmerzen ihrer negativen Folgen stecken zu müssen. Wer auf hohe Qualitäts-Standards achte, vermeide späteres Nacharbeiten und die Gefahr eines schlechten Rufes.
15. Nicht aus Fehlern lernen
Liz Pearce mahnt außerdem an, mit Hilfe entsprechender Tools eine mehrstündige Analyse nach Ende des Projektes durchzuführen. Nur Teams, die sich des ständigen Lernens verschreiben, seien dazu in der Lage, die Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu vermeiden.
15 Fehler beim Projektmanagement
Es gibt unzählige Wege, ein IT-Projekt an die Wand zu fahren. Unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com hat 15 davon gesammelt – und verrät dankenswerterweise auch, wie man die Probleme beheben kann. Diese Tipps sind in der Bilderstrecke zu finden.

Auch für die nächsten Phasen sollten Führungskräfte solche Kontrollpunkte einrichten. Auf diese Weise können sie das Projekt rechtzeitig unterbrechen oder gar einstellen, wenn Komplikationen auftreten.

Definition

Jedes Projekt braucht ein klares Mandat und ein geeignetes Team. Um erfolgreich zu sein, sollten Sie folgende Fragen klären: Warum ist das Projekt wichtig? Welche Ergebnisse erwarten die Auftraggeber? Wie sehen die Ziele genau aus? Welche Voraussetzungen sind für den Erfolg erforderlich und wie lässt sich dieser messen?

An dieser Stelle müssen Projektleiter unbedingt Unwägbarkeiten und Risiken definieren und entsprechende Handlungsspielräume bzw. einen Plan B formulieren.

Planung

Jetzt wird es konkret. Das Wie, Wann und Wer kristallisiert sich heraus. Projektleiter übernehmen jetzt eine Reihe von Aufgaben. Sie teilen das Projekt in überschaubare Einheiten auf und erstellen einen Plan zur Qualitätskontrolle. Es müssen Diagramme gezeichnet werden, um die Abhängigkeiten der Projektaktivitäten zu veranschaulichen. Außerdem muss der Projektleiter Dauer, Kosten und Ressourcen für jede Aufgabe überblicken und einschätzen. Um die Gesamtlaufzeit des Projektes bestimmen zu können, sollte eine "critical chain" geplant werden. Zu guter Letzt müssen Projektleiter detaillierte Budgets und Pläne erstellen und Zwischenziele und "Checkpoints" festlegen, an denen Zwischenbilanzen gezogen werden.

Projektleiter müssen ihre Ressourcen effizient auf verschiedene Aufgaben verteilen.
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Durchführung und Überwachung

Die Termine stehen, die Zeit drängt. Projektleiter müssen ihre Ressourcen so auf die unterschiedlichen Aufgaben verteilen, dass diese termingerecht erledigt werden können. Regelmäßige Meetings mit allen Beteiligten beugen Konflikten vor.

Der Zweck der Projekt-Überwachung (Monitoring) ist, dass die Verantwortlichen rechtzeitig Abweichungen im Zeitplan, bei den Kosten oder im Leistungsumfang erkennen und in Ruhe reagieren können. Spezielle Verfahren, wie beispielsweise ein Gantt-Diagramm, in dem Soll- und Ist-Ablauf verglichen werden, können helfen, das Ganze systematisch umzusetzen.

Was aber, wenn die Ergebnisse nicht dem Plan entsprechen? Der Projektleiter muss die Daten auswerten und entscheiden, ob der ursprüngliche Plan noch gilt. Er hat jetzt zwei Optionen: Entweder muss er die Ziele (Resultate, Abschlusstermin oder gar Kosten) ändern, oder er muss das Projekt unter Umständen auch einstellen.

Projektabschluss

Vor dem endgültigen Abschluss sollten die Verantwortlichen die Ergebnisse überprüfen und an den eingangs vereinbarten Zielen messen. Wenn sie diese Erkenntnisse zusammenfassen, systematisieren und veröffentlichen, tragen sie damit bedeutend zum Erfolg von künftigen Projekten bei.

Und eines sollten die Verantwortlichen möglichst nicht vergessen: den Abschluss mit dem gesamten Team angemessen zu feiern. Ein gutes Ergebnis braucht auch einen gebührenden Rahmen.

Neues wagen!

Dass gewisse Projekte immer nach derselben Methode gemanagt werden, muss nicht bedeuten, dass es keine bessere gibt. Oft generieren neue Ansätze deutlich bessere Ergebnisse.

Ein Beispiel: Wenn bei Ausschreibungen immer nur das günstigste Angebot den Zuschlag erhält, scheitern Projekte häufig daran, dass die anschließend notwendigen Nachbesserungen den Kostenrahmen sprengen.

Um dies zu vermeiden, erdachten die Vertragspartner beim Bau vom Terminal 5 am Londoner Flughafen Heathrow eine unkonventionelle Lösung. Sie entwarfen einen Kostendeckungsvertrag mit Erfolgsbeteiligung. Der Vertrag verpflichtete also den Auftraggeber, dem Bauunternehmer nicht nur den entstehenden Aufwand zu erstatten, sondern ihn darüber hinaus auch am Gewinn zu beteiligen. Damit erhielten beide Seiten einen Anreiz: indem sie gemeinsam an innovativen Lösungen arbeiteten, würden sie zu besseren Ergebnissen finden, die Kosten senken und das Projekt schneller abschließen. Der Ansatz bot allen beteiligten Parteien Vorteile und verhinderte Konfrontationen.

Die Vertragspartner in Heathrow setzten die Idee leider nur halbherzig um - entsprechend kraftlos blieb das Ergebnis. Nachahmer allerdings, die diesen Ansatz konsequent verfolgen, können ihr Projekt effizienter zum Erfolg führen.

10 Basics für Projektmanager der nächsten Generation
Macher-Typen sind nicht mehr gefragt
Der Projektmanager mit rein technischer Expertise ist out, findet Mary Gerush von Forrester Research. Sie beschreibt den Projektmanager der nächsten Generation als kommunikativ, kompetent und stark in Soft-Skills.
1. Emotionale Intelligenz
Das meint die Fähigkeit, Augen und Ohren offen zu halten, um den Input von Projektmitarbeitern und Kunden in Zusammenhang mit dem Ziel in die Arbeit einfließen zu lassen.
2. Anpassungsfähige Kommunikation
Die Fähigkeit, seine Ideen - mündlich oder schriftlich - einem weiten Kreis von Interessenten zu vermitteln, egal, aus welcher Abteilung, aus welchem Kulturkreis und mit welcher Vorbildung sie stammen.
3. Fähigkeit, mit Leuten umzugehen
Die Begabung, schnell positive Beziehungen zu Team-Mitgliedern und Stakeholdern aufzubauen und zu pflegen.
4. Fähigkeit zu managen
Das Können, in einem Team zu arbeiten, es zu motivieren, auf das Ziel zu fokussieren und die Zusammenarbeit im Team zu fördern.
5. Flexibilität
Der Wille und die Fähigkeit, seinen Denkansatz zu überarbeiten, wenn es der Projektgegenstand und das Business verlangen
6. Business-Kenntnisse
Wissen über das Business des Kunden und seine Branche. Die Fertigkeit, seine Strategie zu verstehen und seine Projektarbeit an dieser Strategie auszurichten.
7. Analyse-Fähigkeit
Die Eignung, Probleme analysieren zu können und seine Entscheidungen aufgrund solcher Analysen zu treffen.
8. Blick für den Kunden
Das Vermögen, Kunden- und Anwenderbedürfnisse zu verstehen und den Drang, diese Kundenbedürfnisse im Projekt auch befriedigen zu wollen.
9. Ausrichtung am Ergebnis
Die Fähigkeit, das Projekt effizient und wirksam abzuschließen.
10. Charakter
Der Projektmanager der Zukunft sollte eine ansprechende Persönlichkeit sowie starke Wertvorstellungen und einen moralisch einwandfreien Charakter besitzen.

Bewertung verschafft Überblick

Zeit- und Ressourcenvergeudung wie beim Bau des Berliner Großflughafens BER können die Projektverantwortlichen verhindern. Dazu müssen sie die einzelne Teilbereiche danach bewerten, welche einen Mehrwert bringen, welche notwendig sind, aber keinen Mehrwert bringen, welche Projektteile weder notwendig sind, noch einen Mehrwert bringen und welche nur unnötige Verzögerungen verursachen.

Diese Bewertung gibt einen hilfreichen Überblick. Die Verantwortlichen sollten jetzt alle Aktivitäten, die unter den letzten beiden Kategorien aufgeführt werden, möglichst abstoßen. Die aus der zweiten Kategorie gilt es zu minimieren, die aus der ersten zu verstärken.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Unternehmenskultur

Soll das Projektmanagement dauerhaft erfolgreich sein, müssen Unternehmen unbedingt eine regelrechte Projektmanagement-Kultur entwickeln. Allen Beteiligten sollte überdies bewusst sein, welche Vorteile es bringt, Ressourcen optimal zu nutzen. Eine strukturierte Projektplanung leistet all das und weiß immer um die Möglichkeit, auf den Plan B zurückzugreifen. So hielt es auch Dwight D. Eisenhower: "Zur Vorbereitung auf den Kampf fand ich Pläne immer unbrauchbar", sagte er, "Planung dagegen ist unverzichtbar."