Kurz vor der Insolvenz

Kliniken nehmen radikalen Kurs

17.10.2007 von Andreas Schmitz
AUFGEGRIFFEN: 700 Kliniken sollen in den kommenden Jahren in den wirtschaftlichen Ruin treiben, so die Zahl, die auf dem Podium des Europäischen Gesundheitskongresses in München fällt. Ob die Zahl seriös ist, sei mal dahingestellt. Doch es gibt Manager, die jetzt einen Radikalkurs einschlagen. Etwa die SRH Kliniken oder die Knappschaft.
Andreas Schmitz, Redaktion CIO: "Lean Management ist vor allem mit flacheren Hierarchien verbunden, ein schweres Unterfangen. Schließlich ähneln viele Krankenhäuser in dieser Hinsicht noch weit eher der Bundeswehr als einem innovativen Industriekonzern."

Es gab für die SRH Kliniken wenig Optionen. Im Jahr 2005 verlor die Klinik-Kette das wirtschaftliche Gleichgewicht. Und es gab nur eine Chance. Sofort konsequent gegensteuern. Das hieß vor allem: Verschwendung eliminieren - nach dem Vorbild von Toyota. Und tatsächlich offenbarten sich bei genauem Hinsehen unkoordinierte Arbeitsabläufe und eine regelrechte Hamstermentalität. Die tägliche Arbeit der Mitarbeiter bestand - und das zeigte die Geschäftsführerin der SRH Klinik in Karlsbad-Langensteinbach Isabell Manz dem Podium in bunten Farben - zur Hälfte aus verdeckter, zu etwa 30 Prozent aus offener Verschwendung und nur zu 20 Prozent aus "Wertschöpfung".

Junge Porsche-Berater prallen auf etablierte Chefärzte

Sollte es nur bei jedem dritten Krankenhaus so aussehen, wie es vor kurzem noch bei dieser SRH Klinik aussah, darf man sich nicht wundern, wenn die Insolvenz bevorsteht. Es zeigt aber auch, dass nicht jede dritte Klinik zahlungsunfähig werden muss, den das Unternehmen schreibt heute wieder schwarze Zahlen. Das SRH Kliniken-Management holte die Porsche-Consulting ins Haus, die Ideen des Lean Management ins Haus implantieren sollten. Das war vor allem mit flacheren Hierarchien verbunden, ein schweres Unterfangen. Schließlich ähneln viele Krankenhäuser in dieser Hinsicht noch weit eher der Bundeswehr als einem innovativen Industriekonzern.

Pilotprojekte, die sich nicht innerhalb von sechs Wochen als sinnvoll erwiesen, wurden aufgegeben. Eine entsprechende Wertstromanalyse sichert, dass der Verschwendungsanteil am Arbeitskuchen nicht zu groß wird. Junge Porsche-Berater prallten auf etablierte Chefärzte. Die hätten, so die Podiumsmeinung von Isabell Manz, inzwischen ihre Meinung korrigiert und anfängliche Skepsis sei dem Bewusstsein gewichen, dass man die Prozesse verbessern müsse und auch könne.

Anders der Weg der Bochumer Knappschaft: Deren Radikalkurs besteht weniger darin, auf die Kostenbremse zu drücken und zu verschlanken, sondern viel mehr darin, konsequent Versorgungsnetze aufzuziehen - mit Vertrags-Ärzten und Kliniken. Sprich, mit einem Netz aus Versorgern, mit denen man sein eigenes Ding machen konnte. Vorteil 1: Die Knappschaft plagt sich nicht mit niedergelassenen Ärzten rum, die kein Interesse an integrierter Versorgung oder auch kein Geld dafür ausgeben möchten. Vorteil 2: Die Knappschaft hat nicht nur Kliniken, sondern ist auch der Versicherer. Unwillige Kassen scheiden aus.

Dieser geschlossene Kreis an Vertragspartnern erspart nicht nur dem Patienten seine zehn Euro Praxisgebühr, was wohl eher als Marketing-Einfall abzuqualifizieren ist, sondern vor allem darin, dass die Informationen zwischen den Beteiligten des Netzwerks weit besser fließen als zwischen sämtlichen Versorgern und sämtlichen Krankenversicherern in Deutschland.

Knappschaft: Nicht alle mitnehmen, die mitmachen wollen, sondern nur die, die auch passen.

Wie die zähe Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte ja eindrucksvoll zeigt, ist der Weg der Knappschaft sinnvoll. Nicht alle mitnehmen, die mitmachen wollen, sondern nur die, die auch passen. Nicht alle zu Wort kommen lassen, sondern klare Spielregeln festlegen. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass sich die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auf Winter 2008 verschiebt, realistisch eher noch auf Ostern 2009. Da ist die Knappschaft schneller, die zwar zu Beginn ihres Gesundheitskartenkonzeptes auch zähe Strecken hinter sich brachte, aber im Frühjahr 2008 spätestens seine Piloten in einzelnen Versorgungsregionen startet. Und zwar auf der Basis der Telematikinfrastruktur, die auch der bundesweiten Gesundheitskarte zugrunde liegt.

Wie sagte der Kenner der Gesundheitswirtschaft Heinz Lohmann auf dem Podium in München so schön: "Die Gesundheitskarte kam sehr altruistisch daher, wollte alle mitnehmen". Und das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das bestätigt der Healthcare-Experte von der T-Systems Andreas Dahm-Griess, der das Geschäftsmodell hinter der bundesweiten Gesundheitskarte vermisst.

Ein Wirtschaftsunternehmen wie die Knappschaft macht sich vor dem Start von Prosper darum Gedanken, wie das Ganze mal Geld abwerfen kann. Das kann nicht schaden. Denn unüberlegtes und langwieriges Ausprobieren enden schnell mal im Ruin.