Berndes Kochgeschirr steckt Linux in den Topf

Knuspriger Pinguin

05.04.2004 von Klaus Manhart
Open-Source für Unternehmens-Desktops wird gern als halbgar bezeichnet. Nicht so beim Arnsberger Kochgeschirrhersteller Berndes. Dort reduziert Linux seit sechs Jahren die IT-Kosten um fast 50 Prozent.

1998 war für die Geschäftsführung des Töpfe- und Pfannenhersteller Berndes das Maß voll. Die zügellose Selbstadministration durch die Nutzer hatte in dem 160-Personen-Unternehmen zu immer höheren Ausfällen und Kosten beim Betrieb der 70 Bildschirmarbeitsplätze geführt. Hinzu kam eine wild wuchernde IT-Umgebung mit den unterschiedlichsten Softwareversionen, unvernetzten und veralteten Rechnern und zunehmender Instabilität des eingesetzten Windows-Betriebssystems.

Eine typische Situation also, wie sie in vielen mittelständischen Firmen anzutreffen ist. Lars Kloppsteck, Leiter Unternehmensentwicklung bei Berndes, zog damals die Notbremse. Statt auf eine NT-Umgebung zu migrieren, entschied er sich für Linux. Aus heutiger Sicht beurteilt der IT-Leiter diesen Weg zwar als riskant, aber letztlich erfolgreich: "Der Schritt war nicht so abgesichert. Aber die Kosten sprachen einfach dafür."

Kloppsteck setzte mit Hilfe eines Open-Source-Dienstleisters auf die komplette Neustrukturierung der IT. Und zwar sowohl in der Hauptniederlassung in Arnsberg als auch in den Filialen in Charlotte (USA), Mailand, Singapur, Hongkong und Shanghai. Die Basis der Lösung bildeten Linux-Server-Systeme und auf Anwenderseite Linux Thin Clients.

Thin Clients senken Konfigurationskosten

Die Thin-Client-Lösung hat den Vorteil, dass sie zentral zu verwalten und sehr wartungsarm ist. Eine "Zerkonfigurierung" des Systems von Nutzerseite ist so nicht möglich. Die Effizienz des PC-Nutzers steigt, da er nicht mehr mit Konfigurations- oder Installationsproblemen abgelenkt ist. "Die Mitarbeiter müssen sich keine Gedanken mehr machen, ob der Desktop-Hintergrund grün oder blau sein soll", lästert Kloppsteck.

Die minimal ausgestatten Rechner ohne Lüfter, Festplatte und Diskettenlaufwerk senken die IT-Kosten nochmal dramatisch. "Man ist nicht darauf angewiesen, alle drei bis vier Jahre die Hardware zu wechseln, weil mehr Ressourcen für ein neues Betriebssystem gebraucht werden. Die Schmalspur-Rechner laufen so lange, bis sie kaputt gehen - und das sind sechs, sieben Jahre und noch mehr", sagt Kloppsteck.

Aktuell sind zwei Linux-Server (zur Erhöhung der Ausfallsicherheit als Cluster konfiguriert) und 60 Clients unter Red Hat Linux 7.1 im Einsatz. Sie bieten alles, was man für einen normalen Büroarbeitsplatz braucht: Staroffice und Openoffice für alle Büroanwendungen, Mozilla für Mail und Web, Acrobat Reader und einige weitere Tools. Als Desktop-Oberfläche wird seit fünf Jahren KDE 1.x eingesetzt. Im Laufe des Sommers soll auf ein aktuelles Debian Linux mit KDE 3.x aufgerüstet werden. Dies soll vor allem die Optik verbessern und den Komfort deutlich erhöhen.

Keine Last mit Viren und Würmern

Auf Nutzerseite war der Umstieg auf die Linux-PCs allerdings mit Hürden verbunden. Das Hauptproblem war weniger der Wechsel von Windows zu etwas Unbekanntem, sondern die Abschaffung der individuellen PCs. Mit den standardisierten Desktops waren die Benutzer nicht mehr in der Lage "ihr eigenes Ding zu machen", wobei dies durchaus gewollt war. "Dass man keinen individuellen Desktop mehr hat oder keinen Bildschirmschoner mehr installieren kann - da muss man durchaus Überzeugungsarbeit leisten", meint Kloppsteck. "Heute ist alles absolut kein Problem mehr. Im Gegenteil: Die Leute finden es sehr angenehm, sich überall anmelden zu können und keine Last mit Viren, Würmern & Co. zu haben."

Nur zwei Mann sind aktuell für Service und Support fest angestellt, und zwar für alle Anwendungen in der Berndes-Gruppe. Weitergehendes technisches Know-how wird von dem externen Dienstleister Gonicus eingekauft. Dieser wird vor allem dann aktiv, wenn Installationen, Updates oder größere Wartungs- und Projektarbeiten anstehen. "Dies hat den Vorteil, dass ich keine hochspezialisierten Techniker rumsitzen habe. Im Durchschnitt ist der externe Dienstleister nur fünf Manntage im Monat beschäftigt", sagt Kloppsteck. Dabei müssen die Gonicus-Techniker selten ins Haus kommen, selbst größere Wartungsdienste werden remote durchgeführt.

Gonicus hat bei seinem großen Kundenkreis Erfahrungen mit IT-Installationen aus den verschiedensten Welten. Deren Kosten-Nutzen-Benchmarks sprechen eindeutig für Linux. Alfred Schröder, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters, sagt: "Im Vergleich zu einer entsprechenden Windows-Umgebung kann man bei der Berndes-Linux-Lösung von einem Einsparpotenzial zwischen 30 und 50 Prozent pro Jahr ausgehen."

Eine 100-Prozent-Linux-Lösung ließ sich aber auch bei Berndes nicht realisieren. "Wichtig war für uns, dass wir die Wahl haben. Wir sind nicht grundsätzlich auf freie Software fixiert, sondern wollen uns aus verschiedenen Plattformen und Welten das gerade Geeignete heraussuchen", sagt Kloppsteck. So gibt es bestimmte Einsatzbereiche, in denen man um Windows-Workstations nicht umhinkommt. Alle mobilen Mitarbeiter sind zum Beispiel mit Windows-Notebooks ausgestattet. Außerdem gibt es immer noch ganz spezielle Anwendungen, für die es keine Linux-Programme gibt. "Bei uns ist das beispielsweise ein Programm für Postetiketten oder im Marketing Quark Express", sagt Kloppsteck. Die 60 Linux-Clients wurden aus diesem Grund durch 20 Notebooks und fünf Windows-Workstations für spezielle Anwendungen ergänzt.

Für den IT-Leiter ist die Verwendung von Linux am Arbeitsplatz insbesondere dann sinnvoll, wenn die Umgebung standardisiert ist, man also einen "Büro-Desktop" definieren kann. Richtig lohnenswert wird es nach seiner Meinung aber erst, wenn sich Anwendungen auch zentralisieren lassen.

Normale PCs, wo die kritische Masse fehlt

Auch eine bestimmte Größe ist Voraussetzung für einen Linux-Einsatz: "Das Thin-Client-Konzept macht keinen Sinn, wenn man lediglich zehn PCs hat. In Hongkong beispielsweise haben wir ganz normale Desktop-PCs im Einsatz, weil die kritische Größe nicht erreicht ist."

Firmen in einer ähnlichen Situation gibt Kloppsteck den Tipp: "Bei der Einführung sollte man auf eine detaillierte Planung wert legen. Wirklich wichtig ist, dass man nüchtern die Anforderungen definiert und sich danach erst nach geeigneter Software umsieht. Konventionelle Vergleiche à la 'MS Office versus Openoffice' sind nicht sehr sinnvoll."