Forschungskooperationen mit Hochschulen

Kostengünstiger Wissenstransfer

03.06.2002 von Marita Vogel
Viele IT-Unternehmen, die trotz Etatkürzungen neue Produkte entwickeln wollen, wenden sich an Universitäten, Fachhochschulen oder Forschungszentren. Hier lassen sich für relativ wenig Geld innovative Lösungen finden - und Nachwuchskräfte.

Jammern hilft manchmaL. Auf seine Klagen, dass Software-Entwicklungen für seinen 16-Mann-Betrieb so teuer und Mitarbeiter kaum zu finden seien, bekam Victor Thamburaj unerwartete Hilfe: Das Forschungszentrum Informatik (FZI) an der Universität Karlsruhe stellt ihm zur unternehmenseigenen Manpower für zwei Jahre 1,5 Mitarbeiterstellen zur Seite - kostenlos. "Jetzt können wir mit finnischen und dänischen Partnern Software-Modelle entwickeln", sagt der Geschäftsführer von TLON, einem Anbieter von Netzwerklösungen für Maschinengeräte-Steuerung aus Schwäbisch Hall.

Finanziert wird das Projekt von der EU über das so genannte Craft (Cooperative Research Action for Technology) -Projekt, das sich in erster Linie an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wendet. Über die konkrete Förderungshöhe schweigt Thamburaj; klar ist für ihn, dass er ohne Unterstützung des FZI kaum in der Lage gewesen wäre, die Entwicklungsarbeit überhaupt aufzunehmen.

Kleinunternehmen suchen oft vergebens

Die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Unternehmen spielt im IT-Bereich eine immer größere Rolle. Dies zeigt auch die Drittmittelstatistik der Informatik-studiengänge, in die neben Forschungsgeldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Finanzspritzen von Unternehmen eingerechnet werden: 1999 erhöhten die IT-Professoren der Universitäten und Fachhochschulen ihre Etats durch Drittmittel um rund 38 Millionen Euro, 2000 waren es schon fast 42 Millionen - ein Zuwachs von elf Prozent. Zahlen für 2001 und 2002 liegen noch nicht vor; Fachleute gehen aber von einer weiteren Steigerung aus.

Vorteile bieten die Kooperationen für beide Seiten: Universitäten bewahren sich die wichtige Praxisnähe, Unternehmen erhalten aktuellstes Know-how, das meist noch genau auf die jeweilige Bedarfslage zugeschnitten ist. Und fast nebenbei lassen sich intensive Kontakte zu potenziellen Mitarbeitern knüpfen.

Doch vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen bleibe dieser Erfolg versprechende Weg versperrt, beklagt Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD): "Studien belegen, dass - je nach Branche - 20 bis 40 Prozent aller innovativen KMU mit wissenschaftlichen Einrichtungen kooperieren wollen, aber weniger als 10 Prozent geeignete Kooperationspartner finden." Deshalb werde die Bundesregierung verstärkt auf die Entwicklung von regionalen Netzwerken setzen und die Verbundforschung unterstützen.

Großunternehmen haben es da deutlich einfacher. Beim Münchener Autobauer BMW etwa führte die enge Verbundenheit mit der Technischen Universität München sogar zur Gründung einer eigenen Unternehmenstochter - der BMW Car IT. Der Anstoß dazu kam von Manfred Broy, Professor für Software and Systems Engineering an der TU München (TUM). Der Wissenschaftler ist häufig Gast in der Unternehmenszentrale, wo er dem Management in Vorträgen die hohe Relevanz der IT auch für BMW aufzeigt.

Vor zwei Jahren schließlich begann ein Team aus BMW- und TUM-Informatikern, nach genauer Analyse eine entsprechende Notwendigkeitsbegründung zu erstellen. Anschließend präsentierten die Partner ein Business-Modell, aus dem als eigenständiges Unternehmen die Car IT hervorging. Auf das Know-how von Broy kann Ulrich Weinmann, Geschäftsführer der Car IT, auch weiterhin zurückgreifen: Der Informatiker wird das Projekt künftig aus dem Beirat begleiten. Broy sei Mentor der Car IT, so Weinmann: "Wir freuen uns, dass er uns aktiv begleitet."

Mittelfristig sollen 40 bis 50 Mitarbeiter die SoftwareEntwicklung für BMW-Fahrzeuge vorantreiben - mit dem Ziel, die Software-Kompetenz bei der BMW-Group und den Zulieferern zusammenzuführen und auszubauen. "Wir werden selbst Software entwicklen und stärker in die Technik hineinschauen", so der 37-Jährige. Ziel der Car IT sei es, Hardware-basierte Funktionen durch Software zu ergänzen oder zu ersetzen - ein enormes Kostensenkungspotenzial.

BAT-Tarif bringt deutliche Kostenersparnisse



Über eine so kompetente Hilfestellung dürfen sich KMU dagegen nur selten freuen; dabei hätten gerade Unternehmen mit bescheidenerem Entwicklungsetat diese Unterstützung nötig: Die öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtungen stellen ihre Arbeit in der Regel zu einem Kostensatz nach BAT-Tarif zur Verfügung. "Damit sind wir im Vergleich zu privaten Unternehmen deutlich günstiger", weiß auch TUM-Professor Broy. Er schätzt, dass die Leistungen großer Unternehmensberatungen "um den Faktor zwei teurer sind".

Diesen Kostenvorteil kennen und nutzen natürlich auch Hilfe suchende Unternehmen. Doch sobald eine Forschungseinrichtung den Verdacht schöpft, dass Kostenüberlegungen Hauptmotiv für die gewünschte Kooperation seien, werden die Schotten dicht gemacht: "Wir werden dann sehr hellhörig", sagt Broy. Seine Fakultät übernehme einen Auftrag grundsätzlich nicht, wenn ein Software-Haus Ähnliches liefern könnte. Das wider-spreche dem Forschungsauftrag der Universitäten.

Mit diesem Problem muss sich auch das FZI Karlsruhe auseinander setzen. Dessen Kooperationspartner, TLON, macht keinen Hehl daraus, dass der Wissenstransfer auch finanzielle Vorteile biete: "Wir haben eine Kostenersparnis von drei Mannjahren", sagt Geschäftsführer Thamburaj. Dem FZI, bei dem 80 Wissenschaftler etwa 16 Millionen Euro erwirtschaften, behagen solche Äußerungen gar nicht: "Wir wollen und dürfen Unternehmensberatern und Software-Häusern keine Konkurrenz machen", sagt Peter Weiß, FZI-Abteilungsleiter des Verbindungsbüros für Forschung und Wirtschaft. Das FZI wolle neue Technologien entwickeln, transferieren und schließlich zur Anwendung bringen; an einer Markteinführung bestehe kein Interesse.

Keine Garantie für funktionierende Technik

Evren Eren, Professor für Informatik an der FH Dortmund, umschifft diese Klippe auf eigene Weise. Er ist nebenbei Gesellschafter von Nevarsa, einer Firma, die Multimedia- und E-Business-Lösungen anbietet. Auf der Website wirbt Eren mit der "intensiven Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft", durch die KMU "vom aktuellen Branchen-Know-how von Nevarsa profitieren".

Die Entwicklungsleistungen kann er deutlich günstiger als andere Firmen offerieren, weil er Teilaufträge von Nevarsa-Kunden durch Informatikstudenten seines Lehrstuhls ausführen lässt. "Wir verfügen über günstige Kapazitäten; diesen Vorteil geben wir auch an unsere Kunden weiter", so Eren. Die studentischen Kräfte führen Marktanalysen oder Marktforschungsstudien durch; Software- oder Infrastrukturprojekte können im Laborbetrieb der FH getestet werden, soweit dies in Kooperation mit der Fachhochschule geregelt wurde.

Doch günstige Forschungskooperationen haben auch Nachteile, die im schlimmsten Fall das Bestehen einer Firma gefährden können: Sie bergen stets das Risiko, dass die Technik gar nicht oder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt funktioniert, warnt FZI-Mann Weiß. "Dieses Risiko müssen die Kooperationspartner eingehen können." Doch vor allem für KMU sei dies häufig ein elementares Problem.