Ausschreibungen meist an Telekom und Siemens

Kritik am IT-Gipfel

10.12.2012 von Johannes Klostermeier
Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands für IT-Mittelstand, erklärt die Forderungen seines Verbandes. Losgrößen der öffentlichen Hand sind eine Katastrophe.

Auf dem 7. Nationalen IT-Gipfel in Essen war auch der Verband BITMi mit einem Expertenworkshop vertreten. Zusammen mit Experten aus IT-Wirtschaft, Forschung und Verbänden wurden in einem ersten Schritt die Felder identifiziert, bei denen Handlungsbedarf besteht, um den IT-Mittelstand zu unterstützen. CIO.de sprach darüber mit dem Verbandsvertreter Oliver Grün.

CIO.de: Sie waren auf dem IT-Gipfel in Essen. Wie fanden Sie ihn?

Oliver Grün, Vorstand der Grün Software AG und Präsident des Bundesverbands für IT-Mittelstand (BITMi e.V.).
Foto: BITMi

Grün: Grundsätzlich gut. Das Thema ist ja häufig ein nach außen getragener Einklang zwischen der Wirtschaft und der Politik. Aus unserer Sicht passiert dort aber immer noch zu wenig für den Mittelstand.

CIO.de: Aus Sicht der CIOs sind dort zu wenig IT-Leiter und Anwender geladen. Sehen Sie das auch so?

Grün: Das Problem ist, es sind wahnsinnig viele Menschen dort, und es wird immer größer. Es gibt immer wieder Leute, die aus ihrer Sicht zu Recht fragen, warum sind wir nicht dabei? Herr Endres von Voice war ja dabei. Das große Ziel des Gipfels ist aber wohl ein anderes.

Jetzt soll Industrie 4.0 kommen

CIO.de: Es gibt immer wieder schöne Abschlusserklärungen. Breitband aber gibt es immer noch nicht überall in Deutschland. Jetzt spricht man von Industrie 4.0. Ist das nicht nur Wortgeklingel?

Grün: Beim Breitbandausbau sind die Ziele, die man sich beim ersten Gipfel gesetzt hatte, erreicht worden. Jetzt setzt man sich neue. Die IT hat immer das Problem, solche Zauberwörter zu haben. Die Idee hinter dem Begriff Industrie 4.0 kann ich unterstützen. Dabei geht es um die zunehmende Bedeutung der IT als Querschnittsbranche, die überall hineinwandert. Gerade Deutschland hat dabei große Chancen. Beim B2B haben wir sogar mehr Chancen als bei B2C, wird immer gesagt. Ich meine aber, wir sollten hier noch viel innovationsfreudiger sein. Warum soll es kein deutsches Facebook geben?

CIO.de: Was macht Ihr Verband?

Grün: Wir sind die Vertretung des IT-Mittelstandes. Wir vertreten über 800 Unternehmen, die selber IT anbieten. Unsere Mitglieder haben bis zu 750 Mitarbeiter. Es gibt dabei eine Besonderheit: Wir sind ein Dachverband und vernetzen auch regionale Netzwerke. Wir haben die Initiative „Software made in Germany" ins Leben gerufen. In vielen Punkten haben wir andere Ansichten als der Bitkom.

"Dann können nur noch Siemens und die Deutsche Telekom anbieten"

CIO.de: Was sind die Hauptunterschiede?

Grün: Wir sind gegen Softwarepatentierung, für Netzneutralität, gegen das Leistungsschutzrecht, für offene und freie Standards. Ein Schwerpunktthema ist: Öffentliche Auftraggeber sollen mittelstandsgerechter ausschreiben. Der größte Auftraggeber ist immer noch die öffentliche Hand. Die Losgrößen sind aber eine Katastrophe, sie sind viel zu groß. Dann können nur noch Siemens und die Deutsche Telekom anbieten.

Den Verantwortlichen in der Verwaltung ist oft nicht klar, was sie über die Ausschreibungen für eine Macht haben. Das muss geändert werden. Die Aufträge kommen zwar später über Siemens doch an den Mittelstand, aber eben zu schlechteren Konditionen. Wir sind auch dafür, dass freie Forschung steuerlich gefördert wird und nicht nur über spezielle Förderprogramme.

"Anerkennung gibt es nur in Sonntagsreden"

Telekom-Chef René Obermann meint, es fehle an Unternehmern in Deutschland. Grün widerspricht.
Foto: Telekom

CIO.de: Dem Mittelstand wird ja immer große Anerkennung gezollt, sind das nur Sonntagsreden?

Grün: Ja, das ist nur in Sonntagsreden der Fall, diese Anerkennung ist nicht da. Der Mittelstand macht aber mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze aus und stellt mehr als 85 Prozent der Ausbildungsplätze. Viele der großen Konzerne sagen, Ausbildung ist mir zu anstrengend. Das wird verkannt.

Auf dem Gipfel hat Herr Obermann auch gesagt, es fehle nicht an Geld, sondern an Unternehmern in Deutschland. Das verkennt aber die Situation total. Der Politik fällt es offenbar leichter, mit wenigen großen Industrievertretern zu sprechen als mit vielen kleinen Mittelstandsvertretern.

CIO.de: Deutschland ist ja im Ranking auf Platz 6 vorgerückt. Ist das nicht ein Fortschritt?

Grün: Das ist nur der Fall, weil Finnland abgerutscht ist. Ich finde, das ist weitestgehend ein auf der Stelle treten. Es gibt seit Jahren SWOT-Analysen, eine der großen Stärken von Deutschland ist dabei immer die andere Wirtschaftsstruktur. Der Mittelstand steht für unsere großen Chancen, die aber bislang nicht wahrgenommen werden.

CIO.de: Was nervt Sie noch?

Grün: Ein Kritikpunkt am Gipfel ist, dass man wieder einen neuen Star entdeckt hat: das sind die Gründer. Die sind zwar sehr wichtig, es ist aber nicht richtig, dass man nicht auch mal auf die Mittelständler schaut, die es schon gibt. Die sollte man auch fördern, damit sie richtig groß werden. Wir freuen uns auch, wenn jemand aus unserem Verband herauswächst. Für die, die schon ein paar Jahre gezeigt haben, dass sie es können, für die gibt es zu wenig Unterstützung und Förderung.

Kosten treffen Mittelstand viel härter als etwa die Telekom

CIO.de: Auch der Mittelstand soll ja etwas tun, sagt die Politik. Etwa beim Thema IT-Sicherheit. Machen Ihre Mitglieder da genug, oder muss die Politik nachhelfen?

Grün: Es ist ja ein IT-Sicherheitsgesetz in der Diskussion. Was mich besorgt, sind die Hinweise, dass diejenigen, die im Netz Geld verdienen, allein dafür sorgen sollen, dass die Mindeststandards eingehalten werden müssen. Es gibt sehr viele mittelständische Provider, die dabei im Fokus stehen. Sie sollen ihren Kunden Informationen und Mittel zur Störungsbeseitigung zur Verfügung stellen. Das könnte wie bei der Vorratsdatenspeicherung ein Problem werden. Denn die Kosten treffen den Mittelstand im Vergleich viel härter als etwa die Telekom. Da werden möglicherweise staatliche Aufgaben abgewälzt.

CIO.de: Der Bund will ein Kompetenznetzwerk für E-Business schaffen – speziell für den Mittelstand. Taugt das Was?

Grün: Ja, das ist die Fortsetzung des Netzwerks Elektronischer Geschäftsverkehr (NEG). Jetzt gibt es in verschiedenen Regionalstellen E-Business-Lotsen, die sich an die Anwender richten. Also an die Handwerker oder den Maschinenbau. Es gibt drei Initiativen, zusammengefasst unter der Überschrift „Mittelstand Digital". Das ist eine davon. Dann gibt es auch noch Querverbindungen, wo jede Anlaufstelle spezielle bundesweite Kompetenzen hat - etwa die Elektromobilität oder ERP-Lösungen.

CIO.de: Mit welchen Verbänden arbeiten Sie zusammen?

Grün: Wir sind eng befreundet und verbandelt mit dem eco – dem Verband der Internetwirtschaft. Und wir haben eine Kooperation mit Professor Günther von der Gesellschaft für Informatik (GI). Das sind Wissenschaftler, wir sind kleine Unternehmen, das beides wollen wir in Zukunft enger zusammenbringen.