Internet-Experiment

Lahme Seiten verursachen Web-Stress

09.04.2010 von Nicolas Zeitler
Langsame Web-Anwendungen verursachen Stress. In einem Experiment zeigten sich bei Internet-Surfern veränderte Hirnströme.

Wer häufig Anwendungen übers Web nutzt, kennt den Ärger mit langen Antwortzeiten. Vergehen nach einem Mausklick regelmäßig mehrere Sekunden, bis Programme reagieren, wird die Ungeduld immer größer. Software-Hersteller CA hat das Phänomen Web-Stress genannt und jetzt wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis: Der subjektiv wahrgenommene Stress durch lahme Programme lässt sich objektiv belegen.

Web-Stress im Experiment
Internet-Experiment
Insgesamt 13 Probanden unterzogen sich dem Web-Stress-Experiment des Beratungsunternehmens Foviance. Auch die niedrige Zahl an Probanden reicht den Autoren der Untersuchung zufolge aus, um das Phänomen Web-Stress zu belegen. Es sei erwiesen, dass bei derartigen Untersuchungen auch eine höhere Zahl an Teilnehmern ähnliche Ergebnisse hervorbringen.
Internet-Experiment
Bilder der Alpha-Wellen im EEG beim Surfen auf einer Web-Seite mit gedrosselter Geschwindigkeit. Während der Stressphase, die in der Mitte dargestellt wird, ist die Amplitude der Wellen sehr niedrig.
Internet-Experiment
Surften die Probanden dagegen auf einer Seite, die auf Mausklicks hin schnell reagierte, zeigten sich Alpha-Wellen mit höherem Ausschlag. Hohe Alpha-Wellen deuten auf Entspannung hin.

Wer eine besonders langsame Web-Anwendung nutzen muss, bei dem treten im EEG, der Ableitung der Hirnströme, Anzeichen größerer Anspannung auf. Das zeigte ein von CA in Auftrag gegebenes Experiment. Ausgangspunkt für die Untersuchung war eine von dem Hersteller im Sommer 2009 unter dem Titel "Web Stress Index" veröffentlichte Umfrage, über die wir berichtet hatten.

Um die Existenz von Web-Stress zu untersuchen, beauftragte CA das Londoner Beratungsunternehmen Foviance. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, herauszufinden, wie Anwender die Nutzung von IT-Produkten oder auch Firmen-Webseiten erleben. Zu den Kunden von Foviance gehören Firmen wie RIM, Nokia und Dell.

In Labors der Glasgow Caledonian University nahmen 13 Probanden an dem Experiment teil. Übers Internet sollten sie auf vorgegebenen Seiten jeweils ein Netbook für 300 Englische Pfund kaufen und eine Reiseversicherung abschließen. Angeschlossen waren sie dabei an ein EEG und an einen Elektrookulographen, der Augenbewegung und Gesichtsmuskelanspannung aufzeichnete.

Die Sanduhr: Das Warte-Zeichen im Internet.

Zusätzlich wurde mit einer an den Bildschirm montierten Kamera ihr Gesicht gefilmt. Zur Auswertung nutzte Foviance eine Software, mit der sich durch das Aufzeichnen von Klicks, Mausbewegungen und Texteingaben gepaart mit den Videobildern die Nutzung von Web-Seiten nachverfolgen lässt. Die acht Frauen und fünf Männer zwischen 22 und 42 Jahren aus Großbritannien, Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland durchliefen das Experiment einmal mit einer 5 Mbit-Verbindung und einmal bei gedrosselter Geschwindigkeit von 2 Mbit. Damit simulierten die Experimentatoren eine Internet-Seite, die langsam antwortet.

Alpha-Wellen zeigen Stress an

Im EEG zeigen sich bei entspannten oder schlafenden Menschen die sogenannten Alpha-Wellen. Wer sich konzentriert, bei dem verändert sich der EEG-Rhythmus. Bevor die Probanden mit der Suche nach Netbook oder Versicherung begannen, war der Ausschlag der Alpha-Wellen hoch. Waren sie dabei, sich konzentriert durch die Angebote zu klicken, zeigten sich Alpha-Wellen mit niedrigerer Amplitude. Nachdem die Teilnehmer zuletzt ihre Kreditkarten-Nummer eingegeben und das Geschäft abgeschlossen hatten, wurden die Alpha-Wellen wieder höher.

War die Geschwindigkeit der Web-Seite gedrosselt, lag die Amplitude der Alpha-Wellen durchweg niedriger, als wenn die Probanden beim Surfen nicht behindert wurden. Um 50 Prozent höher sei ihre Konzentration gewesen, schlussfolgert Foviance. Außerdem habe die Verhaltensanalyse aufgrund des Videomaterials "deutliche Zeichen von Erregung" gezeigt. Erst eine Minute nach Abschluss des Kaufs zeigte sich im EEG der Teilnehmer wieder derselbe Rhythmus wie zu Beginn des Versuchs.

Langsame Anwendungen schaden dem Geschäft

CA sieht das von ihm selbst als Begriff eingeführte Phänomen Web-Stress dadurch als belegt an. Die Ergebnisse der Untersuchung müssten "ein Weckruf für Unternehmen" sein, betonte das Unternehmen bei der Vorstellung der Studie in London vor Journalisten aus ganz Europa.

Das CA-Experiment zielte klar auf die Erfahrung von Verbrauchern mit Firmen-Webseiten ab. Doch natürlich kann Web-Stress auch Berufstätige betreffen, die am Arbeitsplatz mit langsamen Web-Anwendungen arbeiten müssen. Sie haben, anders als Verbraucher, nicht die Möglichkeit, einfach auf eine andere Seite zu flüchten.

Kunden flüchten von langsamen Web-Seiten

Entscheidend: Die Website-Performance.

Für Firmen, die etwas übers Internet verkaufen wollen, kann eine zu langsam reagierende Webseite derweil das Geschäft beeinträchtigen. Im Web Stress Index vom vergangenen Sommer gaben 64 Prozent der befragten Verbraucher an, sie würden bei Problemen mit einer Internet-Seite auf die Seite eines Konkurrenzunternehmens wechseln.

Insgesamt 82 Prozent gaben an, sie würden dem Anbieter, dessen Webseite langsam reagiert, ihr Problem nicht melden. Sprich: Ohne dass Firmen es erfahren, gehen ihnen Kunden verloren.

Das führt wieder zu CA: In barer Münze auszahlen sollen sich die Ergebnisse des Experiments natürlich auch für den Software-Anbieter. Aus dem Hause CA kommen unter anderem Lösungen zum Application Performance Management, die Verfügbarkeit und Leistung von Web-Anwendungen steuern.