Erste Zwischenbilanz

Liquid Friesland: Bürger machen kaum mit

24.06.2013 von Johannes Klostermeier
Der Landkreis Friesland wollte seinen Bürgern mehr Mitsprache über das Web ermöglichen. Jetzt gab es den ersten Erfahrungsbericht.
Nicht nur bekannt für Windräder, sondern jetzt auch für Bürgerbeteiligung: Friesland.
Foto: MEV Verlag

Der Landkreis Friesland hat es in die überregionale Presse geschafft und ist stolz darauf. Ursache dafür war der Beschluss vom 9. November 2012, das Softwaresystem „Liquid Friesland" einzuführen. Mit dem von der Piratenpartei bekannten Programm „Liquid Feedback" wollte die Politik im Landkreis für mehr Bürgerbeteiligung via Internet sorgen. Jetzt zog der Landkreis nach sieben Monaten Einsatz eine erste Zwischenbilanz.

"Der Landkreis Friesland setzt als erste Kommune weltweit die Open-Source-Software Liquid Feedback zur Bürgerbeteiligung ein", schreiben die Macher aus Friesland. Zudem beschloss der Kreistag, die Ergebnisse der Plattform nach dem Beteiligungsparagraphen der Niedersächsischen Kommunalverfassung stets auf die Tagesordnung der jeweiligen Fachausschüsse zu setzen.

Liquid Friesland sei „ein Instrument, mehr über den politischen Willen der Bürger zu erfahren." Es macht bisher unbekannte Stimmungsbilder und Ideen sichtbar. Es solle eingeschlagene Wege bestätigen oder infrage stellen, so wie andere Meinungsäußerungen oder Stimmungsbilder (zum Beispiel Unterschriftenlisten) auch.

Ersetzt keine Entscheidungen der gewählten Vertreter

Liquid Friesland solle aber keinen anderen Weg der Bürgerbeteiligung und auch nicht die Entscheidungen der gewählten Mandatsträger ersetzen, noch deren selbstständige Meinungsbildung. Es solle die Meinungsbildung und den politischen Prozess bereichern, durch gute Ideen, kritische Anregungen und durch Stimmungsbilder.

Mit Liquid Friesland wolle man den Bürgern eine zeitgemäße Infrastruktur für Beteiligung an die Hand gegeben werden. Ob ein Bürger diese Infrastruktur nutze oder nicht, sei ihm selbst überlassen und könne sich von Thema zu Thema, oder auch je nach verfügbarer Zeit ändern.

Die Themen der Bürger für die Abstimmungen in Liquid Friesland (Auswahl).
Foto: Landkreis Friesland

Der erste Bericht zeigt aber, dass es noch Potenzial nach oben gibt: Von den rund 98.000 Einwohnern forderten 706 Bürger Zugangscodes an, aus denen 473 Nutzerkonten erstellt wurden. Seit dem Start der Plattform haben die Nutzer bis Mitte Mai 44 Themen in Liquid Friesland diskutiert. Bei 30 Themen hat die darin enthaltene Initiative (oder, falls mehrere zur Auswahl standen, eine davon) ihre Abstimmung gewonnen.

30 Themen bekamen bei Abstimmungen eine Mehrheit

Zwei Themen gingen ohne Gewinner aus der Abstimmung, acht Themen sind nach den seit Start der Plattform festgelegten Regeln durch das System abgebrochen worden, weil sie kein oder nur minimales Interesse auf sich gezogen haben. Vier Themen waren zu Redaktionsschluss noch in den Phasen „Neu", „Diskussion" oder „Eingefroren".

Die Beteiligung der Bürger an den Abstimmungen war aber bisher nicht so groß wie erhofft: Im Schnitt nahmen zwischen 22 (Initiativen von Bürgern) und 28 Bürger (Initiativen der Verwaltung) teil.

Von den 473 Nutzern mit aktiviertem Zugang hätten sich per E-Mail rund die Hälfte über neue Initiativen informieren lassen können. Bei der letzten Auszählung ließen sich 230 Bürger regelmäßig Informationen über die Kreispolitik zukommen.

Um den Erfolg der Plattform zu erhöhen, gibt es nun einige Vorschläge: „Eine kürzere Laufzeit könnte - bei gleichbleibendem Komplexitätsniveau - einen zusätzlichen Anreiz zur Beteiligung setzen", heißt es hierzu. Das Login solle zudem um eine Funktion ergänzt werden, bei der sich die Nutzer bei Bedarf alle einer Email-Adresse alle dazugehörigen Benutzernamen zusenden lassen können. Die Kreisverwaltung will in Zukunft außerdem bereits während des Verfahrens Hinweise auf ihre eventuelle Nichtzuständigkeit geben, um Frustration zu verhindern. Die Initiatoren könnten dann früher erwägen, ob sie eine Initiative modifizieren oder zurückziehen möchten, heißt es.

Ja oder Nein? Der Landkreis möchte mehr Online-Beteiligung in ganz Niedersachsen.
Foto: Fotolia.com/CW

Der Landkreis Friesland will sich auch dafür einsetzen. dass bei einer Neufassung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes dafür einzusetzen, Online-Beteiligung stärker als bisher berücksichtigt wird.

Am 25. Juni Entscheidung über Projektverlängerung

Dazu muss sich der Kreistag des Landkreises Friesland am 25. Juni für eine Fortführung von Liquid Friesland über die im November auslaufende Probephase hinaus entscheiden. Die Kosten sind gering: Für einmalige Einrichtungskosten und das erste Jahr des laufenden Betriebes zahlte der Landkreis Friesland bislang nur 11.400 Euro. Hinzu kamen geringfügige Kosten für öffentliche Veranstaltungen, den Druck von Faltblättern und den Versand von Zugangscodes. Bei einer Fortführung würden jährliche Kosten für den für den laufenden Betrieb von 7140 Euro anfallen.

Außerdem, so warnen die Verantwortlichen Nachahmer-Kommunen, müsse man den Zeitaufwand für Medienanfragen und die Anfragen von „zahlreichen Kommunen unterschiedlichster Größe aus ganz Deutschland" einrechnen, die sich in den vergangenen Monaten beim Landkreis Friesland nach Liquid Friesland erkundigt haben. Der vollständige Bericht zum Nachlesen steht hier als PDF.