Analysten-Kolumne

Lizenz-Management: Vernachlässigtes Stiefkind in Unternehmen

19.12.2007 von Eduard Gross
Professionelles Lizenz-Management ist nicht nur rechtlich erforderlich, sondern birgt auch erhebliches Potenzial für Unternehmen - angefangen bei Kosteneinsparungen bis zu Effizienzsteigerungen durch Skaleneffekte. Theoretisch sollte jedes Unternehmen wissen, wie es Software-Lizenzen sorgsam zu verantworten und organisatorisch einwandfrei zu verwalten hat und dies auch nachweisen können muss. In der Praxis jedoch existieren oft gänzlich abweichende Situationen. Das kann immense Strafzahlungen nach sich ziehen, die vermeidbar sind.
Steria Mummert-Berater Eduard Gross: "Ein ordentliches Lizenz-Management ist das beste Sicherheitsnetz gegen Nachzahlungs- oder Regressforderungen."

Im Bereich der IT-Ausgaben deutscher Unternehmen fallen die regelmäßigen Lizenzkosten besonders ins Gewicht: Häufig liegen die Aufwände bei mehr als 75 Prozent der laufenden IT-Ausgaben - die einmaligen Investitionskosten noch nicht einmal berücksichtigt. Ein Kernbereich der mit Software-Lizenzen verknüpften Verantwortung bleibt jedoch meist auf der Strecke: das Lizenz-Management.

Eigentlich müssten Unternehmen das Asset "Lizenzen" sorgsam steuern und sie wissen das auch - theoretisch. Aber das Gegenteil ist der Fall. Oft herrscht unstrukturiertes Chaos und weitgehende Unklarheit über Pflichten und Optimierungsmöglichkeiten. Ein Großteil der Unternehmen kennt nicht einmal die exakten Bestände seiner Software-Lizenzen, während Hardware und Mobiliar dagegen genau inventarisiert und verwaltet werden. Da die Kenntnisse über die exakten Bestände fehlen, kann auch kein zeitnaher Nachweis erfolgen. Ein Audit in dieser Situation kann neben den rechtlichen Konsequenzen verheerende wirtschaftliche Folgen haben. Darunter fallen unter anderem Verlust der rabattierten Einkaufspreise oder auch die Kosten der Nachlizenzierung zu sehr viel höheren "Strafpreisen".

Die rechtlichen Grundlagen für das Erfordernis eines Lizenz-Managements gibt das Urheberrecht vor. Das Gesellschaftsrecht, beispielsweise das GmbH-Gesetz oder Aktiengesetz, und etliche andere Bereiche, etwa das Kreditwesengesetz für das Bankenwesen, enthalten darüber hinaus weitere Spezialregelungen.

Software-Lizenzen sind beschränkte Nutzungsrechte. Anders als bei Kauf von Hardware oder Mobiliar wird durch den Erwerb einer Lizenz praktisch nie das Eigentum an der Software erworben. Der Lizenznehmer erwirbt lediglich eine sehr enge, begrenzte Nutzungsmöglichkeit einer Software. Jede weitere, neue Nutzungsform bedeutet die Notwendigkeit neuer Lizenzen. Eine Tatsache, die zum Beispiel bei der Ausgründung einzelner Geschäftsbereiche zu einem lizenzrechtlichen Debakel führen kann. Bei einem Verstoß haften die verantwortlichen Personen im extremen Fall bis ins Privatvermögen hinein. Während Vorstände und Geschäftsführer sich gegen diesen Haftungsfall in der Regel absichern, sieht das in den Hierarchiestufen darunter häufig anders aus.

Ist das Thema Lizenz-Management wenigstens organisatorisch erfasst, beschränkt es sich zumeist auf eine simple Verwaltung der Beschaffung - faktisch eine Bestandsverwaltung in den vorhandenen Prozessen. Von einer aktiven Steuerung mit einer strategischen Ausrichtung, wie das in anderen Asset Managements Standard ist, ist man oft weit entfernt. Dass Lizenzen zudem ganz andere, spezielle Anforderungen mit sich bringen, wird dabei völlig übersehen.

Software konsolidieren und dadurch Kosten optimieren

Bei der Einführung eines professionellen Lizenz-Managements ist ein weiteres wichtiges Spannungsfeld zu beachten: Die unterschiedlichen Zielrichtungen einzelner Abteilungen innerhalb eines Unternehmens. Während das Controlling die Kosteneffizienz vor Augen hat und darauf drängt, möglichst wenig Lizenzen zu erwerben, um Überlizenzierung zu vermeiden (mit der sehr realen Gefahr von rechtswidriger Unterlizenzierung), hat die Revision die gegensätzliche Stoßrichtung: Diese wirkt eher darauf hin, einen Puffer an Lizenzen zu besitzen, um auch Grenzfälle und unerwartete Sondersituationen lizenzrechtlich einwandfrei abfedern zu können. Diesem Widerspruch begegnen unsere Berater regelmäßig, und oft entscheidet die jeweils beauftragende Abteilung das Projektziel, "Kostenoptimierung und Software-Konsolidierung" oder "rechtlich einwandfreies Lizenz-Management". Aufgabe der Berater ist es, darauf hin zu wirken, dass beide Felder ausreichend berücksichtigt und bedient werden.

Etabliertes Vorgehensmodell für den Aufbau eines Lizenzmanagements.

Aspekten der Kostenoptimierung kann mit einer gründlichen Software-Konsolidierung entsprochen werden. Im Durchschnitt sind in Unternehmen ab etwa 1.000 Mitarbeitern rund 500 bis 800 verschiedene Software-Pakete im Einsatz. Hier können Einsparungen von bis zu 20 Prozent realistisch erzielt werden. Mit der Reduzierung der unterschiedlichen Software-Produkte und weiteren Maßnahmen können nicht (optimal) genutzte Potenziale realisiert, die Effizienz gesteigert und zusätzlich erhebliche Skaleneffekte erzielt werden.

Ein organisatorisches Lizenz-Management macht sich schnell auf der Kostenseite positiv bemerkbar, vor allem bei zukünftigen Anschaffungen und Neuverhandlungen von Verträgen. Hier können zentral verankerte Rollen mit gebündelter Erfahrung hinsichtlich der Anforderungen des Unternehmens und Expertise in der Lizenzverwaltung helfen, eine verbesserte strategische Ausrichtung des Lizenzumgangs zu erwirken. Mit Hinblick auf die erhebliche Bedeutung der Software-Kosten in den heutigen IT-Budgets eine essentielle Funktion der Unternehmenssteuerung.

'Den rechtlichen Anforderungen an ein Lizenz-Management nachzukommen ist weniger trivial. Ohne spezielles Lizenz-Know-how und die breite Erfahrung aus solchen Projekten, tun die Unternehmen sich schwer einen erfolgreichen Projektabschluss zu erzielen. Hier gilt es die beteiligten Prozesse zu betrachten, die sich in der Regel über mehrere organisatorische Bereiche erstrecken (IT, Einkauf etc.). Das Unternehmen muss sich intensiv mit der vorhandenen Verwaltung von Lizenzen auseinandersetzen und die Prozesse dahingehend anpassen, dass ein stringentes Lizenz-Management gewährleistet ist. Pflicht ist, stets die Übersicht über den Lizenzbestand und -bedarf zu haben und neben den Beständen auch die Nutzung zeitnah nachweisen zu können und damit ein Audit mühelos zu absolvieren.

Der Einsatz eines unterstützenden technischen Systems kann hier sehr effektiv sein. Dieser ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden und erst ab einer signifikanten Größenordnung oder als Aufsatz auf ein bereits vorhandenes System-Management sinnvoll. Die schnelle Einführung eines unterstützenden technischen Systems für das Lizenz-Management befreit nicht von einer zuvor gründlichen Bearbeitung der beteiligten Prozesse. Nicht das System bestimmt die Prozesse - die Prozesse bestimmen die Auswahl und Funktion des Systems.

Die eigentliche Herausforderung liegt darin, die Organisationsstruktur des Unternehmens optimal an die Erfordernisse des Lizenz-Managements anzupassen. Erst wenn dies gelingt, können die genannten Vorteile der Kostenoptimierung unter Einhaltung der rechtlichen Anforderungen optimal realisiert werden. Ein ordentliches Lizenz-Management ist das beste Sicherheitsnetz gegen drohende Audits, Prozesse, Nachzahlungs- oder Regressforderungen.

Eduard Gross ist Senior Consultant bei der Steria Mummert Consulting.