Klage gegen Gartner

Magic Quadrant und Hype Cycle in der Kritik

03.11.2009 von Christiane Pütter
Der US-Marktforscher Gartner ist von einer E-Mail-Archivierungsfirma wegen seines "Magischen Quadranten" verklagt worden. Die Hersteller-Bewertung verstoße gegen das Wettbewerbsrecht. Deutsche CIOs verlassen sich lieber auf den Erfahrungsaustausch mit Kollegen.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Verleumdung, Geschäftsschädigung, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht. So lautet die Klage der US-Mail-Archivierungsfirma ZL Technologies gegen das Beratungs- und Analystenhaus Gartner. Rund 1,4 Milliarden Dollar will ZL Techologies haben, weil Gartners regelmäßige Studie "Magischer Quadrant" zur Einschätzung von Anbietern kleine Hersteller benachteilige. Für Thomas Wailgum, Autor unserer US-Schwesterpublikation cio.com, ist das ein Grund, das Verhältnis mancher Entscheider zu Gartner zu hinterfragen.

Wailgum zieht eine anschauliche Parallele: Hätte er als Jugendlicher auf die in seiner Schule angesagte Clique gehört, trüge er jetzt einen Ohrring und wäre eine zeitlang mit blondierten Haaren herumgelaufen. "Wenn Gartner sagt, sie sollen von der Brücke springen, machen sie das dann?", polemisiert er.

Wailgum hält die Klage grundsätzlich für übertrieben. CIOs wüssten, dass Gartner von den im magischen Quadranten gut platzierten Firmen bezahlt wird. Sie hätten genug Grips, selbst zu entscheiden, welche Produkte sie kaufen und welche nicht. Dass die Einschätzungen der Analysten weniger auf wissenschaftlichen Kriterien als mehr auf subjektiven Meinungen beruhten, sei ebenfalls bekannt.

Eine Gefahr räumt der Blogger jedoch ein: Nicht-IT-ler ließen sich leichter beeinflussen. Eventuell vertrauten sie dem renommierten Marktforscher mehr als der eigenen IT-Abteilung.

Auf cio.com erntet Wailgum nicht nur Zustimmung. Es gibt einige User, die die Klage von ZL Technologies für gerechtfertigt halten und die den Einfluss von Gartner gern gestutzt sähen. Und ein Leser findet, Wailgum hätte sich den Ohrring stechen lassen sollen.

Deutsche CIOs: Wissen durch Vernetzung

Deutsche und europäische CIOs sind für potenzielle Manipulationen durch Gartner offenbar weniger anfällig. Das belegen die Erfahrungen von Hajo Popp, CIO beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR). Er besuchte auf der diesjährigen Veranstaltung Inkop 2009 in Barcelona den Workshop: "Neue Technologien als Treiber des Business von Morgen - wie gehen wir mit dem Hype Cycle um?"

Popp fasste dessen Ergebnisse in unserem Netzwerk auf cio.de zusammen. Demnach genießt auch Gartners andere Prognose, der jährliche Hype Cycle, nur untergeordnete Bedeutung. Denn der Cycle wird "nicht nur durch neutrale Marktbeobachtung, sondern auch durch Strategieberater und Fachpresse mitgestaltet."

Den Teilnehmer des Workshops ziehen es jedenfalls vor, sich untereinander über ihre Erfahrungen auszutauschen, statt auf Gartners Hype Cycle oder geheimnisvolle Quadranten zu hören. Dazu gaben sie ein griffiges Motto aus: "Hexenküchen vernetzen!". Die Magie der Praxis scheint wichtiger zu sein als Hokuspokus von Analysten.