Probleme bei Dokumenten-Umwandlung und Mail-Klassifikation

Mail-Archivierungs-Programme mit großen Mängeln

16.02.2009 von Nicolas Zeitler
Systeme zur Mail-Archivierung scheitern bei der Umwandlung von PDF- in Excel-Dokumente oder der automatischen Klassifikation von E-Mails. Anwendern hilft nur eins: Vor dem Kauf genau hinschauen.

Hersteller von Lösungen zur Mail-Archivierung werfen ihre Produkte offenbar nicht selten auf den Markt, ohne sie vorher umfassend getestet zu haben. Einige derzeit erhältliche Programme hätten "einen gefühlten Release 0.9-Status", bemängelt die Technologie-Beratung Zöller & Partner aus Sulzbach im Taunus. Firmen sollten einem Hersteller daher vor dem Kauf ihre Anwendungssituation möglichst genau schildern und sich Referenzen mit vergleichbaren Funktionen und Datenmengen geben lassen.

Mancher Software mangelt es sogar an Basisfunktionen, wie Jobst Eckardt und Bernhard Zöller in ihrem Bericht "Technisch-funktionale Stolpersteine bei der E-Mail-Archivierung" schreiben. Demnach lauert eine der gefährlichsten Fallen der Archivierung bei der Rendition, der Umwandlung von Dokumenten in festgelegte Zielformate.

Welche Art der Mail-Archivierung ein Unternehmen wählt, hängt von den individuellen Anforderungen und Gegebenheiten ab. Die Tabelle zeigt die Merkmale der verschiedenen Ansätze (Quelle: Zöller & Partner).
Foto: Zöller & Partner

Rendition Services sind Teil der meisten Systeme fürs Dokumenten-Management (DMS). Sie erstellen aus der Vielzahl der unterschiedlichen Formate von eingehenden Dokumenten Dateien, die für möglichst viele Nutzer auf verschiedenen Systemen lesbar sein sollen, häufig PDF- oder PDF/A-Dateien. Doch schon bei der automatisierten Umwandlung beispielsweise von Excel-Tabellen, die ein anderes Format als DIN A4 haben, scheitere die Rendition häufig. Erst recht problematisch sei die Umwandlung von Dateien aus Microsoft Project oder auch Audio- und Videodaten. Bei solchen nicht an Druckformaten ausgerichteten Dateien vernichte die automatische Umwandlung fast immer Daten.

Einen automatischen Server-Prozess, der alle Dateivarianten korrekt archiviert, gebe es in den derzeit erhältlichen Produkten nicht, so die Autoren des Berichts. In einigen Fällen sei der Umwandlungs-Automatismus daher sogar kontraproduktiv. Dem Anwender bleibt nichts anderes übrig, als Ausschlusslisten für bestimmte Mail-Anhänge zu erstellen. Darin wird festgelegt, welche an elektronische Post angehängten Dateien auf keinen Fall umgewandelt werden dürfen. Außerdem muss es einen Überlauf-Bereich geben für Mails, bei deren Konvertierung Fehler auftreten. Auf keinen Fall dürfe der Rendition Service das ganze System zum Absturz oder Stillstand bringen.

Wichtiger Teil vieler Systeme zur Mail-Archivierung ist auch die Klassifikation der eingehenden Nachrichten. Dadurch soll eine Ablage ohne manuelle Eingriffe möglich werden, oder die automatische Weiterleitung von Post an nachgelagerte Prozesse. Dabei geraten die Systeme nach Beobachtung von Zöller & Partner oft an ihre Grenzen, weil im Gegensatz zur Papierpost die Struktur von E-Mails zu unterschiedlich ist.

Willkürliche Struktur von E-Mails erschwert Archivierung

Statt einem aktuellen Betreff findet sich häufig nur ein "Re:" oder ein völlig sachfremder Titel über dem Schreiben. Denn oft wählt der Absender einfach eine beliebige alte Mail aus und klickt auf "Antworten", um sich an einen früheren Ansprechpartner zu wenden. Auch finden sich in Mails nicht selten Textinformationen, die mit einer aktuellen Angelegenheit gar nichts zu tun haben, weil bei sogenannten Ping-Pong-Mails keiner der Kommunikationspartner die alten Texte löscht. Klassifikationssysteme können allerdings nicht unterscheiden, welcher Teil des Texts relevant ist.

Trotz dieser möglichen Probleme ist es nach Ansicht der Experten von Zöller & Partner unerlässlich, E-Mails planvoll zu archivieren. Ideal seien Archive mit einer homogenen Content-Infrastruktur. Getrennte Aufbewahrungsorte für Eingangspost, Mails und andere Dokumente halten die Technologieberater hingegen für nicht sinnvoll.

Compliance häufig Triebfeder für Archivierung

Grundsätzlich sind Firmen nicht dazu verpflichtet, alle Mails zu archivieren. Aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) ist Zöller & Partner zufolge nur die Pflicht abzuleiten, Mail-Inhalte in unveränderbarer Form aufzubewahren, die als Handelsbrief gelten - also der Vorbereitung, Durchführung, Abschluss oder Rückgängigmachung von Geschäften dienen.

Ein in der Regel kleiner Anteil des Mail-Aufkommens in Firmen könne auch von § 147 der Abgabenordnung betroffen sein, der in den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen erläutert wird. Darin ist unter anderem festgelegt, dass Unterlagen wie empfangene Geschäftsbriefe oder Buchungsbelege aufzubewahren sind.

Vielen Firmen geht es bei den Überlegungen um eine planvolle Archivierung allerdings auch darum, ihre IT-Systeme zu entlasten oder - was laut den Technologieberatern das häufigste Motiv ist - um größtmögliche Auskunftsfähigkeit. Sie wollen vermeiden, dass Vorgänge nicht mehr nachvollziehbar sind, weil Unterlagen fehlen oder nur schwierig zu finden sind. Dazu könne es kommen, wenn jeder Mitarbeiter seine eigene Ablage-Systematik pflege, warnen Eckardt und Zöller.

Mail-Appliance oder Archiv mit DMS-Funktionen

Für welche Art Ablagesystem sich ein Unternehmen letztlich entscheide, hänge immer von den individuellen Gegebenheiten ab. So gebe es zum einen die sogenannte Mail-Appliance, vorkonfigurierte Lösungen einschließlich Hardware-Komponenten. Erhältlich seien zudem schlichte Mail-Archive oder Archive, die um DMS-Funktionen erweiterbar sind.

Bei der Entscheidung darüber, was archiviert werden soll, haben die Entscheider in Firmen nach Ansicht von Zöller & Partner drei Möglichkeiten. Sie können zum einen alles archivieren. Das ermögliche im Fall der Fälle die "maximale gerichtsbelastbare Auskunftsfähigkeit". Das kann für ein Unternehmen dann ratsam sein, wenn es im Zweifelsfall die Vollständigkeit der archivierten Nachrichten beweisen will.

Strategie für die Mail-Archivierung nötig

Solle ein Unternehmen zum Beispiel vor Gericht belegen, dass ein Mitarbeiter keine Insiderinformationen an Verwandte gemailt hat, könne dies nur gelingen durch die belastbare Darstellung, dass alle ein- und ausgehenden Nachrichten archiviert wurden und sich darin kein Hinweis auf den Verrat vertraulicher Informationen findet. Damit dieser Ansatz Erfolg hat, sei allerdings sowohl eine verbindliche Regelung zum Umgang mit privaten E-Mails nötig als auch eine Festlegung, was "alles" umfasst. Zu klären sei hier unter anderem die Frage, ob die Archivierung vor oder nach dem Viren- und Spamfilter ansetze.

Ein weiterer Ansatz kann die regelbasierte Archivierung bestimmter Mails sein. Auswahlkriterium hierfür kann zum Beispiel die Empfängeradresse innerhalb der Firma sein - etwa die Schadensabteilung. Möglich ist auch die Archivierung, sobald ein Postfach eine bestimmte Speichergröße überschreitet. Bei dieser Art der Archivierung seien allerdings der Strukturierung der abgelegten Inhalte Grenzen gesetzt.

Selektive Mail-Archivierung anfällig für menschliche Fehler

Der dritte Ansatz ist die selektive Archivierung, auch qualifizierte oder Anwender-getriebene Archivierung genannt. Dabei entscheidet der Nutzer im Einzelfall nach fachlichen oder geschäftsprozesslichen Zusammenhängen, ob eine Mail oder vielleicht auch nur deren Anhang aufzubewahren sind.

Dieser Ansatz sei allerdings nur in Verbindung mit einer DMS-basierten Lösung handhabbar. Außerdem bestehe hier das Risiko, dass der Anwender fälschlicherweise eine wichtige Mail vergisst zu archivieren. Schlimmstenfalls könnten Dritte auch behaupten, an der Mail-Archivierung sei manipuliert worden. Einen solchen Vorwurf zu entkräften, ist laut Jobst Eckardt und Bernhard Zöller nicht einfach.