Virtualisierung

Microsoft, Oracle und Sun greifen Platzhirsch VMware an

15.07.2008 von Werner Kurzlechner
In den Markt für Virtualisierungslösungen kommt allmählich Bewegung. "VMware sieht 2008 seinem ersten Jahr mit ernsthaftem Wettbewerb entgegen", analysiert Gartner. Ein Trend lautet schlicht, dass sich alles ändert. Gartner und auch die Analysten von IDC beschreiben einen wachsenden und härter denn je umkämpften Markt.
VMware ist nach Gartner-Analyse gut gegen den Angriff von Microsoft aufgestellt.

Der weltweite Markt für Virtual Machine Software (VMS) ist laut IDC im vergangenen Jahr von 1,05 Milliarden US-Dollar auf 1,78 Milliarden US-Dollar gewachsen. Damit lag die Wachstumsrate 2007 genauso wie im Vorjahr bei knapp 70 Prozent. IDC erwartet in den kommenden Jahren bis 2012 ein anhaltend robustes Wachstum.

Die Kräfteverhältnisse auf dem Markt verschieben sich zunehmend in Richtung der Anwender. Relativ plötzlich, so der Befund von Gartner, sei ein echter Wettbewerb entstanden, in dem die "Mega-Anbieter" Microsoft, Oracle und Sun Microsystems um Anteile ringen. In den vergangenen Jahren war dies nicht wirklich der Fall gewesen.

Ende 2004 brachte Microsoft unter Verwendung von Connectix-Technologie den Virtual Server 2005 auf den Markt, der allerdings sowohl bei der Zuverlässigkeit als auch bei der Performance Mängel aufwies. Microsoft kündigte schon im April 2005 an, bald einen echten Hypervisor zu liefern. Doch erst einmal kamen im Dezember 2006 XenSource und Virtual Iron mit neuen, aber längst nicht ausgereiften Lösungen zuvor.

Im vergangenen Jahr dann zog der Konkurrenz-Kampf merklich an: Zunächst kaufte Citrix quasi als Vorspiel für 500 Millionen US-Dollar XenSource auf. Gegen Ende des Jahres begannen dann die großen Drei ihre Revier abzustecken: Microsoft kündigte seinen System Center Virtual Machine Manager (SCVMM) an. Jeweils mit Xen-basierten Lösungen zogen Oracle mit Oracle VM und Sun mit xVM nach. Im Dezember lieferte Microsoft eine Beta-Version seines Hypervisors Hyper-V. Ende des Jahres soll eine Weiterentwicklung folgen, die mit SCVMM kombiniert eine echte Alternative zu VMware vor allem im Midmarket sein soll.

VMware ist nach Gartner-Analyse allerdings bestens gegen den Angriff von Microsoft aufgestellt. Mit der im September angekündigten schlanken Version des ESX Server 3i, der nicht länger auf eine veraltete Service Console angewiesen ist und nur mit 32 Megabyte auskommt. Gartner sieht darin einen entscheidenden Vorzug gegenüber Hyper-V, das mit 1,5 Gigabyte rund 50 mal mehr Platz beansprucht als die VMware-Lösung. Eine geringere Größe gewährleiste eine größere Zuverlässigkeit und eine geringere Anfälligkeit. Darüber hinaus eröffne sie den Anwendern zusätzliche Spielräume.

Microsoft dürfte also gezwungen sein zu optimieren. Insbesondere gilt es darzulegen, dass weder Hyper-V noch der Windows Server 2008 Sicherheitslücken aufweisen. Vom verschärften Wettbewerb profitieren selbstverständlich die Anwender. Die Preise fallen, so Gartner. Und zwar rasant.

Der Preiskampf hat längst Fahrt aufgenommen. Oracle und Sun wollen ihre Xen-basierten Hypervisoren gratis zur Verfügung stellen und lediglich für Management-Tools und Support Geld verlangen. Microsofts Hyper-V ist ins Betriebssystem integriert oder kann separat für 30 US-Dollar erworben werden. VMware hat darauf reagiert, indem es den Download-Preis für seinen ESX Server auf 499 US-Dollar senkte. Es sei nur eine Frage Zeit, bis das Unternehmen auch für Management-Tools weniger fordere, so Gartner. In diesem Bereich schüren ebenfalls die Wettbewerber den Konkurrenz-Kampf. Sun hat beispielsweise sein xVM Ops Center bereits auf den Markt gebracht.

Gartner erwartet, dass der Anwender-Blickwinkel sich zunehmend auf die Management-Tools richten werde, weil Hypervisoren mittlerweile erschwinglich geworden sind. Damit verbunden ist ein tief greifender Strategie-Wandel. Hypervisoren ermöglichten Konsolidierung und reduzierten Ausgaben, Energie-Anforderungen und benötigte Kapazitäten. Nun prägen daran anschließende Fragen die Agenda. Die Anwender achten verstärkt auf verbesserte Möglichkeiten etwa beim Disaster Recovery. Sie streben niedrigere Ausfallzeiten durch schnelle Migration in Echtzeit und insgesamt eine Beschleunigung an. Mit einem virtuellen Server soll alles etwa 30mal so schnell laufen wie mit einem physischen Server.

Der Trend geht in Richtung Dynamisierung. Kaum ein Unternehmen konsolidiert seine Virtual Machines auf statischem Wege. "VMs werden zu mobilen Containern, die sich durchs Rechenzentrum bewegen und dabei online oder offline sein können", so Gartner-Analyst Thomas J. Bittman. Die Anwender wittern eine vorzügliche Gelegenheit, Agilität und Effizienz zu steigern. Genau dafür benötigen sie aber gut funktionierende Management Tools. Und genau darauf wiederum reagieren derzeit die Anbieter.

Microsoft hinkt hier nach Gartner-Einschätzung momentan noch hinterher. Die erste Version von Hyper-V hält zwar in Sachen Konsolidierung mit den Lösungen von VMware mit. Es fehlt im Paket aber die Möglichkeit zur Live Migration. "Es ist wahrscheinlich, dass dieser Mangel Microsoft 2008 und 2009 einen Platz in der Spitzengruppe der großen Virtualisierungs-Entwickler kostet", vermutet Bittman.

Im Hauen und Stechen der Anbieter ist Microsoft dennoch ein wichtiger Herausforderer. SCVMM kostet nur etwa ein Drittel so viel wie die Basis der Tools VMware. Zum Preiskampf kommt hinzu, dass Microsoft seine Lösung als Teil einer breit gefächerten Familie von Management Tools anbietet. Demgegenüber positioniert sich VMware als reiner Virtualisierungs-Anbieter. Dessen Trumpf ist die Reife der Tools, die reichlich mit Funktionalitäten ausgestattet sind. Gartner rechnet damit, dass Anbieter wie Oracle, Sun und Citrix genau in diesem Feld den Kampf mit VMware aufnehmen wollen.

Auch die Analysten von IDC erkennen auf diesem Markt die Marschrichtung hin zu größerer Mobilität. In den vergangenen Jahren habe der Schwerpunkt der Anwender auf den Kosten-Einsparungen gelegen. Künftig werde in den meisten Fällen die Flexibilität von Virtual Machines der Hauptgrund für ihren Einsatz sein. Eine Verfeinerung der Ansprüche gewissermaßen, nachdem Virtualisierung inzwischen laut IDC zum "Mainstream" geworden ist.

Aktuelle Kundenbefragungen ergaben, dass die Virtualisierungs-Anwender etwa ein Viertel ihrer Produktions-Anwendungen auf Virtual Machines laufen lassen. Im kommenden Jahr wollen sie Quote auf 50 Prozent erhöhen. Unabhängig von wirtschaftlichen oder technologischen Gründen verfolgen viele Unternehmen das Ziel, sämtliche neuen Anwendungen zu virtualisieren. Dabei treiben sie vor allen Dingen Überlegungen um, wie Best Practices aussehen könnten.

Der Wandel ist bemerkenswert, wenn man die Ursprünge des Trends zur Virtualisierung bedenkt. Nachdem die Internet-Blase der "New Economy" geplatzt war, sahen sich fast alle Firmen schlicht überfordert von einer Vielzahl teurer Server und mussten sich um effizienteres Management bemühen. Gleichzeitig galt es, eine immer größere Fülle von Anwendungen unter einen Hut zu bringen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Virtualisierungs-Markt von 1996 bis 2010 um voraussichtlich 700 Prozent explosionsartig gewachsen sein dürfte.

Die Entwicklung in die Zukunft beschreibt IDC-Analyst John Humphreys mit einem treffenden Bild. Die Anwender haben in der Virtualisierung einen kräftigen Hammer gefunden und suchen nun nach Nägeln, die sie damit einschlagen können. Auf dem Weg liegt also so manche Gabelung. Große Aufmerksamkeit errege die Konsolidierung von Desktop-Computern. Die Ausnutzung in diesem Bereich ist sogar niedriger als bei den Servern. Auch die Support-Kosten liegen höher. Und somit wäre auch der ökologische Nutzen einer Konsolidierung - insgesamt ein Haupttreiber für Virtualisierung - immens. Grob geschätzt verbrauchen weltweit 500 Millionen Firmen-PCs Energie.

Ingesamt begreifen die Anwender laut IDC ihre IT nicht länger als eine Gemengelage unverbundener Systeme, die jeweils für sich bestimmte Business-Funktionen übernehmen. Der Trend geht hin zur Vereinheitlichung. Auch dahingehend stimmt IDC mit Gartner überein. Die Gartner-Analysten stellen fest, dass auch Virtual Machines allmählich zu einer Plattform werden.

Zu Grunde liegen die Studien "Server Virtualization Trends in 2008: Everything Changes" von Gartner sowie "Worldwide Virtual Machine Software 2008-2012 Forecast" von IDC.