Linux-Verband gegen Vergabepraxis

Microsoft-Vertrag entbindet Behörden nicht von Ausschreibungspflicht

27.06.2008 von Alexander Galdy
Der zwischen dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und Microsoft beschlossene Rahmenvertrag enthebt die Öffentliche Verwaltung nicht von ihrer Ausschreibungspflicht. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten, das der Linux-Verband in Auftrag gegeben hatte. Demnach müssen Behörden auch weiterhin Regeln des Vergabeverfahrens genau einhalten.

Der Verband beklagt eine seiner Meinung nach bedenkliche Entwicklung bei Ausschreibungsverfahren öffentlicher Stellen. Seit im Juni 2007 zwischen dem Ministerium und dem Software-Hersteller ein "Select-Vertrag" über eine Laufzeit von 36 Monaten geschlossen wurde, mehren sich Berichte von Mitgliedern, die sich benachteiligt fühlen. Demnach nimmt die "freihändige" Vergabe von Software-Aufträgen ohne Ausschreibungen an Microsoft und dessen Geschäftspartner zu.

"Der Vertrag setzt keine vergaberechtlichen Vorschriften außer Kraft", sagt Rechtsanwalt Thomas Feil, der das Rechtsgutachten im Auftrag des Linux-Verbandes erstellt hat. Er kommt zu dem Schluss, dass die Ausschreibungspflicht weder national noch EU-weit umgangenen werden kann. Diese Auffassung wird laut Gutachten auch vom BMI in einem ergänzenden Merkblatt mit entsprechenden Ausführungen bestätigt.

Keine Diskriminierung

Nach dem Vertrag werden der öffentlichen Verwaltung besonders günstige Konditionen für die Beschaffung von Microsoft-Produkten eingeräumt. Allerdings sind in jedem Fall Ausschreibungen erforderlich. Diese dürfen keine diskriminierenden Einschränkungen enthalten. Auch dem Verweis auf Kompatibilitätsprobleme haben Gerichte sehr enge Grenzen gesetzt.

Das hat Konsequenzen für öffentliche Auftraggeber. Das Vergaberecht fordert eine produktneutrale Ausschreibung und versagt grundsätzlich die Nennung von Markennamen bei der Beschreibung einer zu beschaffenden Leistung oder Software. Das ist nur in Ausnahmefällen gestattet, wenn keine hinreichend genaue und allgemein verständliche Bezeichnung oder anderweitige Beschreibung des Leistungsgegenstandes möglich ist. In diesem Fall ist aber der Zusatz "oder gleichwertig" anzubringen.

Ausnahmen nur in Einzelfällen

Rechtsnawalt Thomas Feil: "Der Vertrag setzt keine vergaberechtlichen Vorschriften außer Kraft."

Nur in Einzelfällen kann es zulässig sein, Software eines bestimmten Herstellers zu beschaffen, um die Kompatibilität zu bereits in Betrieb befindlichen Systemen zu gewährleisten. Allerdings sind die Anforderungen der Rechtsprechung an einen solchen Einzelfall hoch.

Möglicherweise verleitet der Titel "Select-Vertrag" zu dem Irrtum, die Beschaffung von Software-Lizenzen könne ohne Ausschreibung freihändig erfolgen, meint Elmar Geese vom Linux-Verband: "Viele Behörden und Vergabestellen haben Rahmenbedingungen mit Lieferanten, die in einem normalen Ausschreibungsverfahren zustande gekommen sind. Über diese können dann tatsächlich unkompliziert und ohne erneute Ausschreibung Leistungen des jeweiligen Herstellers bezogen werden."

Aber damit ist der BMI-Microsoft-Vertrag laut Geese nicht vergleichbar. Der Linux-Verband habe Verständnis dafür, dass betroffene Anbieter davor zurückschrecken, gegen mögliche Kunden vorzugehen. "IT-Anbieter sollten uns zweifelhafte Vergabeverfahren melden", rät deshalb Geese als Alternative.

Eile ist geboten

Auf jeden Fall ist in einem solchen Fall Eile geboten. Grundsätzlich sind Verstöße unverzüglich zu rügen. Gerichte erwarten eine Rüge gegen eine Ausschreibung innerhalb von wenigen Tagen nach Kenntnisnahme.

Aus seiner Erfahrung als Anwalt kennt Thomas Feil die typischen Schwierigkeiten bei Vergabeverfahren: "Aus technischer Sicht wird das Vergabeverfahren teilweise als Störung empfunden." Juristen sehen die rechtlichen Notwendigkeiten, haben aber selber in der Praxis durchaus Probleme, alle vergaberechtlichen Regelungen korrekt einzuhalten.

Feil hat deshalb einige Eckpunkte zusammengestellt, die bei einer Ausschreibung beachtet werden sollten:

Keine Fehler am Anfang

"Da die Vergabeverfahren stark von den rechtlichen Rahmenbedingungen geprägt ist, ist eine frühe Beteiligung der Vergabejuristen zu empfehlen", sagt Feil. Die gemeinsame Entwicklung in der Anfangsphase hilft, grundsätzliche oder strategische Fehler zu vermeiden. Zu klären ist zum Beispiel, ob eine EU-weite Ausschreibung notwendig ist, welche Verdingungsordnung einschlägig und welche Form der Vergabe die richtige ist.

Details klären

Die meisten Schwierigkeiten treten nach den Erfahrungen der Praxis bei der Leistungsbeschreibung auf. Häufig sind Detail-Fragen zu klären. Es bedarf vieler Gespräche, um eine transparente Leistungsbeschreibung zu erstellen, die einen fairen Wettbewerb ermöglicht.

Genaue Leistungsbeschreibung

In der herkömmlichen Leistungsbeschreibung werden häufig standardisierte oder handelsübliche Leistungsgegenstände wie zum Beispiel Computer-Bildschirme beschrieben. "Solche konventionellen Beschreibungen sollten allerdings nicht unterschätzt werden", warnt Feil. Wer beispielsweise einen eigentlich banalen Beschaffungsvorgang vorbereiten will, wird merken, wie viele Detailfragen hinsichtlich der technischen Ausstattung geklärt werden müssen. PC ist nicht gleich PC, vor allem dann, wenn die Produktneutralität der Leistungsbeschreibung einzuhalten ist.

Check-Liste für Bieter

Es ist laut dem Anwalt immer wieder zu beobachten, dass viele Bieter gerade mit den formalen Voraussetzungen und Anforderungen des Vergabeverfahrens nicht vertraut sind. Hilfreich ist es bei der Ausschreibung deshalb eine Art Check-Liste für die Bieter zu erstellen, um ein Ausscheiden interessanter Firmen allein wegen formaler Gründe zu vermeiden.