Zukunftsforscher: Verbraucher stehen vor radikalen Einflussmöglichkeiten

Mit Wearables steht eine Revolution im Kaufverhalten bevor

01.12.2014 von Jürgen Hill
Der Verbraucher von morgen rüstet technisch auf und nimmt mit einem Minicomputer an der Brille im Supermarkt nie dagewesenen Einfluss auf das Warenangebot bei Lebensmitteln. Zukunftslotse Thomas Strobel sieht durch sogenannte Datenbrillen (Smart Glases, Wearables), wie sie von Google bereits angeboten und von weiteren IT-Konzernen entwickelt werden, das Zeitalter der "aufgeklärten Konsumenten" mit radikalen Folgen für Hersteller und Händler nahen.
Per Datenbrille sieht der Konsument in den Regalen nur noch Waren, die seinen Ansprüchen entsprechen.
Foto: Vuzix

Wenn sich Datenbrillen in naher Zukunft nach dem Vorbild von Handy, Navi oder iPhone als Massenartikel verbreiten, sind gravierende Veränderungen für Handel und Produktion vorprogrammiert, sagt der Münchner Nachhaltigkeitsexperte Thomas Strobel voraus. Bereits an der Schwelle zum nächsten Jahrzehnt würden dann auch bisherige Nicht-Brillenträger virtuelle Informationen über Minicomputer mit Kamera, Sender und Sichtfeld an einer elektronischen Brille beziehen. "Wir tragen zukünftig eine intelligente Datenbrille beim Einkaufen. Damit wird es möglich, dass Zusatzinformationen aus Ernährungs- und Nachhaltigkeitsportalen unser Einkaufserlebnis mitbestimmen", so Strobel.

Mit Datenbrille smarter einkaufen

Zukunftsforscher Strobel erwartet mit den Datenbrillen das Diktat des Verbrauchers im Supermarkt.
Foto: Michael Richter

Der Kunde von morgen legt etwa in einem Profil seiner smarten Kommunikationsgeräte individuell bevorzugte Kaufkriterien fest. Beispielsweise: Keine Produkte aus Massentierhaltung, Gemüse bevorzugt aus biologischem Anbau, schwerpunktmäßig regionale Produkte oder Fair-Trade-Erzeugnisse. Weil das gesamte Warensortiment inzwischen "brillentauglich" auswertbar sein wird, werden im Displayfeld der Brille beim Gang durch den Laden nur jene Produkte farbig dargestellt, die den definierten Kriterien entsprechen. "Produkte, die mit Einschränkungen noch akzeptabel sind, sehen wir dagegen in schwarz-weiß", so Strobel. Alle "nicht kaufbaren" Produkte in den Regalen würden dann fast vollständig ausgeblendet.

Smart Glasses bestimmen Warenangebot

Welche Folgen das digital-gestützte Einkaufen der mündigen Kundschaft 2.0. haben könnte, beschreibt der 51-Jährige so: "Heute beeinflussen wir das Verbraucherverhalten nur indirekt - über mehr Informationen und Aufklärung. Wiederholte kritische Berichte über Massentierhaltung und industrielle Fleischverarbeitung führen bereits zu einer steigenden Nachfrage nach vegetarischen oder veganen Gerichten und Kochbüchern." Shopping 2020 dagegen werde das Verbraucherverhalten massenhaft und dramatisch ändern. "Was Verbraucher mit digitaler Informationsunterstützung ablehnen, bleibt nicht nur im Regal liegen, sondern wird auch schnell aus den Sortimenten der Supermärkte verschwinden und letztlich beim Hersteller aus dem Programm genommen."

Vuzix M100
Reparatur und Wartung sind neben der Lagerarbeit ein starker Fall für Smart Glasses wie die Vuzix M100. Die Brille nimmt dabei nicht nur wichtige Informationen auf, sondern vermittelt dem Fachmann auch solche.
Vuzix M100 II
Die Datenbrillen zeigen den Mitarbeitern die Position der gesuchten Ware im Lager.
Vuzix M100 III
Die entsprechende Software für die Datenbrillen hat beispielsweise SAP entwickelt.
Marktaussichten
Noch sind Sport-und Fitness-Tracker ganz weit vorn im Wearable-Markt. ABI Research zufolge werden sich bis 2017 aber Smartwatches an die Spitze drängen. Der Gesamtmarkt soll sich bis 2018 ungefähr verzehnfachen
Hands free
Ob im Warenlager, bei der Kommissionierung oder Wartung von Maschinen, erlauben Smart Glasses das freihändige Arbeiten....
Hands free II
SAP hat mit Brillen von Google und Vuzix schon entsprechende AR-Lösungen vorgestellt.
Google
Im Ausland kann sich beim Lesen von Straßenschildern die Übersetzungshilfe von Google Glass bezahlt machen. Gleiches gilt natürlich auch im Lager. Denn Postsprache ist immer noch Französisch.
Google II
Google Glass ist noch gar nicht auf dem Markt, dennoch wurden wie hier von Onoffre Consulting am brasilianischen Instituto Lubeck schon mehrere OPs damit geführt, oft über Hunderte von Kilometern.
Google III
Ein Szenario, das Google für die eigenen Smart Glasses mit integriertem GPS aufzeigt, ist die Navigation einschließlich Anzeige von Mautstellen.
Metaio
AR-Spezialist Metaio hat im September 2013 die erste interaktive Bedienungsanleitung auf Google-Glass-Basis mit neuer 3D-Tracking-Technologie vorgestellt.
Metaio II
Vorläufer der Metaio-Lösung ist die eKurzinformation für Audi.
Navigationsjacke
Ein australisches Unternehmen namens We:Ex (Wearable Electronics) hat unter anderem diese Navigate Jacket entwickelt, welche die Trägerin über optische und haptische Signale sicher zum Ziel führen soll.
BioHarness
Zephyrs Bioharness 3 wird zusammen mit dem PSM Responder ECHO im amerikanischen Profisport zu Trainingszwecken eingesetzt.
Smartwatches
Smartwatches wie die Samsung Galaxy Gear, Sony Smartwatch 2, Pebble und Co. werden meist als reine Consumer-Gimmicks gesehen. Gepaart mit Health oder Fitness Tracking wird daraus aber auch schnell ein B2B-Fall.
Adidas MiCoach
Dieses MiCoach genannte System von Adidas wird unter anderem zum Training der deutschen Fußballmannschaft im Vorfeld der WM 2014 in Brasilien eingesetzt.
Zeiss Cinemizer Oled
Zeiss Bajohr Lupenbrille
Die 3D-Brillen von Zeiss werden unter anderem als Ablenkung bei Angstpatienten eingesetzt.

Dieses "Diktat der Konsumenten" werde den Markt zum Beispiel für Antibiotika-Suppenhühner aus Massentierhaltung, Eier von Hennen in Legebatterien oder mit Pestiziden und Medikamentenrückständen belastetes Gemüse kollabieren lassen. Ade auch für Fruchtjoghurt ohne echte Früchte, mit künstliche Aromen und anderen chemischen Zusatzstoffen.

Mit der Datenbrille kämen, da ist sich Strobel, der auch Geschäftsführer der unter anderm auf Zukunftslandkarten und Wissensflüsse spezialisierten Fenwis GmbH ist, sicher, weitere individuelle Informationen direkt in das Blickfeld des Trägers: Hinweise auf Freunde und Bekannte in der Fußgängerzone, Kochanleitungen für zuhause vorhandene Lebensmittel, animierte Reparaturanleitungen für Profis und Hobbybastler oder Hinweise auf gefälschte Geldscheine …