Kunden verunsichert

Mobile Commerce: Jeder dritte Händler zögert

13.04.2012 von Hartmut  Wiehr
Laut Aberdeen steigt das Interesse der Retailer an Mobile Commerce. Doch ein nennenswerter Anteil bedient Geräte wie Smartphones bisher nicht.

Was ist eigentlich "Mobile Commerce“? Die Bezeichnung legt eine Parallele zu E-Commerce, dem elektronischen Einkaufen im Internet, nahe. In dem Maße, wie Smartphones und Tablets immer mehr Benutzer finden, taugen auch sie zum E-Commerce. Mobile Commerce hat aber noch mehr Komponenten: Mit dem Handy, das man fast immer dabei hat, können vor Ort in einem Laden Preisvergleiche durchgeführt werden, oder man kann sich Werbebotschaften oder Coupons für Sonderangebote und Rabatte zuschicken lassen. Eigentlich alles sehr vielversprechend.

Jugendliche beim interaktiven Mobile Commerce: Zwei Drittel der Retailer bedienen den Kanal latu Aberdeen schon, die übrigen warten noch ab.
Foto: bazaarvoice

Branding, Marketing, Consumerization per mobilen Geräten – zumindest ein Teil der Retailer ist schon auf diesen Zug aufgesprungen und bemüht sich, entsprechende Aktionen durchzuführen. Im deutschen Handel herrscht aber wegen der verbreiteten privaten Eigentümerstruktur noch vielfach Zurückhaltung: Die Risikofreude hält sich in Grenzen. Das habe sich schon an der teilweise verschlafenen Einführung von Web-Shops gezeigt, wie der Retail-Berater und ehemalige CIO von Media-Saturn, Wolfgang Lux, im Gespräch mit CIO.de anmerkt.

Verkaufspersonal muss Mobile Commerce mit vorantreiben

Die Aberdeen Group führt in der neuen Studie "Elevating Mobile Commerce as an Enterprise-Wide Strategy“ aus, dass es jetzt darauf ankommt, eine kritische Masse von Konsumenten zu mobilisieren, die auf Handy- und Tablet-Initiativen ansprechen und sie zu einem wesentlichen Bestandteil ihres Einkaufsverhaltens machen.

Um diese Strategie in der Praxis umzusetzen, müssen die Retailer sie auf allen Ebenen ihres Unternehmens verankern (Change Management und Business Process Alignment):

- Bei Management und Mitarbeitern, besonders beim Verkaufspersonal;

- in den Läden müssen Angebote vorhanden sein, um mobile Geräte überhaupt sinnvoll einzusetzen;

- Initiativen für Cross- oder Omni-Channel sind nötig: Integration von Läden, Web, Call Center oder elektronische Kataloge;

- das mobile Verhalten der Konsumenten tracken, analysieren und mit den Entwicklungen bei E-Commerce und klassischem Ladengeschäft vergleichen;

- ein Team aufbauen, das sich speziell mit Handy- und Tablet-Channels beschäftigt, dabei aber die Abstimmung mit anderen Geschäftseinheiten wie IT, Marketing, Finanzen nicht vergisst.

Mobile Commerce soll Kundenbeziehung verbessern

Bei Aberdeen geht man davon aus, dass sich etwa 70 Prozent der Retailer dafür interessieren, Mobile Commerce als Hebel zur Verbesserung der Kundenbeziehungen einzusetzen. Sie versprechen sich damit auch, dem Ziel von Cross- oder Omni-Channel im Verkauf näher zu kommen. Wie konkret und wie erfolgreich diese Ansätze bereits sind, bleibt aber offen. Aberdeen konstatiert lediglich: "Der Emerging Trend zu Mobile Commerce ist stärker als jemals zuvor.“

In der Anfangsphase sind Retailer darum bemüht, dass Konsumenten tatsächlich ihre mobilen Angebote, wie eigene Webseiten oder Apps und Plattformen benützen, um nach Produkten zu suchen, etwas zu bestellen und ordnungsgemäß auszuchecken. Es ist auch aus anderen Untersuchungen bekannt, dass Bestell- und Bezahlvorgänge extrem gründlich angelegt sein müssen, damit die Kunden auch wiederkommen.

Vor allem die Leitungsebenen lassen es an einer aktiven Unterstützung von Mobile Commerce fehlen.
Foto: aberdeen

Das Marketing der Retailer will laut Aberdeen-Studie zur Zeit vor allem erreichen, dass die Besucher der Sites länger verweilen und später dann ihren Besuch mit einem Kauf beenden. 22 Prozent der Retailer seien auf Site Visits, Besucherdaten, Antwortraten auf Marketingaktionen oder andere Klickraten fokussiert. Dabei seien sie sich bewusst, dass die Analyse solcher mobilen Informationen immer zu den anderen Channels in Relation gesetzt werden muss.

Aberdeen weist eindringlich darauf hin, dass sich ein Drittel der befragten Retailer noch nicht für einen Start von Mobile Commerce entschieden hat. Ihre Abwartehaltung führe zu einer Verunsicherung der Konsumenten insgesamt.

Laut Aberdeen Group existieren bereits genug Technologien, um Mobile Commerce zu unterstützen.
Foto: aberdeen 2

Auch die Einführung neuer Retail-Technologien in früheren Jahren hat sich nur langsam und kaum flächendeckend durchgesetzt. Dazu gehören POS-Systeme und Selbstbedienungs-Kassen, ganz zu schweigen von der kontaktlosen Bezahlung per Handy, über die – noch dazu in verschiedenen Systemvarianten – ebenfalls schon länger diskutiert wird.

Große Chancen - ungenutzt

Um es positiv zu wenden: Retailer, die sich mit ihren Innovationen positiv von der Konkurrenz abgrenzen wollen, haben eigentlich ein leichtes Spiel.