Transaction Management bei der DAK

Nach fünf Sekunden beginnt der Ärger

20.04.2007 von Rolf Roewekamp
Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse misst Antwortzeiten einzelner Prozessschritte. Damit erkennt die Hamburger Ersatzkasse frühzeitig Performance-Engpässe in den IT-Systemen.

Die Toleranzzeit der Mitarbeiter ist schnell überschritten. Ganze fünf Sekunden dauert sie. Wenn danach eine Kernanwendung nicht antwortet, werden Kundenberater bei der Hamburger Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) ungeduldig. Das hat CIO Andreas Strausfeld bei Messungen vor Ort in den Dienststellen festgestellt. Er kennt das nervöse Gefühl der Kollegen. „Ich weiß, was die Mitarbeiter draußen am Schalter umtreibt, wenn der Kunde vor ihnen steht oder am Telefon auf eine Antwort wartet und die Systeme schleppend laufen“, sagt der 38-Jährige, der 1987 bei der DAK mit einer Lehre zum Sozialversicherungskaufmann begann. Dauern Beratungsgespräche wegen der Technik zu lange, fordern Dienststellenleiter mehr Personal an, und das kostet.

Früher fuhren IT-Mitarbeiter bei Zeitmessungen für die so genannte Stellenbedarfsberechnung vielfach in die Beratungsstellen, setzten sich neben die Mitarbeiter, schrieben die Arbeitsschritte auf und stoppten die Zeit mit der Hand. Dabei kam es naturgemäß auch zu Ungenauigkeiten, erinnert sich der IT-Chef der zweitgrößten deutschen Ersatzkasse. „Zwei Sekunden mehr addieren sich in statistischen Hochrechnungen unserer Größenordnung leicht zu gewaltigen Zeiten.“

Integrationsplattform im Härtetest

Mitte 2005 ging die DAK daran, die Performance ihrer Anwendungen noch vor dem produktiven Betrieb zu testen. Dazu misst die IT mit dem Tool „Transaction Management Application Response Time“ von BMC die Antwortzeiten eines jeden Prozessschritts. „Wir können wie in einem Labor simulieren, wie sich das System unter verschiedenen Lasten verhält“, erläutert Strausfeld. Bisherige Softwarewerkzeuge konnten dagegen nur die Gesamtdauer eines Vorgangs messen. Sie erkannten nicht, an welchen Systemkomponenten Engpässe innerhalb eines Prozesses auftraten. Allerdings lokalisiert das neue Transaction-Tool nur die Schwachstelle. Um den Fehler zu beheben, muss die IT selbst in die jeweilige Komponente schauen oder das Problem zusammen mit dem Hersteller lösen.

Viele Arbeiten erledigen Mitarbeiter im Intranet. Dort finden sie essenzielle Informationen wie Arbeitsanleitungen und Sozialgesetzbücher. „Das Intranet ist von zentraler Bedeutung für die DAK. Deswegen müssen die Systeme schnell und stabil laufen“, betont Strausfeld. Denn im Beratungsservice sieht die DAK ihren Vorteil gegenüber billigeren Betriebskrankenkassen.

Um die Beratung für die Mitarbeiter einfacher und schneller zu gestalten, baut die DAK zurzeit eine Integrationsplattform. Sie soll den Berater durch alle einzelnen Arbeitschritte eines Vorgangs führen und ihm bei jedem Prozessschritt das jeweils notwendige Tool auf dem Bildschirm anbieten. Bislang müssen die Mitarbeiter trotz eines selbst geschriebenen Portals noch immer selbst wissen, welches Programm sie für welchen Arbeitsschritt brauchen, und die Anwendung einzeln öffnen.

Bei Durchsicht des ersten Proof of Concepts der Integrationsplattform war Strausfeld begeistert: „Klasse. Bauen. Raus damit. Verträge verhandeln.“ Ein Mitarbeiter aus dem Bereich Qualitätssicherung und Integrationstest bremste jedoch die Euphorie und schlug vor, die Performance des Systems erst einmal abschnittsweise zu messen. Das Anmelden am System klappte noch spektakulär gut. „Doch als wir die Anwendungen hochfuhren, gingen in diesem Teilabschnitt die Rechner in die Knie. Optimierungen mussten durchgeführt werden“, berichtet Strausfeld.

Simulation von 5.000 Mitarbeitern

Mit dem Transaction-Management-Tool und weiteren Tools konnte die IT nun testen, wie sich morgens um acht Uhr 5.000 Mitarbeiter in den 800 Lokationen an ihrem Rechner anmelden, in die Integrationsplattform gehen und Anwendungen starten. „Wir können diese Situation auf verschiedenen Maschinentypen simulieren und mit dem Tool sehr schön in verschiedenen Situationen durchspielen“, erklärt Strausfeld. Zurzeit dauern mehr als 90 Prozent der DAK-Transaktionen weniger als eine Sekunde. Über 99 Prozent liegen unter drei Sekunden. Diese Perfomance auch mit der neuen Integrationsplattform zu gewährleisten hält Strausfeld für eine Riesenherausforderung.

Einen Business Case gibt es für das Transaction-Management-Projekt nicht. „Das ist eine grundsätzliche Entscheidung, solche Dinge im Voraus zu überwachen“, begründet Strausfeld. Zurzeit laufen sechs Websphere-Applikationen mit dem Tool, weitere Anwendungen sollen folgen. Außerdem will die DAK das Tool Transaction Analyzer einführen, um Einzeltransaktionen der DB2-Datenbanken zu messen.

Für ihn sind solche Tools wichtige Bausteine der IT-Strategie: „Wir wandeln uns von einer internen IT einer Verwaltung zu einem IT-Dienstleister. Wir wollen Kunden intern wie extern bedienen.“ Denn mit Hilfe von Transaction-Tools lassen sich Service Levels besser vereinbaren und messen. Das wird in naher Zukunft immer wichtiger: Mitte 2007 will die DAK zusammen mit anderen Ersatzkassen und privaten Betriebskrankenkassen eine gemeinsame IT-Holding gründen. Dieser neue Dienstleister soll künftig die beteiligten Kassen mit IT-Services versorgen.

Riesenaufgabe neue IT-Holding

Im Rahmen ihrer IT-Strategie plant die DAK große Teile ihres eigenentwickelten Basissystems für Kernanwendungen abzulösen und auf das Basissystem 21c (21st Century) der ISKV (Arbeitsgemeinschaft Informationssysteme in der gesetzlichen Krankenversicherung GmbH) zu wechseln. Damit erhalten Mitarbeiter künftig auch bei den Anwendungen im Kerngeschäft grafische Oberflächen. „Wenn 21c künftig hinzukommt, wird es für uns eine Riesenaufgabe, nicht mit den Antwortzeiten herunterzugehen“, sagt Strausfeld.