Plattform von T-Systems

Nach Pannen - Projekt erst im Pilotstatus

23.08.2012 von Johannes Klostermeier
Auch nach Pilotstart und erfolgreicher Vorführung steht noch immer kein Termin fest, zu dem das neue System zur Studienplatzvergabe in den Regelbetrieb geht.
Hier können sich die Bewerber für örtlich zulassungsbeschränkte Studiengänge registrieren.

Da immer wieder begehrte Studienplätze freibleiben, da Universitäten sie ohne Rückkoppelung mit anderen Hochschulen vergeben, Bewerber kurzfristig oder gar nicht absagen und das Nachrücken zu lange dauert, soll eine zentrale, Internet-basierte Plattform die Vergabe erleichtern.

Doch die Anbindung des "Dialogorientierten Serviceverfahrens" an die Hochschulen war bisher das Problem. Insbesondere die ausgerechnet von der Bund-Länder-GmbH HIS in Hannover ausgestatteten Hochschulen konnten keine Verbindung zur T-Systems-Plattform aufbauen.

Fürs Wintersemester erstmals Vergabe mit neuem System

So soll es laufen: Die Ergebnisse der Auswahlverfahren für örtlich zulassungsbeschränkte Studiengänge werden von den Hochschulen auf die Plattform hochgeladen. Die Bewerber können in dem Portal hochschulstart.de den Status ihrer Bewerbungen abrufen, Zulassungsangebote einsehen und eines der Angebote annehmen. Sobald dies passiert ist, nehmen die weiteren Bewerbungen nicht mehr am Verfahren teil. Ergebnis: So stehen die Studienplätze rechtzeitig für alle anderen zur Verfügung.

Zum Wintersemester 2012/13 wurden nun erstmals für einen kleinen Kreis von Hochschulen Studienplätze für örtlich zulassungsbeschränkte Fächer im "Dialogorientierten Serviceverfahren" der Stiftung für Hochschulzulassung (Nachfolger der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze, ZVS) vergeben.

Wichtigste Botschaft des dazu stattfindenden Pressegesprächs in den Räumen des EIT ICT-Labs im Berliner Telefunkenhochhaus: Das neue System funktioniert, auf einem Testsystem wurde die Software vorgeführt. Außerdem scheint es so zu sein, dass – zumindest theoretisch – alle Hochschulen am System teilnehmen können, da die Anbindung mittlerweile mit den meisten der an den Hochschulen benutzten Systeme funktioniert.

Die meisten Teilnehmer setzen auf die Datenlotsen-Software

Das von dem HIS-Konkurrenten Datenlotsen angebotene Produkt CampusNetApply wird demnach von acht Hochschulen eingesetzt, davon fünf in Thüringen. Vier Hochschulen nutzen CampusNet – ebenfalls von den Datenlotsen - zur Anbindung an das Verfahren.

Hier die Übersicht über die Anbindung der teilnehmenden Hochschulen.

Die HIS-Produkte HISinONE und HIS Connect kommen an jeweils einer Hochschule zum Einsatz. Das bestätigte auch der Sprecher der HIS GmbH, es handelt sich dabei um die Uni Freiburg (HISinONE) und die Fachhochschule Brandenburg (HIS Connect). Zwei Hochschulen sind mit Eigenentwicklungen angebunden, eine Hochschule nutzt die Web GUI, um sich an das Verfahren anzubinden.

Ein Problem scheint jedoch immer noch die von den Hochschulen benutzte viele Jahre alte Uni-Software zu sein, die hinter dem Verfahren angebunden werden muss und die von den Hochschulen oftmals eigenständig angepasst und umgeschrieben worden ist.

Von den Anbietern der Campus-Software war kein Vertreter nach Berlin gekommen. Sie waren auch gar nicht eingeladen worden. Das wurde mit wettbewerbsrechtlichen Bedenken begründet, traf bei anwesenden Journalisten aber auf Unverständnis.

Auch war zum Zeitpunkt des Pressegesprächs unklar, ob die Mehrfachstudiengänge, die zum Lehramt führen, korrekt abgebildet wurden. Die Hochschulen lassen viele tausend verschiedene Kombinationsmöglichkeiten zu, die sich von Uni zu Uni unterscheiden. Diese Vielzahl in einem IT-System abzubilden, ist komplex. Einfacher wäre, wenn die Hochschulen sich auf bestimmte Variationen einigen könnten, hier also eine Standardisierung möglich wäre. Gespräche dazu finden offenbar statt.

Keine Prognose zum Start für alle Hochschulen

Nicht beantwortet werden konnte auch die Frage, wann denn alle Hochschulen tatsächlich an dem neuen Verfahren teilnehmen werden. Denn nur dann ist die zentrale Vergabe der Plätze sinnvoll. Doch kann man die Hochschulen anscheinend nicht dazu zwingen. Sie hätten jedoch von selbst großes Interesse daran, betonte Josef Lange. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats.

Was als Gemeinschaftsidee sinnvoll ist, stößt aber individuell auf Egoismus. Keine Hochschule wolle diejenige sein, die mitmacht, wenn nicht gleichzeitig zu 100 Prozent gewährleistet sei, dass alles auch wirklich funktioniere. Hier liege ein Henne-Ei-Problem vor, sagte einer der Experten.

Professor Stefan Jähnichen, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST), das an der Entwicklung der Plattform für T-Systems beteiligt war, hofft auf einen Schub, wenn eine bestimmte Anzahl von Hochschulen sich beteiligten. "Wenn 40 bis 60 Prozent dabei sind, dann ziehen alle anderen nach", sagte er.

Zu den Fakten: Am Dialogorientierten Serviceverfahren zum Wintersemester 2012/2013 nehmen 17 Hochschulen mit insgesamt 22 Studienangeboten teil. Dabei werden rund 2.200 Studienplätze angeboten. Viele Hochschulen haben sich erst sehr kurzfristig zur Teilnahme entschieden und hätten mit Hochdruck an der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen gearbeitet. Fast alle teilnehmenden Hochschulen haben zuvor an Prozesskettentests beziehungsweise Verfahrenssimulationen teilgenommen.

Die teilnehmenden 17 Hochschulen sind über acht Bundesländer verteilt. Eine Konzentration gibt es in Thüringen mit sechs Hochschulen. In Baden-Württemberg nehmen drei Hochschulen teil, in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg jeweils zwei.

In Berlin, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist keine einzige Hochschule dabei. Die Anzahl der freigeschalteten Studienangebote liegt zwischen einem und drei pro Hochschule.

Das beliebteste Studienangebot war Psychologie

Die Bewerbungsphase dauerte vom 16. Mai bis zum 15. Juli 2012. In dieser Zeit haben sich rund 29.000 Personen im Bewerbungsportal registriert. Davon haben 13.856 aktive Bewerber 22.009 Bewerbungen abgegeben. Die Mehrheit der 13.856 Bewerber hat dabei nur eine Bewerbung abgegeben, fast 20 Prozent zwei Bewerbungen, und 17 Prozent haben mehr als zwei abgegeben.

Wer Medizin oder Pharmazie studieren will, ist bei diesem Verfahren an der falschen Adresse.
Foto: MEV Verlag

Das beliebteste Studienangebot war Psychologie. Dieses wurde von den Universitäten in Freiburg, Hamburg, Heidelberg und Mannheim angeboten. Die Bewerber gaben insgesamt 17.656 Bewerbungen dafür ab, dies sind über 80 Prozent der im Verfahren koordinierten Bewerbungen.

Seit dem 16. Juli 2012 läuft nun die Koordinierungsphase 1, in der die Bewerbungen geprüft und Ranglisten erstellt, gefüllt und freigegeben werden. Nach der Freigabe werden den Bewerbern automatisch ihre Zulassungsangebote angezeigt, die dann von ihnen angenommen werden können. Nach Ende der Bewerbungsphase wurden die ersten Zulassungsangebote ausgesprochen, die angenommen werden können. Anfang August gab es 616 angenommene Zulassungen, 1529 weitere Zulassungsangebote lagen den Bewerbern vor.

Die Stiftung will jetzt die Werbung um die Hochschulen intensivieren. Sie sichert den teilnehmenden Hochschulen individuelle Beratung und Betreuung mit Vor-Ort-Terminen und weitere Betreuungsleistungen zu. Diese Möglichkeiten würden von den Hochschulen "sehr positiv aufgenommen und intensiv genutzt", hieß es.

"Organisatorische und technische Probleme werden zeitnah gelöst"

"Gemeinsam mit Hochschulen, Softwareherstellern und Stiftung sollen auftretende organisatorische und technische Probleme zeitnah gelöst werden", versprach der Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftung für Hochschulzulassung. "Wir arbeiten gemeinsam mit einer Vielzahl von Hochschulen intensiv daran, die Zahl in den nächsten Semestern zu erhöhen."

Der neue HIS-Geschäftsführer Wolfgang Körner folgte Martin Leitner nach, der das Unternehmen wegen des ins Trudeln geratenen Projekts verließ.
Foto: HIS

Die Erfahrungen aus dem aktuellen Pilotverfahren sollen den Hochschulen und den Softwareanbietern zur Verfügung gestellt werden, damit möglichst schnell alle Hochschulen angebunden werden. Nur wann das tatsächlich der Fall sein wird, steht in den Sternen.

Der HIS-Geschäftsführer Martin Leitner musste das Unternehmen in Hannover nach dem Konnektoren-Debakel verlassen. Seit dem 21. Juli gibt es nun mit Wolfgang Körner einen Nachfolger. Der gelernte Diplom-Physiker war nach Stationen im niedersächsischen Wissenschaftsministerium und bei der KMK zuletzt als selbständiger Berater in Sachen Qualitätssicherung tätig.

Die Aufarbeitung der Probleme bei der HIS hat die Unternehmensberatung Ernst & Young übernommen. Derzeit liegen nur vertrauliche Teilergebnisse der Evaluation vor, mit einer öffentlichen Bekanntgabe der Untersuchung und der Konsequenzen daraus, wird Ende des Jahres gerechnet, heißt es bei der HIS.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.