McKinsey-Bildungsstudie

Nachwuchsmangel: Drittel der Firmen leidet

31.01.2013 von Werner Kurzlechner
Fachkräftemangel bleibt welteit über Jahre ein Problem, konstatieren die Berater. Immerhin stehe IT beim Nachwuchs hierzulande höher im Kurs als anderswo.
Ausnahme Deutschland: In allen anderen Ländern gibt es keine Alternative zur akademischen Ausbildung.
Foto: McKinsey

McKinsey hat in einer internationalen Studie untersucht, wie gut junge Leute durch das Ausbildungssystem auf Berufsleben und Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Zwei Dinge sind dazu vorab festzuhalten: Erstens ist die Untersuchung auch gehaltvolles Futter für CIOs, die sich ob des Fachkräfte- und Nachwuchsmangels Sorgen machen. Zweitens fördert die Studie zwar einige spezifisch deutsche Probleme zu Tage – aber am Ende bleibt durch die hiesige Brille schlichtweg ein positives Fazit zu ziehen.

„Das Ausbildungssystem in Deutschland schneidet im internationalen Vergleich sehr gut ab“, lautet das Fazit der Berater. Weitaus mehr Berufsanfänger als in anderen Ländern finden vergleichsweise schnell einen Job. Fehlende finanzielle Mittel sind seltener eine Hürde beim Anstreben eines weiterführenden Bildungsabschlusses. In kaum einem anderen Land ist die berufliche Ausbildung im Vergleich zu einer akademischen Laufbahn so hoch angesehen wie in Deutschland.

Für die Studie führte McKinsey in neun Ländern weltweit mehr als 8000 Interviews zur Ausbildungsmarktsituation durch. Neben Deutschland hörten sich die Consultants auch in den USA, Großbritannien, Brasilien, Indien, Saudi Arabien, Mexiko, Türkei und Marokko um. In jedem Land wurden repräsentative Stichproben von jungen Menschen im Alter von 15 bis 29 Jahren, Arbeitgebern und Vertretern von Bildungseinrichtungen befragt.

Ein Leitmotiv der Studie ist selbstverständlich der Fachkräftemangel. Die schlechte Nachricht: Er ist definitiv ein globales Phänomen – und McKinsey geht nicht davon aus, dass sich das Problem in absehbarer Zeit erledigt. 39 Prozent der befragten Firmen weltweit gaben an, aus Nachwuchsmangel Stellen nicht besetzen zu können und deshalb Einbußen bei Kosten, Qualität und Lieferzeit hinnehmen zu müssen.

IT-Berufe stehen bei der Jugend hierzulande relativ hoch im Kurs, wie diese Übersicht zeigt.
Foto: McKinsey

32 Prozent allein in Deutschland ist definitiv ein zu hoher und unerfreulicher Wert. Aber er liegt deutlich unter dem Durchschnitt und wird nur von zwei Ländern unterboten: von Großbritannien mit 30 Prozent knapp, von Marokko mit 12 Prozent zwar deutlich, was angesichts der ökonomischen Rückständigkeit Nordafrikas aber nicht überrascht. Am meisten ausgeprägt ist das Problem in der Türkei und Indien mit 56 und 53 Prozent. Dahinter folgen mit Werten über 45 Prozent Brasilien und die USA.

Überalterte Kollegien

Speziell für den CIO sind zwei Befunde besonders interessant. Erstens gibt es keinen Grund zur Klage darüber, dass die IT bei der Jugend nicht hoch genug im Kurs stünde. McKinsey klopft für eine Reihe von Berufsbildern ab, wie attraktiv diese den jungen Leuten erscheinen. Gleichauf mit dem Ingenieursberuf erzielen Web-Entwickler und IT-Spezialist mit 52 respektive 51 Prozent hierzulande die höchsten Werte.

International überboten werden die deutschen Werte erwartungsgemäß von Ländern wie Indien, Brasilien und der Türkei, in denen die IT eines von nur wenigen Sprungbrettern zu Erfolg und Wohlstand ist. Aussagekräftiger erscheint, dass die Vergleichswerte in den USA und Großbritannien nur bei etwa 40 Prozent liegen, in der Regel darunter. In der Relation mit diesen hochentwickelten Industriestaaten dürfte sich der Talentpool in der IT also gedeihlich entwickeln.

Zweitens verweist McKinsey angesichts der weltweit festgestellten Ausbildungsdefizite auf die wachsende Bedeutung von IT-gestütztem Lernen. Weil es häufig an Ausbildungs- und Praktikumsplätzen fehle, kann die IT demnach eine Lücke schließen. „Technologie – in der Form von ‚echten Spielen‘ und anderen Arten von Simulationen – kann hier helfen, indem sie maßgeschneiderte, detaillierte und praxisnahe Erfahrungen für eine große Masse zu relativ niedrigen Preisen bietet“, so die Berater.

Jenseits des guten deutschen Gesamtergebnisses offenbart die Studie aber auch wie angesprochen Schwächen. „Nirgendwo sonst auf der Welt klaffen die Meinungen von Arbeitgebern und Bildungseinrichtungen über die Qualität von Absolventen so weit auseinander wie in Deutschland“, sagt McKinsey-Bildungsexperte Kai Holleben. Studenten und Auszubildende in Deutschland starteten ihre Ausbildung zudem meist vergleichsweise wenig informiert. Auch die demografische Entwicklung macht sich in Deutschland bereits jetzt bemerkbar: „Berufsschulkollegien sind massiv überaltert – jeder dritte Berufsschullehrer ist bereits über 50 Jahre alt“, unkt Holleben.

Die Frage, ob Berufseinsteiger gut fürs Arbeitsleben vorbereitet sind, beantworten hierzulande zudem nur 43 Prozent der Arbeitgeber positiv. Dieser Wert liegt im internationalen Vergleich trotz intensiver Einbindung der Arbeitgeber in die berufliche Ausbildung nur im Mittelfeld. Saudi-Arabien, Indien, die USA und die Türkei weisen höhere Werte auf.

Informationsmangel bei Azubis

Als weiteres Manko stellt die Studie fest, dass Studenten und Auszubildende in Deutschland ihre Ausbildung mit zu wenigen Informationen starten. Nur 43 Prozenten der befragten Jugendlichen gaben an, über die Konsequenzen der Wahl ihres Ausbildungsgangs zum Beispiel auf die Berufsaussichten oder das Einstiegsgehalt informiert zu sein, als sie sich entschieden haben. Dieser Wert liegt unter dem Durchschnitt von 45 Prozent, vor allem aber niedriger als in erfolgreichen Schwellenländern wie Brasilien, Mexiko oder Indien.

Dennoch betont die Studie die spezifischen Erfolgsfaktoren – vor allem das duale Bildungssystem. Berufseinsteiger finden schneller als ihre Altersgenossen in allen anderen betrachteten Ländern eine dauerhafte Arbeit. 70 Prozent der befragten jungen Berufstätigen in Deutschland hatten spätestens drei Monate nach der Ausbildung einen Anstellungsvertrag in der Tasche. Dieser Wert liegt deutlich über dem Mittelwert der analysierten Länder von 54 Prozent.

„Das deutsche Ausbildungssystem ist sehr gut“, sagt McKinsey-Berater Holleben. „Wir müssen an den Schwächen aber gezielt arbeiten, um die Qualität zu erhalten und weiter auszubauen.“ Die Qualität der beruflichen Ausbildung müsse verbessert werden, indem in die Einrichtungen und das Lehrpersonal an Berufsschulen wieder mehr investiert werde. Entscheidend sei zudem, dass die Bildungseinrichtungen das Anspruchsniveau der Arbeitgeber besser verstünden. Das funktioniere nur im direkten und gezielten Dialog.

Die Studie „Education to Employment: Designing a System that Works“ ist bei McKinsey erhältlich.