Individuelle Analysen

Neue IT-Trends in der Medizin

19.12.2012 von Hartmut Wiehr
Eine iPhone-App kontrolliert den Herzschlag und eine Tablette mit Sensor sammelt Informationen im Körper. Neue Technologien sollen Vorsorge und Therapien verbessern.

Krankheiten, insbesondere sehr schwere wie Krebs, Herzprobleme oder Alzheimer, schon in einem frühzeitigen Entwicklungsstadium zu erkennen, ist der Traum jedes Mediziners. Noch besser wäre es natürlich, aufgrund von genetischen oder ähnlichen Analysen spätere mögliche gesundheitliche Probleme eines bestimmten Menschen prognostizieren zu können. Ein akuter Ausbruch einer Krankheit ließe sich so eventuell vermeiden oder rechtzeitig bekämpfen.

Laut Manuela Müller-Gerndt, Healthcare Leader bei IBM Deutschland. ist Personalisierung einer der wichtigsten Trends in der Healthcare-IT.
Foto: IBM

Wie Manuela Müller-Gerndt, Healthcare Leader bei IBM Deutschland, im Gespräch mit cio.de berichtet, geben große Pharmaunternehmen wie Roche bereits an die 80 Prozent ihres Etats für Forschung und Entwicklung in dieser Richtung aus. Erklärtes Ziel sei es, der Medizin einen revolutionären Schub zu geben, um den Patienten auf Basis individueller Informationen zu helfen. Das Prinzip "Trial & Error“, das heute vielfach noch angewendet werde, könne den persönlichen Fallgeschichten nur selten gerecht werden.

Das Consulting-Unternehmen Ernst & Young hat im Dezember einen Report über den "Pulse of the industry – medical technology 2012“ herausgebracht, der die Aussagen von Müller-Gerndt untermauert. Unter dem Titel "Power to the patients: point of view“ legen die Autoren dar, dass gerade eine "komplett neue Kategorie von Produkten entsteht, die das Potenzial zu einer Neubestimmung des Gesundheitswesens besitzen“.

Ernst & Young nennt sie PI Technologies

Diese neuen Produkte umfassen ein breites Spektrum von Technologien und Plattformen: von Apps für Smartphones über Social Media bis hin zu Sensor-gesteuerten Geräten und mehr. Ihr gemeinsamer Nenner lässt sich als "mehr Macht für den Patienten“ und "Nutzbarmachung von Informationen“ beschreiben. Bei Ernst & Young spricht man von "PI Technologies“, abgeleitet von "patient-empowering“ und "information-leveraging“.

3 Beispiele für PI Technologies

  1. Nicht verdaubare Sensoren, die in Tabletten enthalten sind und Informationen über Verträglichkeit und andere Auswirkungen sammeln und „nach außen“ an ein Kontrollgerät senden.

  2. Eine iPhone-App, welche die vordere Kamera dazu benützt, um den Herzschlag des Patienten zu kontrollieren.

  3. Ein außen am Körper zu tragendes Gerät, mit dem die Bewegungsmuster eines Menschen aufgezeichnet werden. Bei bestimmten Verhaltensänderungen oder in Situationen, die zu einem Sturz der Person führen könnten, reagiert das Gerät mit Alarmmeldungen oder digitalen Hilferufen.

Laut Ernst & Young können PI-Technologien dem Gesundheitswesen auch insofern einen revolutionären Schub geben, als sie zu einer Reduzierung von Fehldiagnosen und -therapien beitragen und so insgesamt die permanent wachsenden Kosten in diesem Segment senken. Das bisherige Gesundheitssystem sei zu sehr auf die Ärzteschaft konzentriert gewesen. Es komme vielmehr darauf an, den Patienten und seine Verhaltensweisen in den Mittelpunkt zu stellen.

Das Gesundheitswesen setzt weniger auf allgemeine Aussagen, meint man bei der Consulting-Firma Ernst & Young. Dafür nehmen die personalisierten Informationen zu.
Foto: Ernst & Young

Doch sei man jahrzehntelang damit gescheitert, die individuellen Lebensstile umfassend zu analysieren und auf eine gesundere Lebensweise umzustellen. Hier müssten die neuen Technologien ansetzen – zum Vorteil der einzelnen Personen und der Solidargemeinschaft.

Patienten-Informationen in Echtzeit

Daten auf der Basis von P & I, Patient & Information sind in der Lage, Einblicke in den Gesundheitszustand der Patienten in Echtzeit zu geben. Die medizinische Hilfe kann so laut Ernst & Young auf ein aktuelles, der jeweiligen Situation angemessenes Niveau gehoben werden. Fehlmedikationen und unnötige Ausgaben lassen sich vermeiden.

Bei all den Vorteilen der neuen PI-Technologien darf jedoch nicht vergessen werden, dass sie für Healthcare-Organisationen auch eine Gefahrenquelle darstellen können. Denn nichts wäre verfehlter, als bewährte Geschäftsmodelle Hals über Kopf aufzugeben. Ernst & Young rät hier zur Vorsicht: "Disruptive“ IT-Technologien haben ihre Berechtigung, wenn es um die Ablösung überalterter und teurer Geräte und Anwendungen geht. Doch solange diese funktionieren und ihren Anforderungen gerecht werden, wäre eine überstürzte Erneuerung unter Umständen kontraproduktiv. Das gilt besonders für das Gesundheitswesen, wo es um mehr als Produkte und Märkte geht.