Wenig Fortschritte

Neuer Praxisleitfaden für die Gesundheits-IT

19.04.2013 von Hartmut  Wiehr
KIS, PACS und andere digitale Dokumentensysteme haben sich noch nicht durchgesetzt. Ein Buch beschreibt die Ist-Situation und skizziert die Zukunft.

Eines der erstaunlichsten Resultate des Buchs der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) "gmds-Praxisleitfaden – Dokumentenmanagement, digitale Archivierung und elektronische Signaturen im Gesundheitswesen" kommt gleich in einem der einleitenden Kapitel zur Sprache. Dort verweisen die Autoren unter der Überschrift "Ist-Situation" auf mehrere empirische Untersuchungen. So sah 2007 die Situation noch wie folgt aus:

  1. Nur 15 Prozent der etwa 2100 deutschen Krankenhäuser nutzten Bildarchivierungs- und Bildkommunikationssysteme.

  2. 12 Prozent hatten klinische Arbeitsplatzsysteme im Einsatz.

  3. 9 Prozent vertrauten ihre Patientenunterlagen digitalen Archiven an.

Das Buch "gmds-Praxisleitfaden" gibt einen umfassenden Überblick über die Grundlagen von digitaler Archivierung im Gesundheitswesen.
Foto: Antares

Die Autoren bezeichnen die damalige Situation als "abgeschlossene Phase von Pilotprojekten". Doch was danach kam, sind nur relativ geringe Fortschritte. Zahlenmäßig hat sich nicht so viel geändert: "Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass mindestens 1100 Krankenhäuser (etwa 50 Prozent) mit mindestens einem digitalen Archivierungssystem (inklusive PACS) ausgestattet sind. Im Bereich der Arztpraxen liegt der Anteil noch deutlich unter 10 Prozent." (Seite 16)

Man muss für die Einschätzung der aktuellen Situation auch berücksichtigen, dass nach anderen Quellen, die ebenfalls im Buch zitiert werden, 69 Prozent der Krankenhäuser Papierarchive besitzen und 47 Prozent scannen Patientendaten nachträglich ein. Digitale Ersterfassung ist mithin noch nicht so verbreitet. Ob Papiervorlagen wirklich nach dem Scan- oder Verfilmungsvorgang vernichtet werden, dürfte in vielen Fällen fraglich sein.

Noch ein Drittel der Krankenhäuser ziehen die Mikroverfilmung der Digitalisierung vor, teilweise existieren alle Methoden friedlich-schiedlich nebeneinander. Überdies kann von einer Standardisierung der digitalen Programme noch keine Rede sein, und Schnittstellen (APIs) sind eher die Ausnahme. Viele der konkurrierenden Software-Lösungen, die von kleineren Unternehmen angeboten wurden, sind sogar schon wieder vom Markt verschwunden – teilweise aber noch im Einsatz. Das Chaos könnte kaum größer sein.

Medienmix contra Klarheit

Weitere Kapitel des Buches beschäftigen sich mit Architekturansätzen von Enterprise Content Management (ECM), der "Notwendigkeit von digitalen Archivierungssystemen" und dem "Anforderungsprofil" an solche Programme. Der gegenwärtige Digitalisierungsgrad in der klinischen Dokumentation von 40 bis 60 Prozent wird sich nach Ansicht der Autoren noch in den nächsten 15 Jahren nur allmählich erhöhen, so dass die Krankenhäuser weiterhin mit einem "Medienmix" leben müssten.

Entscheidend sei, wie die Beweiskraft digitaler Dokumente hergestellt werden könne. Um hier mit unterschriebenen Papierdokumenten mithalten zu können, müsse die digitale Signatur auf breiter Ebene eingeführt werden. Einschränkend heißt es dann in dem Buch: "Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Krankenhäuser Module zur Signaturerzeugung, -verifikation und -erneuerung einführen und ihre Mitarbeiter mit geeigneten Signaturkomponenten ausstatten." (Seite 22)

Professor Paul Schmücker lehrt am Institut für Medizinische Informatik an der Uni Mannheim.
Foto: Antares

Das Kapitel zum Anforderungsprofil für digitale Archivierung ist mit an die 50 Seiten am längsten ausgefallen. Es bleibt naturgemäß recht theoretisch, kann jedoch für die Planung neuer Prozesse wertvolle Dienste im Sinne eines Leitfadens oder abzuarbeitender Schritte leisten. Auch Themen wie ärztliche Schweigepflicht und sonstige rechtliche Anforderungen an die Archivierung medizinischer Unterlagen werden ausführlich dargestellt.

Ein eigenes Kapitel widmet sich dem konkreten Vorgehen bei der Einführung eines digitalen Archivierungssystems. Lösungsbeispiele und eine Referenzarchitektur helfen den IT-Mitarbeitern bei der Umsetzung. Ferner werden Lizenz- und Kostenfragen behandelt.

Aus dem Inhalt des "gmds-Praxisleitfaden" zur digitalen Archivierung.
Foto: Antares

Zwar bietet die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nach Ansicht der Autoren gute Voraussetzungen für digitales Dokumentenmanagement, doch äußern sie Kritik an der schleppenden Umsetzung der Reform, die schon seit Jahren abgeschlossen sein sollte. Es müssten auch rechtzeitig Vorkehrungen gegen die Gefahr redundanter digitaler Datenhaltung getroffen werden.

Viele Anregungen für Praktiker

Das detailreiche Werk wirkt gründlich durchdacht und bietet zahlreiche Anregungen für den Praktiker, auch wenn die Darstellungsweise mitunter recht akademisch geprägt ist. Weniger überzeugend wirkt der lange Schlussteil des Buches, der dem "Marktspiegel" gewidmet ist. Hier kommen Hersteller im O-Ton zu Worte, womit denn auch die meisten Beiträge reines Marketing voller Superlative sind.

gmds-Praxisleitfaden – Dokumentenmanagement, digitale Archivierung und elektronische Signaturen im Gesundheitswesen

Herausgeber: Paul Schmücker, Carl Dujat und Christoph Seidel
180 Seiten, 29,- Euro
Antares Computerverlag
Weitere Informationen: www.medizin-edv.de/archivierung