MOBILE BUSINESS

Niemand braucht UMTS

03.10.2001 von Christoph Lixenfeld
Wer zum Flugplatz fährt, braucht die aktuellen Abflugdaten – und kein Foto vom Flieger. Alle wichtigen Informationen fließen schon jetzt mit niedrigen Datenraten zu den Handys. Das Warten auf die übernächste Mobilfunk-Generation ist unnötig.

DIE FAHRER VON FIEGE, einer Spedition mit 7000 Mitarbeitern, erfassen bei jeder Auslieferung das Datum und die Uhrzeit, die Packstücknummer und den Packstückstatus mit einem Scanner. Der wird dann mit dem Lesegerät verbunden, das die Datenübertragung an den im Fahrzeug installierten Bordrechner aktiviert. Dieser erzeugt schließlich aus den Ablieferdaten eine SMS-Nachricht und versendet sie ? über das herkömmliche GSM-Handy-Netz, wie Projektleiter Jens Holst betont. Die schmalen Textnachrichten laufen zentral beim Netzdienstleister zusammen und gelangen von dort per Festverbindung an die Fiege- Zentrale in Greven, an die Niederlassungen der Spedition und zuletzt auf die Fiege-Internetsite. Hier können sich die Kunden dann selbst über den Ablieferstatus ihrer Sendung informieren.

All das funktioniert bereits heute ohne Breitbandnetz ? ohne UMTS, sogar ohne die nicht ganz so schnelle Vorgängertechnologie GPRS. Wer rüstet schon Außendienstler mit Porsches aus, damit die mit Tempo 250 zum Kunden rasen können? Niemand, so die herrschende Meinung unter CIOs, denn mit einem geräumigen Mittelklassewagen lässt sich der Job ebenso erledigen ? für deutlich weniger Geld. Das allerdings verschlechtert die Chancen für UMTS in Business-Anwendungen. Der M-Commerce läuft auch ohne teure Zukunftstechnik, SMS und die vorhandenen Mobilnetze reichen hier völlig aus.

Eine Reihe von Anwendungen für Privat- und Business- Nutzer belegt das. Beispiel: Location based Services. Dabei machen sich Unternehmen die Möglichkeit zunutze, den Standort eines Handys und damit seines Besitzers zu bestimmen und ihm mobile Dienste anzubieten, die ihm in der jeweiligen Situation helfen könnten. Das Münchner Unternehmen C-Com One etwa bietet den Fluggästen in der bayerischen Metropole seit Juni zwei Stunden vor dem Take-off Informationen über die genaue Abflugzeit, das Gate sowie Verkehr und Wetter. Alles, was der Reisende tun muss, ist, seine Flugnummer und das Abflugdatum per SMS durchzugeben. Hat er sich für weitere Service- Angebote registrieren lassen, sendet ihm ein Ticker News rund um den Flughafen, sobald der Teilnehmer sich diesem nähert.

Auch Mobile Shopping funktioniert schon heute ohne UMTS. Unter www.kompazz.de findet sich ein Einkaufsportal, das klassischen E-Commerce mit lokalen Angeboten verbindet. Wer etwas kaufen möchte, nennt einfach das Produkt, den Zeitraum und den Umkreis, der berücksichtigt werden soll. Wird Kompazz fündig, übermittelt das Unternehmen dem Kunden entsprechende Angebote inklusive Bezugsadresse ? und zwar wahlweise per SMS, WAP oder als E-Mail. Über diese Kanäle gibt es zudem ständig aktualisierte Infos.

Noch einen Schritt weiter geht Estonia Mobile Telefon (EMT) aus Estland. Das Unternehmen speichert mit Hilfe einer Software der finnischen Firma M-Gine den Standort seiner Kunden und auf freiwilliger Basis Angaben über deren Konsumverhalten. Zusammen mit der zurückgelegten Route, die in Form einer roten Zickzacklinie auf dem Stadtplan von Tallin angezeigt wird, ergibt sich ein individuelles Kataster, aufgrund dessen Geschäfte ortsabhängige Dienstleistungen entwickeln können. Zudem plant EMT Services wie eine automatische Ortung bei Notruf oder den Einbau von Handy-Chips ins Fahrzeug, so dass dieses bei Diebstahl verfolgt und sichergestellt werden kann. Auch hier funktioniert alles per SMS.

Ähnlich sieht es beim Bezahlen aus: "Paybox" ist ein System, das bereits von vielen Online-Shops, Pizzadiensten, einigen Hotels, bundesweit 3800 Taxis sowie dem Karstadt-Hertie-Reisebüro in Berlin akzeptiert wird. Hat sich der Kunde entschieden, übermittelt die Akzeptanzstelle seine Paybox-Nummer (in der Regel die Handy- Nummer) und den Betrag an Paybox. Nach wenigen Sekunden wird der Käufer angerufen; er muss den Betrag mit einer Pin bestätigen. Das Unternehmen, an dem Debitel und die Deutsche Bank beteiligt sind, rechnet anschließend mit dem Kunden ab. Lässt der sein Konto etwa bei der Norisbank in Nürnberg führen, kann er auch Überweisungen und andere Bankgeschäfte mit Hilfe der Paybox abwickeln.

Auch Business-Kunden, von denen sich Telefonfirmen hohe Umsätze mit Highspeed-Applikationen versprechen, brauchen nicht auf den Ausbau des neuen Netzes zu warten.

So haben Vodafone Tele-Commerce und IVU Traffic Technologies ein Tracking-Verfahren für den Profi-Bereich entwickelt. "Passo Phone Tracking" ermöglicht es dem Fahrer einer Serviceflotte, vordefinierte Statusmeldungen wie "Start", "Weiterfahrt", "Abholung" oder "Beschädigung" per Tastendruck im D2-Netz an die Passo-Zentrale zu übermitteln. Zugleich wird der Standort des Fahrers auf Basis der gerade durchfahrenen Funkzelle einschließlich Zeit- und Datumsstempel durchgegeben. Ein Mitarbeiter bereitet die Daten auf und stellt sie ins Internet, wo sie der Dispo-Chef Browser-basiert ohne zusätzliche Software abrufen kann.

Zwar ließe sich bei der Grevener Spedition Fiege mit Hilfe von UMTS die Kontrolle einer Sendung durchaus perfektionieren, wie Holst einräumt: Die Informationen über den Sendestatus wären ? theoretisch ? schneller beim Kunden; und die Breitbandtechnik würde den Versand von mehr Details erlauben. Doch Holst glaubt nicht daran, dass die Kunden des Logistikdienstleisters dafür extra bezahlen würden. "Und dann lohnt sich die Optimierung des Trackings mit Hilfe von UMTS für niemanden."

Unter Umständen, so Holst, könnte SMS sogar schneller sein als das neue Meganetz, weil die kleinen Botschaften nur für sehr kurze Zeit Netzverfügbarkeit benötigten. Datentransfers, die Minuten brauchen, können dagegen zwischen zwei Funkzellen abbrechen. Im Beispiel des Porsches für den Außendienst bedeutet dies: Der ist zwar schnell, braucht aber viel Sprit und bringt dem Fahrer unter Umständen eine Menge Knöllchen ein.

CIO-Stimmen zu UMTS