IT-Strategietage

Null E-Mails

09.02.2012 von Kolja Kröger
Ein Zero-E-Mail-Officer bekämpft bei Atos die Mail-Flut. Mitarbeiter sollen lieber Collaboration-Tools nutzen – oder sich bei einer Tasse Kaffee austauschen.
Swen Rehders ist Executive Vice President Strategic Sales Engeagements (SSE) bei Atos.
Foto: Joachim Wendler

Atos hat sich einen Zero-E-Mail-Officer zugelegt. Bis 2014 will der IT-Dienstleister seinen internen E-Mail-Verkehr gegen Null fahren und auf diesem Wege seine Produktivität um 20 Prozent steigern. Auch Agilität, Mitarbeitermotivation und Kundenzufriedenheit sollen wachsen. Das berichtete zum Auftakt der Hamburger IT-Strategietage 2012 Swen Rehders, bei Atos Executive Vice President Strategic Sales Engagement. „Ich bin davon überzeugt, dass es neue Wege in der Zusammenarbeit braucht“, sagte er. Laut einer britischen Studie gingen einem Unternehmen pro Mitarbeiter rund 14.000 Euro im Jahr durch die Flut unnützer E-Mails verloren.

„Das Problem ist zwar nicht die E-Mail an sich“, so Rehders. „Aber unsere Mitarbeiter wollen, wenn sie morgens zur Arbeit kommen, eigentlich etwas anderes machen.“ Doch dann verbringen manche Manager bis zu vier Stunden am Tag damit, ihre E-Mails zu bearbeiten – obwohl nur eine von zehn wichtiger sei als die Aufgabe, die von der eintreffenden Nachricht unterbrochen wird. Knapp die Hälfte der Atos-Mitarbeiter erhält am Tag über 50 E-Mails, jeder fünfte sogar mehr als hundert. Rehders: „Die wirklich wichtigen, strategischen Dinge werden unterbrochen und dann fehlerhaft oder gar nicht erledigt.“

E-Mail-Flut erhöht den Stress für Mitarbeiter

Angeblich sinkt der IQ sogar durch die Bearbeitung sinnloser Emails doppelt so stark wie beim Konsum von Cannabis. Mitarbeiter sind auch abends daheim auf Empfang, rufen ihre elektronische Post per Blackberry ab. Jeder fünfte Angestellte bei Atos klage über erhöhten Stress durch die riesige Mail-Flut. Vielfach würden Informationen von einzelnen archivert, die in einen großen Topf abgelegt für jeden auffindbar wären. Und das Hin und Her verzögere eine gemeinsame Entscheidungsfindung unnötig.

Ziel der Übung von „Zero E-Mail“ ist allerdings nicht die Rückkehr zur Rohrpost, sondern ein Mix aus neuen Collaboration-Tools und traditionellen Formen der Kommunikation. Mal eben rüber gehen zum Kollegen, der drei Büros weiter sitzt, mit ihm einen Kaffee trinken und vor allem reden – anstatt ihm eine E-Mail zu schicken und zur Sicherheit noch zwei Vorgesetzte auf CC zu setzen. „Manchmal ist es auch wesentlich einfacher, jemanden anzurufen. Wir haben auf dem Smartphone immerhin auch eine Telefon-Funktion.“

„Für viele Kommunikationen sind andere Technologien besser geeignet als E-Mails“, zeigte sich Rehders überzeugt. Atos will sich zwar keine öffentlichen sozialen Netzwerke wie Facebook oder LinkedIn ins Haus holen, arbeitet dafür lieber mit geschlossenen Systemen wie Jive oder dem MS Communicator für die digitale Kommunikation. Systeme, bei denen man auch mit einer Ampel signalisieren kann, dass man gerade nicht gestört werden will. Auch Blogs und Wikis sind für das Unternehmen interessant, um Kommunikationen und Informationen auch später greifbar zu haben.

E-Mail-Verkehr schon um 30 Prozent gesenkt

Swen Rehders auf den Hamburger IT-Strategietagen 2012.
Foto: Joachim Wendler

Ein Projekt-Team wurde auf das Ausmerzen der hausinternen Mails angesetzt. „Glauben Sie mir, das funktioniert nicht mal nebenbei. Das geht nur mit einem Change-Management.“ Top-Down startete der CEO von Atos das Vorhaben vor ziemlich genau einem Jahr, jetzt sind 5000 der weltweit 75.000 Nutzer involviert. Um 30 Prozent sei ihr Mail-Verkehr schon zurückgegangen. Der Zero-E-Mail-Officer sorge dafür, dass das Ziel in den einzelnen Ländern auch umgesetzt wird, „und nicht zu einem Hobby verkommt“.