IT-Anwenderzufriedenheit

Nur übererfüllte Erwartungen schaffen Zufriedenheit

21.09.2009 von Thomas Pelkmann
Uta Hahn, Geschäftsführerin der business group munich (bgm), hat gemeinsam mit CIO und der TU München die IT Excellence Benchmark durchgeführt. Wir sprachen mit ihr über die Definition von Zufriedenheit und über die Einzelbewertungen der Umfrage.

Zufriedenheit ist laut Duden, wenn man nichts anderes verlangt, als man hat. Zufrieden ist demnach auch, wer nichts auszusetzen hat. Was ist Ihre Definition?

Uta Hahn (bgm): Das trifft es wohl ganz gut: Zufriedenheit ist eine Frage von Erwartungen. Wenn alle meine Wünsche erfüllt sind und ich keine zusätzlichen habe, bin ich zufrieden.

Interessanterweise entsteht wahre Kundenbindung jedoch erst durch ein Übererfüllen von Erwartungen. Dieses Modell, das so genannte Confirmation/Disconfirmation-Paradigma, steckt auch hinter der fünfstufigen Skala, die wir bei unserer Befragung verwendet haben.

Die Befragten, die sich für den mittleren Skalenpunkt "zufrieden" entschieden haben, waren mit einer aus ihrer Sicht durchschnittlichen Leistung einverstanden, an der sie nichts auszusetzen hatten Aber hätte es Konkurrenz gegeben, wären das durchaus Wackelkandidaten, die auch über einen Anbieterwechsel nachdenken würden.

Ist Zufriedenheit nicht ein eher schwaches Wort dafür, wie erfolgreich IT im Unternehmen ist? Warum ist ausgerechnet die Zufriedenheit ein geeigneter Gradmesser für den Erfolg von IT-Abteilungen?

Hahn: Die Zufriedenheit der befragten Mitarbeiter in einem Unternehmen gibt darüber Auskunft, wie sie die zur Verfügung gestellten Leistungen und somit auch Prozesse der IT beurteilen. Sind sie damit unzufrieden, haben sie entweder unrealistische Erwartungen, die es zu berichtigen gilt, oder sie geben damit - was häufiger der Fall ist - Ansatzpunkte für Verbesserungen. Ineffiziente Prozesse kosten jedes Unternehmen Geld.

Unzufriedenheit hemmt effektives Arbeiten

Zudem hemmen Ärger und Unzufriedenheit das effektive Arbeiten und sorgen zudem für unproduktiven Unmut unter den Kollegen. Das aber verursacht zusätzliche Kosten. Insofern ist die Zufriedenheit der internen Kunden für mich durchaus ein geeigneter und auch wichtiger Gradmesser.

Wie viel Zufriedenheit darf und wie viel Unzufriedenheit muss es geben, damit die IT sich im Unternehmen weiterentwickeln kann?

Hahn: Ich denke hier gibt es keine verbindliche Richtgröße. Dieser Wert ist situativ und unternehmensindividuell festzulegen.

Bei der Festlegung eines solchen Zielwertes spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Generell gilt, dass man mit beliebig großen IT-Budgets fast alle Mitarbeiter eines Unternehmens mit den Leistungen der IT vollkommen zufrieden stellen könnte, sieht man einmal von einem gewissen Prozentsatz an notorischen Nörglern ab. Das würde aber einen Verzicht auf jegliche Standards bedeuten, außerdem einen weitgehenden Verzicht auf Neuerungen, weil ein Großteil der Mitarbeiter ihr gewohntes IT-Umfeld nicht verlassen möchte. Kurzum: Die totale Zufriedenheit ist eine illusorische Zielsetzung.

Umgekehrt ist es so, dass die IT im Rahmen ihrer Arbeit immer wieder Aktivitäten durchführen muss, die aus Unternehmenssicht sinnvoll sind - etwa die Abschaffung von Einzelplatzdruckern -, die aber bei den Anwendern keine Zustimmung finden. Da muss man davon ausgehen, dass sich die Zufriedenheit der Befragten mit der IT zumindest temporär verschlechtert.

Zufriedene Mitarbeiter sehen über Unpässlichkeiten eher hinweg

Eine große Rolle spielen auch frühere Erfahrungen der Befragten mit ihrer IT-Abteilung: Waren die Mitarbeiter in den vorangegangenen Jahren mit ihrer IT zufrieden, sehen sie auch mal über gewisse Unpässlichkeiten hinweg, die IT-Abteilung hat sozusagen einen Vertrauensvorschuss. Gab es aber kontinuierlich Anlass für Unzufriedenheit, hat ein schlechter Zufriedenheitswert selbst bei großen Anstrengungen der IT eine gewisse Stabilität.

Da werden die Befragten in der Regel erstmal abwarten, ob sich die Zusammenarbeit mit der IT nachhaltig verbessert hat, bevor sie deutlich höhere Zufriedenheitsnoten vergeben.

Zufriedenheit - darunter versteht jeder im Detail etwas anderes. Wie wichtig ist der subjektive Faktor bei den Umfragen und wie sehr verfälscht dieser Faktor die Ergebnisse?

Hahn: Zufriedenheit ist generell eine höchst subjektive Angelegenheit. Bewertungsprozesse laufen grundsätzlich sehr individuell ab, weil persönliche Einstellungen, Erfahrungen und Verhaltensmuster eine entscheidende Rolle spielen.

Wir glauben ja, dass wir Dinge rein rational mit unserem Großhirn beurteilen, auf das wir so stolz sind. Dagegen zeigt uns die Neuropsychologie, dass unsere Entscheidungen ganz anders zustande kommen. Da spielt bei allem, was wir tun, das Stammhirn eine entscheidende Rolle.

Das bedeutet: In diesem Bereich ist kaum mit einer objektiven Bewertung zu rechnen. Stattdessen müssen wir mit einer Summe von subjektiven, individuellen Einzelbewertungen umgehen. Allerdings ergeben unternehmensweite Befragungen in der Summe der subjektiven Einzelurteile doch wieder vergleichbare Durchschnittswerte.

Sie führen die IT Excellence Benchmark und Ihr ausführliches IT-Barometer seit einigen Jahren durch. Wie wichtig sind die damit mögliche Längsschnittvergleiche über mehrere Jahre? Und wie wichtig ist es für Unternehmen, regelmäßig daran teilzunehmen?

Hahn: Die Teilnahme weckt bei den Befragten automatisch Erwartungen nach Verbesserungsmaßnahmen. Keiner möchte, dass es sich um eine einmalige Statusabfrage handelt. In diesem Sinne ist die Befragung meistens der Auftakt zu einem kontinuierlichen Prozess, in dem immer wieder nachgefragt, was optimiert werden kann und kontrolliert wird, ob bereits ergriffene Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielt haben.

Zufriedenheit lässt sich kontinuierlich steigern

Ich habe bei allen meinen Kunden die Erfahrung gemacht, dass sich dadurch die Zufriedenheit der internen Kunden kontinuierlich steigern lässt. Allerdings ist der Schlüssel zum Erfolg das konsequente Umsetzen von Verbesserungsmaßnahmen; die bloße regelmäßige Durchführung von Befragungen reicht nicht aus. Im Gegenteil: Wer seine Mitarbeiter nur befragt, ohne dann über erzielte Ergebnisse und geplante Maßnahmen zu informieren, handelt kontraproduktiv, weil er die Erwartungen seiner Kunden enttäuscht.

Die Durchschnittsnote der diesjährigen Befragung war mit 2,58 exakt die gleiche wie im Vorjahr. Ist das Zufall?

Hahn: Der Zufriedenheitswert scheint sich auf einem repräsentativen Durchschnitt einzupendeln, so dass man das als Richtwert verwenden kann.

Das Management bewertet die IT-Abteilungen kritischer als die Mitarbeiter

Die Bewertung nach Führungsebenen ergibt: Das Management äußert sich kritischer über die IT als die Mitarbeiter. Woran liegt das?

Hahn: Das hängt sicherlich mit unterschiedlichen Erwartungen an die IT zusammen: Ein Großteil der Anwender ist offenbar damit zufrieden, dass ihre Arbeitsplatzumgebung läuft. Das Management hat zusätzliche Erwartungen, etwa an eine effektive Unterstützung der Geschäftsprozesse. Das zu erfüllen, ist anspruchsvoller. Und - wie schon gesagt: Nicht erfüllte Erwartungen erzeugen Unzufriedenheit.

Wichtig für die Zufriedenheit der Anwender ist das Kommunikationsverhalten der IT. Ist es wirklich so einfach, die Mitarbeiter zufrieden zu stellen?

Hahn: Es gibt einen schönen Satz: "Kommunikation ist nicht alles, aber ohne Kommunikation ist alles nichts". Dies gilt auch für die IT-Abteilung. Ich habe schon oft erlebt, dass mangelhafte Kommunikation zur Unzufriedenheit mit eigentlich guten Leistungen führen kann.

Nehmen wir zum Beispiel die Kommunikation während eines Problemlösungsprozesses: Inwieweit wird der Anwender informiert, dass man mit der Lösung seines Problems beschäftigt ist? Wenn ich als User nicht genau weiß, ob man sich tatsächlich damit auseinandersetzt, fühle ich mich schnell allein gelassen und werde unzufrieden. Und das, obwohl die IT vielleicht tatsächlich mit Hochdruck daran arbeitet, um mir zu helfen.

Kommunikation sorgt für zufriedene Kunden

Ich habe schon einige IT-Mitarbeiter auf solche Probleme angesprochen und häufig die Antwort bekommen: "Wozu soll ich denn Bescheid sagen, damit geht es auch nicht schneller." Stimmt! Der Unterschied ist, dass ich dem Anwender durch dieses Bisschen gezielte Kommunikation Vertrauen geben kann und dadurch auch Verständnis erzeuge.

Mit Kommunikation habe ich also tendenziell einen zufriedenen Kunden, ohne Kommunikation mit dem gleichen Problemlösungs-Engagement und -erfolg einen unzufriedenen.

Vielen Dank für das Interview.