Verluste durch starren Arbeitsmarkt

Offshoring kann Entwicklung anstoßen

30.07.2004 von Michael Kallus
Die USA profitieren vom Offshoring, Deutschland nicht. Das liegt vor allem am unflexiblen Arbeitsmarkt hierzulande. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von McKinsey, die versucht, Gewinne und Verluste in Beträge zu fassen.

Mit jedem Dollar, den ein US-Unternehmen im Ausland investiert, gewinnt die Wirtschaft der USA 1,13 Dollar. Für jeden Euro, den ein deutsches Unternehmen im Ausland ausgibt, erhält die Wirtschaft in Deutschland hingegen nur 80 Cent zurück. Das hat McKinsey ausgerechnet, indem es gesamtwirtschaftliche Daten analysiert.

Die Analyse teilt Gewinne in direkte und indirekte auf. Unter den direkten Gewinnen (siehe auch Grafik rechts) erfasst McKinsey den Betrag, den Unternehmen durch das Outsourcing im Durchschnitt sparen und die Summe, die steigende Exporte in Offshoring-Länder bringen. Hinzu kommen Gewinne, wenn heimische Unternehmen sich an Offshoring-Firmen beteiligen.

Direkte Gewinne durch Outsourcing

In den USA, so McKinsey, sparen Unternehmen 58 Cent für jeden Dollar, den sie für IT-Dienstleistungen in Indien ausgeben. Das können sie beispielsweise in neue, höherwertige Produkte investieren. Sie können ihre Preise senken (was die Nachfrage erhöht) oder den Gewinn an Aktionäre weiterreichen.

Deutsche Firmen würden nur 52 Cent sparen, wenn sie einen Euro nach Indien auslagern. Das liegt laut McKinsey an Sprach- und Kulturunterschieden, die das Management von Outsourcing-Projekten verteuern.

Aber tatsächlich wenden sich deutsche Unternehmen viel mehr nach Osteuropa. Und dort könne man nicht so viel sparen wie in Indien: Löhne und Kosten für Infrastruktur sind deutlich höher. McKinsey rechnet in seiner Analyse, dass deutsche Unternehmen im Schnitt 48 Cent für jeden Euro sparen, den sie in Osteuropa einsetzen.

Outsourcing hilft den Exporten

Offshoring fördert laut McKinsey die Exporte. Outsourcing-Provider kaufen Waren und Dienstleistungen oft im Ausland. McKinsey schätzt, dass der US-Export für jeden Dollar, den ein US-Unternehmen in Indien einsetzt, um 5 Cent zunimmt. Als Beispiel zitiert die Analyse die Exporte der USA nach Indien, die von 2000 bis 2003 von 3,7 auf 5 Milliarden Dollar gestiegen sind.

In Europa, so die Analyse, steigt der Export nicht so stark, denn die USA dominiert den Markt für PCs, Drucker und Software. McKinsey rechnet damit, dass die deutschen Exporte für jeden in Indien oder Osteuropa investierten Euro um 3 Cent zunehmen.

Gewinne von ausländischen Töchtern

US-Unternehmen sind an indischen Firmen beteiligt, die insgesamt 30 Prozent der Umsätze des indischen IT-Offshoring-Markts einnehmen. Mit den Gewinnen dieser Firmen würden laut Analyse für jeden investierten Dollar weitere 4 Cent in die USA zurück fließen.

Deutsche Firmen engagieren sich nur marginal in osteuropäische oder indische IT-Offshore-Unternehmen. Ein Rückfluss findet nicht statt.

Addiert man die direkten Gewinne, zeigt sich: Die USA erhalten für jeden in Indien investierten Dollar 67 Cent zurück. Pro Euro den ein deutsches Unternehmen in Osteuropa ausgibt, fließen 51 Cent zurück. Zu den direkten Gewinnen zählt die Analyse die indirekten hinzu.

Der entscheidende Unterschied: die Arbeitsmärkte

Viele Angestellte in den USA, deren Jobs ausgelagert wurden, haben später eine besser bezahlte Stelle gefunden, so die Analyse. McKinsey zitiert eine Studie des Internationalen Wirtschaftsinstituts, nach der 69 Prozent der gekündigten Arbeiter zwischen 1979 und 1999 innerhalb eines halben Jahres wieder beschäftigt waren.

Wenn eine Wirtschaft wächst, verschwinden manche Arten von Jobs, andere entstehen. Die Analyse verweist hier auf Auto-Monteure, die Kutschenhersteller ersetzt oder auf Fabrikarbeiter, die Landwirte verdrängt hätten. Und 20 Jahre zuvor hätte kaum einer mit Tausenden von Jobs in der Mobilfunkbranche gerechnet.

Selbst wenn die Wiederbeschäftigung auf der derzeitigen Rate verbleibt, folgert McKinsey, hat die amerikanische Wirtschaft für jeden ausgelagerten Dollar 45 bis 47 Cent zurück erhalten. Diese Schätzung gelte für einen langen Zeitraum und sei sogar eher konservativ ausgefallen – aber Service-Mitarbeiter im Anzug würden einfach mehr verdienen als Fabrikarbeiter.

In Deutschland jedoch sind 4,3 Millionen arbeitslos und es gibt nur wenige neue Stellen. McKinsey schätzt, dass die Wiederbeschäftigungsrate bei IT-Angestellten unter 40 Prozent liegt. Auf lange Sicht gerechnet hat Deutschland bei den indirekten Kosten daher nur 29 Cent pro Euro gewonnen.

Rechnet man die direkten und indirekten Gewinne zusammen, zeigt sich, dass Deutschland für jeden Euro, der für Offshoring ausgegeben wird, 20 Cent verliert (siehe Grafik auf der vorhergehenden Seite).

McKinseys Perspektive für Offshoring

Offshoring bietet Unternehmen die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren, und mit dem gesparten Geld neue Produkte zu entwickeln und sie effizienter zu produzieren. McKinsey folgert daraus: Offshoring kann Entwicklungen anstoßen und man sollte es nicht als ökonomische Bedrohung verstehen. Eine höhere Produktivität vernichtet keine Stellen, sondern schafft sie, so die Analyse.

Daher fordert McKinsey, die Politik in Deutschland müsse den Arbeitsmarkt flexibel gestalten. Der Kündigungsschutz würde zum Beispiel viele Firmen hemmen, Stellen neu zu besetzen.

Das starre System der Lohnfindung sorgt für hohe Gehälter. Das schafft jedoch nur ein mäßiges Arbeitsplatzwachstum, da kaum niedriger bezahlte Jobs entstehen. Und höher bezahlte Stellen entstehen automatisch, so McKinsey, sobald Firmen die Vorteile des Offshoring nutzen. Nur welche Jobs das sein werden, das könne man im Voraus noch nicht sagen.

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