Smartphone-Nutzung

Ohne ständigen E-Mail-Zugriff gehts nicht

01.09.2011 von Thomas Pelkmann
Schlichtes Internet per Handy war gestern. Eine Accenture-Studie zeigt Wege zum Mobile Computing. Wie wir das Smartphone als Rechner-Ersatz nutzen.
Das mobile Internet nimmt an Beliebtheit zu, hat Accenture in einer Umfrage in Deutschland, Österreich und der Schweiz herausgefunden.
Foto: Fraunhofer IGD

Immer mehr Menschen, hat Accenture in der Studie "Mobile Web Watch 2011" herausgefunden, machen sich unabhängig vom stationären Web. Allein in Deutschland gehen bereits 14 Millionen Internetnutzer mobil ins Netz - Tendenz weiter steigend. Das sind fünfmal mehr als noch 2008. Für die Studie hat Accenture mehr als 4.000 Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

Der Trend hin zu "Mobile Computing" verändert die Art des Arbeitens und des Konsumierens "massiv", wie Accenture meint: Mobile, über das Netz bezogene Services haben sich inzwischen fest im Alltag vieler Nutzer etabliert. "Sie greifen mobil auf soziale Netzwerke zu, kaufen per Handy ein und navigieren mit ortsbezogenen Diensten durch den Alltag". Geprägt werde diese Entwicklung vor allem durch die Generation der nach 1990 Geborenen, den sogenannten Digital Natives.

Jeder dritte Deutsche surft mobil im Netz

Fast jeder dritte Internet-Surfer (28 Prozent) in Deutschland surft mobil im Netz, so die Accenture-Zahlen. In der wirtschaftlich unsicheren Zeit von 2009 bis 2010 seien nur wenige Nutzer dazu gekommen, während es allein von 2010 bis 2011 einen Zuwachs von sieben Millionen und damit um elf Prozentpunkte gegeben hat. Im Vergleich zu den an Bewohnern sehr viel kleineren Nachbarstaaten liegen die Quoten in Deutschland aber im niedrigen Bereich: In Österreich surfen 42 Prozent mobil, in der Schweiz gar 44 Prozent.

Mehr als die Hälfte der mobilen Nutzer surfen mindestens täglich im mobilen Web (58 Prozent). Das ist über ein Drittel mehr (35 Prozent), als noch vor einem Jahr. Jugendliche und Geschäftskunden nutzen dabei das mobile Web am häufigsten. Männer besitzen zwar eher ein internetfähiges Smartphone als Frauen und benutzen das Handy auch häufiger dafür. In den Online-Communities des Web sind weibliche Nutzer aber schon in der Mehrzahl.

Jeder dritte Smartphone-Nutzer in Deutschland kauft bereits mit seinem Handy ein. Im Vorjahr 2010 tat das nur jeder Zehnte. Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil derer, die mit dem Handy Preise vergleichen und Bankgeschäfte erledigen. "Der Durchbruch von Mobile Payment", schlussfolgert Accenture, "ist damit nur noch eine Frage der Zeit."

Internet-Devices sind höchstens zwei Jahre alt

Nicht nur die Nutzer sind es, auch das mobile Web ist jung: Etwa jedes dritte der privat genutzten Smartphones (30 Prozent) ist nicht einmal ein Jahr, 60 Prozent keine zwei Jahre alt. Drei Prozent - also noch ausbaufähig - hatten zum Erhebungszeitraum im Januar dieses Jahres ein Tablet-PC "der iPad-Klasse".

Accenture zählt Apps zu den "tragenden Säulen mobiler Internetnutzung" - immerhin knapp acht von zehn Anwendern (77 Prozent) verwenden die kleinen Programme. Im Geschäftsumfeld werde aber kaum damit gearbeitet - "wohl aufgrund mangelnder Angebote". Her werden Apps nur von 31 Prozent der Befragten verwendet.

Hausaufgaben für Anbieter mobiler Inhalte

Für die Anbieter von Geräten und Diensten hält Accenture noch Ratschläge bereit: Die Konzepte für mobile Werbung müssten überprüft werden, denn sie werde vor allem als störend empfunden. Nur bei Jugendlichen stießen diese Werbeformen auf "verhaltene Akzeptanz". Die Top 3 der negativen Werbeformate in allen Altersgruppen sind laut Accenture SMS (84 Prozent), Werbebanner (83 Prozent) und Einblendung von Sonderangeboten in nahen Geschäften (61 Prozent).

Die größte Akzeptanz über alle Zielgruppen hinweg haben Sonderangebote, die die User während des Aufenthalts in einem Geschäft erreichen (lediglich 42 Prozent nehmen sie als störend wahr) und Coupons (hier liegt der Wert bei 34 Prozent).

Auch bei der Sicherheit müsse nachgebessert werden, fordert Accenture: Immer mehr Anwender würden entsprechende Bedenken äußern. Jeder zweite befürchte zum Beispiel, dass Bewegungsdaten ohne sein Wissen übertragen und gespeichert würden. Im Vorjahr äußerte nur jeder dritte Befragte diese Sorge. Das Schnüffeln nach Zugangsdaten (48 Prozent) und Ängste vor Ausspionieren vertraulicher Informationen (47 Prozent) folgen auf den Plätzen.

Geräteübergreifender Zugriff auf Inhalte fehlt noch weitgehend

Schließlich sei es ein wichtiges Anliegen der Anwender, geräteübergreifenden Zugriff auf aktuelle, persönliche Daten zu haben. Als besonders wichtig wird dabei die Verfügbarkeit von Kalendereinträgen, Kontakten und E-Mails, sowohl im privaten wie im geschäftlichen Umfeld, bewertet. Zwei Drittel der Befragten halten eine Synchronisation dieser Daten zwischen Mobiltelefon und Desktop-PC, Laptop oder Netbook für alle Formen von Datentypen fu?r wichtig.

Daten zur beruflichen Nutzung des Internet

Für viele Berufstätige, hat Accenture herausgefunden, scheint der permanente Zugriff auf E-Mails und Dokumente mittlerweile unentbehrlich geworden zu sein. Mehr als jeder Zweite, der in Deutschland aus beruflichen Gründen ein Smartphone besitzt, verwendet es auch für den Zugriff auf mobile Internet-Dienste. Bei den reinen Privatnutzern ist das nur jeder Vierte (25 Prozent).

Im Job sind auch deutlich jüngere Geräte im Einsatz: 40 Prozent sind nicht einmal ein Jahr alt (29 Prozent im Privatsektor). Das geringe Lebensalter der Geräte beeinflusst den Herstellermarkt entscheidend: Hier holt Apple auf und belegt mit 18 Prozent schon Platz zwei hinter Nokia, das mit 37 Prozent zwar vorne liegt, aber an Anteilen einbüßt. Auf Platz drei liegt RIM mit Blackberry und 16 Prozent Marktanteil.

Auch in den Gerätekategorien gibt es Verschiebungen: "64 Prozent der Befragten", schreibt Accenture, greifen "überhaupt nicht mehr auf Alternativen wie Netbooks oder Laptops zurück, um mobil zu surfen". Bei der privaten Nutzung sind es dagegen nur 47 Prozent.

Die Macht von Social Media

Zum Aufschwung des mobilen Webs tragen auch die sozialen Netzwerke, allen voran Facebook, bei. In diesem Jahr registrierte Facebook 250.000 mobile Nutzer, während es 2010 nur rund 100.000 waren, die mit einem Smartphone oder Tablet-PCs netzwerkten. Dazu kommen sogenannte standortbezogene Netzwerke wie Foursquare, die ihren Nutzern räumlich naheliegende Services anbieten. Beide Kategorien werden vor allem von jungen Surfern genutzt, was auf einen weiteren Aufschwung in den kommenden Jahren hindeutet.

"Mobile Computing bietet Unternehmen eine Menge Chancen, effizienter zu arbeiten und sich neue Umsatzfelder zu erschließen", kommentiert Nikolaus Mohr, Managing Director Communications & High Tech bei Accenture Deutschland in einem Interview (Auszüge daraus: Siehe Kasten). "Es setzt sie aber gleichzeitig gewaltig unter Druck, sich intensiv mit der Entwicklung auseinanderzusetzen."

"Herkömmliche Abläufe werden auf den Kopf gestellt"

Nikolaus Mohr
Foto: Accenture

Nikolaus Mohr ist Managing Director Communications & High Tech bei Accenture Deutschland. Er kommentiert im Rahmen der Studie in einem Interview die Ergebnisse der Studie. Wir veröffentlichen Auszüge aus dem Gespräch.

Nikolaus Mohr: Die Mobile Computing Evolution führt zu einer anderen Form des sozialen Miteinanders und dazu, dass herkömmliche Abläufe auf den Kopf gestellt werden. Besonders betroffen sind Geschäftsprozesse in Unternehmen. Es macht einen gewaltigen Unterschied bei der Wissensgewinnung und Reaktionsfähigkeit, wenn ich von unterwegs ohne Zeitverzug Informationen in eine Community einspeise, die auch noch im unmittelbaren Zusammenhang mit meinem Aufenthaltsort zusammenhängen. Auf Unternehmen aller Branchen kommen deshalb Umwälzungen zu. Was wir in den nächsten Jahren sehen werden, ist vergleichbar mit der Einführung des Computers oder dem Siegeszug des Internets.

Mobile Computing bietet Unternehmen eine Menge Chancen, effizienter zu arbeiten und sich neue Umsatzfelder zu erschließen. Es setzt sie aber gleichzeitig gewaltig unter Druck, sich intensiv mit der Entwicklung auseinanderzusetzen.

Sie haben den Einfluss von Mobile Computing auf viele Branchen betont. Wie sollten sich diese Unternehmen auf den wachsenden Einfluss von Mobile Computing einstellen?

Mohr: Mobile Computing verändert die Art des Arbeitens und des Konsumierens. Deshalb bedeutet es einen Wandel vor allem in zwei Bereichen: erstens den Geschäftsprozessen und zweitens den Produkten und Dienstleistungen. Egal, ob in der Automobilbranche, im Gesundheitsbereich oder bei einem Energieversorger, und egal, ob im Vertrieb, in der Produktentwicklung oder im Service. Dieser Wandel muss über alle Firmenbereiche hinweg konsequent angegangen werden. Die Herausforderung besteht darin, neue Produkte und Services zu entwickeln und sie in interne Prozesse und Strukturen zu integrieren. Das bedeutet aber auch, dass besonders Vertrieb, Marketing und Produktentwicklung gemeinsam mit der IT viel stärker und früher in die Entwicklung einbezogen werden.

Gralshüter der technischen Entwicklung in Unternehmen sind bislang die IT-Abteilungen. Was sollten CIOs beachten?

Mohr: Aus der Dynamik der mobilen Evolution folgen zwei wesentliche Punkte: Zum einen rückt die IT wesentlich näher an Produktentwicklung und Marketing. Dafür wird sie sich extrem umstellen müssen, trotz aller Sicherheitsbedenken. Das gilt bei der Integration neuer Betriebssysteme, das gilt ebenso dann, wenn es darum geht, eine aktivere Rolle bei der Entwicklung neuer Produkte und Services einzunehmen. Gerade für diesen Punkt brauchen Firmen "kreative Entwickler" mit dem für die Effizienzsteigerung und die Erlösseite ihrer Entwicklungen notwendigen Weitblick.

Unverzichtbar ist außerdem Kompetenz im Bereich Business Analytics, als auch darin, Daten zu geschäftsrelevanten Informationen zu machen. Schließlich muss die IT es ermöglichen, offene und sichere Schnittstellen zuzulassen, damit die Unternehmen bei der Suche nach neuen digitalen Produkten und Diensten an der "Kreativität der Welt" teilhaben können.

Zweitens muss sich die IT aber auch damit auseinandersetzen, dass Mitarbeiter neue Anforderungen an die Aktualität ihrer Computer und sonstigen Geräte stellen. Denn in privater Umgebung sind sie bereits gewohnt, die neusten Geräte und Dienste zu nutzen, die in vielen Unternehmen noch nicht erlaubt sind.