Welche Skills gefragt sind

Panikmache um Jobkiller Cloud Computing

17.11.2011 von Werner Kurzlechner
IT-Profis bangen um ihren Arbeitsplatz, weil Analysten die Cloud als Jobkiller skizzieren. Der CEO vom Berater HyperStratus hält das für Quatsch.
Szene aus dem Kinofilm "Desk Set": Katherine Hepburn sorgt sich darüber, dass der Fortschritt Arbeitsplätze kostet - wie derzeit die Analysten von Gartner. HyperStratus-Berater Bernard Golden tritt dem entgegen - wie dereinst Spencer Tracy.
Foto: CIO.com

Der Film „Desk Set“ – in deutscher Übersetzung „Eine Frau, die alles kennt“ – mit Katherine Hepburn und Spencer Tracy ist von 1957. Hollywood-Ikone Hepburn spielt darin eine von technologischer Entwicklung eingeschüchterte Angestellte, die wegen geplanter Automatisierung in ihrer Firma um den Job fürchtet. An diese symptomatische Geschichte fühlt sich Bernard Golden, CEO des Beratungshauses HyperStratus und Autor des Bestsellers „Virtualization for Dummies“, durch die aktuelle Sorge vor Cloud Computing als IT-Jobkiller erinnert. Er sei sich sicher, dass die Zahl der sogenannten Wissensarbeiter trotz massiver Computerisierung seit 1957 deutlich explodiert sei, schreibt Golden in einem Gastkommentar für unsere amerikanische Schwesterpublikation CIO.com.

Goldens These: So wie technologischer Fortschritt wie etwa die Automatisierung von einstmals manuellen Tätigkeiten auf Dauer immer neue Jobs geschaffen hat, wird es auch im Falle von Cloud Computing der Fall sein. In seinem Kommentar widerspricht Golden dezidiert den vielen Panikmachern, die innerhalb der IT-Community Angst vor großflächigem Outsourcing in die Wolke schüren. Dazu zählen neben diversen Blogs und Artikeln auch die Analysten von Gartner, die kürzlich auf einem Symposium einen Nettoverlust von IT-Jobs prognostizierten. „Ich bin keiner, der Gartners Weisheit in Frage stellt“, kontert nun Golden. „Aber ich glaube, den Marktforschern unterläuft ein gängiger Fehler in der Bewertung von Innovation (auch bekannt als ‚kreative Zerstörung‘).“

Das Argument der Skeptiker fasst Golden so zusammen: Cloud Computing automatisiere Tätigkeiten, die bisher von Menschen ausgeführt wurden. Diese Arbeitskräfte würden hinterher nicht mehr benötigt. Und CIOs, die ihre Abteilung für ineffizient und überteuert halten, würden eben deshalb anfangen, ihre Leute auf die Straße zu setzen.

Bedarf an IT-Spezialisten wird steigen

Golden hält dem wirtschaftshistorische und -theoretische Erkenntnisse entgegen. Verkannt würde von Gartner und Konsorten, dass derartige Entwicklungen immer in einem dynamischen Umfeld stattfänden. Deshalb sei zu erwarten, dass die Verbilligung von IT-Leistungen durch Cloud Computing den Konsum von computerbasierten Dienstleistungen signifikant erhöhen werde – mit dadurch letztlich erhöhtem Bedarf an IT-Spezialisten.

Der HyperStratus-Chef zitiert den neoklassischen Ökonomen William Stanley Jevons. Dessen berühmtes Paradoxon – beobachtet im Zeitalter der Industriellen Revolution – laute, dass effizienzsteigernder technologischer Fortschritt den Verbrauch der betroffenen Ressourcen nicht verringere, sondern tendenziell erhöhe. Eine andere Formulierung dieses Phänomens ist die von der „Preiselastizität der Nachfrage“, die bei sinkenden Preisen eine gewissermaßen überschießende Erhöhung der Nachfrage erwarten lässt.

Gute Aussichten für BCM-Strategen

Gerade die Entwicklung der IT bestätige diese Theorie empirisch auf mustergültige Weise, so Golden. Als die Computerpreise fielen, habe die massive Substitution von Arbeit durch Technologie begonnen. Microsoft Word habe es beispielweise überflüssig gemacht, einen Pool an Schreibkräften zu unterhalten. Payroll-Systeme haben Lohnbuchhalter arbeitslos gemacht. Parallel dazu entstanden indes IT-Abteilungen und andere neue Jobs.

Cloud Computing mache es nun nicht nur günstiger, sondern auch einfacher, IT-Ressourcen zu nutzen. Statt virtuelle Maschinen per E-Mail-Bestellung einzukaufen, genüge nun das Ausfüllen eines Formulars im Internet, so Golden. Das führe dazu, dass mehr denn je virtuelle Maschinen genutzt werden. Der durch Cloud Computing veranlasste Verlust von IT-Jobs werde deshalb überkompensiert durch den ebenfalls dadurch bedingten Wachstumsschub für die IT-Services und die neuen Stellen, die durch Cloud-Umwelten und -Applikationen entstehen.

Das bedeutet laut HyperStratus durchaus nicht, dass die Jobsicherheit von weniger gut ausgebildeten und anpassungsfähigen IT-Spezialisten nicht in massiver Gefahr sei. Praktiken, Prozesse und Anforderungsprofile werden laut Golden anspruchsvoller, als das heute der Fall ist. „Wir glauben aber fest daran, dass jeder fähige IT-Mitarbeiter, der lernwillig ist, vor einer rosigen Zukunft steht“, proklamiert der Beratungsexperte.

7 gesuchte IT-Fähigkeiten

Golden nennt in zwei Großgebieten sieben illustrierende Beispiele, welche IT-Profis besonders profitieren dürften. Bei den Applikationen nennt er erstens Enterprise-Architekten, die gewissermaßen als Dirigenten der Cloud Computing-Umwelten agierten. Für die spezifischen Lösungen seien zweitens Application-Architekten zuständig. Zu deren Schlüsselfertigkeiten gehören laut Golden das Verteilen von Applikationen auf die Interfaces, die Auswahl von Applikations-Objekten für Content Delivery Networks und die Entwicklung von Business Continuity- und Disaster Recovery-Strategien. Ferner werden nach Einschätzung des Experten drittens Storage- und Data-Architekten besonders gefragt sein, viertens Software Engineers.

Im Operations-Bereich nennt Golden als Jobs mit Zukunft Kostenanalysten, Kapazitätsplaner und Systemadministratoren 2.0,die mit Automatisierungstools wie Chef und Puppet umgehen und Monitoring-Systeme für elastische und geographisch verteilte Anwendungen entwickeln können.

Keine Entvölkerung in der IT

„Die Jobtitel und Profile mögen anders sein, aber die Zahl der IT-Mitarbeiter wird weitaus größer sein als heute“, lautet Goldens Fazit. „Wer für die Zukunft IT-Geisterstädte prophezeit, hat die tatsächlichen Effekte von Cloud Computing nicht verstanden.“