Checkliste

Perfekt in die neue Führungsposition starten

13.06.2023 von Bianca Fuhrmann
Fehler Nummer eins in neuer Führungsposition ist der fehlende Abschluss. Nur wer das Alte beendet, kann die ersten 100 Tage im neuen Team optimal nutzen.
Wer durchstarten will, muss das Alte hinter sich lassen.
Foto: Who is Danny - shutterstock.com

Die ersten 100 Tage sind für Führungskräfte in neuer Position die wichtigsten. In diesem Zeitraum haben sie die beste Möglichkeit, ihr Team neu auszurichten. Danach wird es schwieriger, wenn die Basis für eine Veränderung nicht geschaffen wurde. Deshalb sind Change Management und Teamentwicklung in den ersten drei Monaten die Kernaufgabe einer neuen Führungskraft, um später eine schlagkräftige und loyale Mannschaft hinter sich stehen zu haben.

Doch um gemeinsam etwas Neues zu beginnen, müssen sowohl Manager als auch das Team das Alte hinter sich lassen. Diesen Abschluss für beide Seiten aktiv zu gestalten, muss immer der erste Schritt sein. Oft wird er jedoch nicht getan. Das rächt sich später, weil immer wieder dieselben Fehler begangen werden. Dabei versteht die Führungskraft nicht, wie es so weit kommen konnte, sitzt sie doch dem Trugschluss auf, dass in der neuen Position alles anders wird.

Bevor sich Führungskräfte mit der kommenden Aufgabe und dem neuen Team befassen, müssen sie selbst mit ihrer alten Stelle abschließen. Allerdings machen viele den Fehler, sich in ihrer aktuellen Stelle schon mit den neuen Aufgaben zu beschäftigen. Sie denken beispielsweise bereits über die strategische Neuausrichtung nach oder nehmen an Telefonkonferenzen und Workshops teil, die ihren künftigen Bereich betreffen.

Das ist alles verständlich und menschlich, aber so verpassen sie den Übergang von der "alten Welt" in die "neue Welt", weil sie gedanklich schon in den neuen Job springen. Das führt dazu, dass sie ihr Leistung im bisherigen Job nicht würdigen, aber auch kein Fehlerbewusstsein erzeugen. Gerade Letzteres ist aber fatal, weil sie alte Fehler deshalb immer wieder neu begehen.

Der Rückblick bestimmt den Anfang

Daher ist es essenziell, kritisch zu reflektieren und sich mit dem noch aktuellen Job auseinanderzusetzen. Für den Neustart sind folgende Lessons-Learned-Checkliste und Fragen hilfreich:

1. Welche Leistungen und Erfolge können Sie verbuchen?

2. Welche Situationen haben Sie besonders gut gemeistert?

3. Wo hatten Sie Probleme?

4. Welche Risiken haben Sie übersehen?

5. Welche Chancen haben Sie nicht wahrgenommen?

6. Was würden Sie mit Ihrer heutigen Erfahrung in der Vergangenheit anders machen?

7. Was können Sie aus Ihrer alten Führungsposition lernen?

8. Welche Erfahrungen nehmen Sie mit in die neue Position?

9. Welche Fehler werden Sie zukünftig vermeiden?

10. Welche Frühwarnindikatoren können Sie für sich in der neuen Position aufstellen?

Mithilfe dieser Checkliste gelingt es, unter der alten Position einen Schlussstrich zu ziehen und mit geschärften Sinnen die neue anzutreten. Auch mit dem alten Team sollten Führungskräfte Abschlussgespräche führen. So erfahren sie vielleicht noch etwas über ihr Führungsverhalten, was ihnen bisher nicht bewusst war.

Die häufigsten Fehler neuer Chefs und Führungskräfte
Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben.
Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden.
Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen.
Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren.
Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus.
Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche.
Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.

Neuanfang mit Vertrauensbonus

Wer kennt das nicht: Der neue Chef ist da und es entsteht der Eindruck, Dinge werden nur um der Veränderung willen geändert. Viele Führungskräfte glauben, gleich zu Beginn "Duftmarken" setzen und strategische Pflöcke einschlagen zu müssen, um dem Team zu zeigen, dass "ein neuer Sheriff in der Stadt ist". Als erstes muss jedoch das Vertrauen der Teammitglieder gewonnen werden, was mit der Sheriff-Methode nicht funktioniert. Wer hier den Drill-Sergeant gibt, wird schnell auf Widerstand stoßen.

Vielmehr sollten sich Führungskräfte die Zeit nehmen, ihre neuen Mitarbeiter in Einzel- und Teamgesprächen kennenzulernen und zu hinterfragen: Wie ticken die Mitarbeiter? Wie war es unter dem Vorgänger? Was ist gut gelaufen und was nicht? Was will jeder Einzelne? Welche Erwartungshaltung hat jeder Einzelne an die neue Führungskraft? Hier gilt es für den neuen Vorgesetzten aufmerksam zuhören und sich ein möglichst präzises Bild zu machen, um eine gemeinsame Basis für die Zukunft entwickeln zu können.

Es geht darum, die früheren Leistungen des Teams zu würdigen, gleichzeitig aber auch das Bewusstsein für die neue Teamleitung zu schärfen. Aber auch das Team muss den Freiraum bekommen, sich von der alten Führung zu lösen. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Alten ist der erste Schritt hin zum Neuen. So können Führungskräfte eine neue Strategie entwickeln.

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.

Bei stark gewachsenen Unternehmen hört man bei solchen Teamgesprächen oftmals heraus: "Wir wollen, dass es wieder so wird wie früher, als wir noch ein Startup waren." Hier müssen Manager klarstellen, dass die Zeit nicht stillsteht und sich neue Verantwortlichkeiten eingestellt haben.

Klarheit für Zukunft schaffen

Die neue Führungskraft und das Team müssen ihre jeweilige alte Welt hinter sich lassen, um gemeinsam eine neue beschreiten zu können. Das heißt für die neue Autorität, Aufgaben bei Bedarf sinnvoll neu zu verteilen, die beidseitigen Erwartungshaltungen zu klären und zusammen mit dem Team eine eigene Vision zu entwickeln.

Starke Führungskräfte sind im Alltag der Fels in der Brandung. Aber es ist auch ganz normal, dass sie sich beim Wechsel in eine andere Position selbst erst neu justieren und stabilisieren müssen. Orientierung und Sicherheit schaffen Vorgesetzte durch Klarheit, konsequentes Handeln und einen Vertrauensbonus. Innere Klarheit erreicht man durch Reflexion, indem man aus Fehlern lernt, die Zukunft vorausdenkt und dabei die Realität stets im Auge behält. So aufgestellt, gewinnen Führungskräfte ihre Mitarbeiter für sich und starten gemeinsam mit dem Team erfolgreich durch.