Gehälter in der IT-Branche

Personalkosten mit Bodenhaftung

03.06.2002 von Lars Reppesgaard
Die Konjunkturkrise ist auch eine des IT-Arbeitsmarkts. Wer jetzt Spitzenpersonal braucht, hat deshalb gute Karten: Gesuchte Experten zeigen sich beim Gehalt ungewohnt verhandlungsbereit.

"Die E-Mail-Bewerbungen reichen schon weitgehend aus, um unseren Bedarf zu decken", sagt Georgia Skorczyk, Personalleiterin bei der Techniker Krankenkasse. Auch Heinz-Gerd Suelmann, Director Human Resources von BASF IT Services, kriegt pro Arbeitstag etwa zehn Initiativbewerbungen auf den Schreibtisch, die meisten davon von gut qualifizierten Datenbank- und SoftwareEntwicklern, Support-Kräften und Anwendungsexperten.

Dass die lange erfolgsverwöhnten Computerworker inzwischen aktiv nach Jobs suchen müssen, statt einfach auf ebenso spannende wie lukrative Angebote zu warten, erspart den Unternehmen eine Menge Recruiting-Aufwand.

Leidtragende sind vor allem die Personalberater. Sie verdienten auf dem leer gefegten IT-Arbeitsmarkt lange auch durch die Vermittlung weniger qualifizierter Bewerber. Doch diese Zeiten sind vorbei, weiß Sörge Drosten, Leiter des Bereichs Advanced Technolology and New Media beim Personalberatungsunternehmen Futurestep in Düsseldorf: "Im Bereich Anwendungs- und Netzwerkentwicklung ist die Nachfrage um rund 70 Prozent zurückgegangen."

Doch nicht nur für Java-Programmierer und Netzwerkbastler ist es schwieriger geworden, gute Jobs zu finden; auch bei anderen Experten wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Und die Top-Leute - Systemdesigner, Security-Experten, Fachleute für die My-SAP-Personallösung - findet die Techniker-Zentrale zwar noch immer nicht in dem Maße, wie es sich Personalchefin Skorczyk wünscht. "Aber es gibt immerhin welche", sagt sie; "früher gab es gar keine."

Das Old-Economy-Imperium schlägt zurück

Klare Konsequenzen hat die geänderte Lage für die Gehälter. Es sei derzeit wieder möglich, "die neuen Leute in unsere Gefüge einzubinden, so Skorczyk. "Die sind jetzt geerdeter." BASF-Personalleiter Suelmann sieht die Sache ähnlich: "Während früher viele nur die Dollar-zeichen in den Augen hatten, sprechen wir heute mit den Bewerbern über Dinge wie Arbeitsplatzsicherheit, Atmosphäre oder Altersversorgung." Einst schnappten fantasiegetriebene Firmengründer mit ebensolchen Geschäfts- und Gehaltsmodellen den etablierten Unternehmen die guten Leute weg. Jetzt schlägt das OldEconomy-Imperium zurück, punktet mit sicheren Arbeitsplätzen und erprobten Geschäftmodellen. Größe zählt wieder; das gilt auch für die gebeutelte Zunft der Berater und Wirtschaftsprüfer. Bernd Sander, Leiter Personalmarketing & Recruiting bei Pricewaterhouse-Coopers, hat festgestellt, dass "die Bewerber sehr schnell die Realität begriffen haben. Und wer heute schon mit 30 seine Exit-Strategie fürs 40. Lebensjahr diskutieren will, der ist ganz schnell wieder draußen."

Eine neue Nüchternheit sieht auch Ralf Urlinger, Leiter Recruiting/Personalwesen München bei der BMW Group. Dennoch hält er nichts davon, angesichts der schwierigen Marktlage für die Arbeit Suchenden die Gehälter beliebig zu drücken. Einstellen zum Dumping-Preis - das gebe es bei BMW nicht. Das sorge nur für Frust in den Teams und sei eine Garantie für unzufriedene Mitarbeiter, so Urlinger. "Wir haben Gehaltsbandbreiten, die mit Anforderungsprofilen einhergehen. Deshalb pokern wir nicht. Auch nach unten wollen wir das Preisgefüge nicht sprengen.

Personal auf dem Prüfstand

Die aktuelle Situation am IT-Arbeitsmarkt hat indes nicht nur Folgen für die Bewerber, sondern auch für diejenigen, die in Lohn und Brot stehen. Viele Unternehmen sähen sich die Leistungen des Stammpersonals derzeit sehr genau an, so PWC-Mann Sander. Es gehe generell darum, "die Personal-Portfolios auf Zukunftsfähigkeit zu prüfen." Personalchef Suelmann von BASF IT-Services bestätigt das zwar im Prinzip; das große Zittern in den Programmierstuben möchte er dennoch nicht auslösen. "Low performer werden normalerweise nicht abgebaut", sagt er. Das sei rechtlich schwierig, solange an anderen Stellen Leute gesucht würden. Wenn eine Steigerung der Leistung nicht möglich sei, warnt Sander die Säumigen, plane man eher eine Umsetzung innerhalb des Hauses.

Auch diese Strategie bietet die Gelegenheit, Schlüsselpositionen mit neuen guten Leuten zu besetzen. Und die Gelegenheit dazu ist jetzt so günstig wie schon lange nicht mehr. Wie langfristig die Firmen dabei planen, ist unterschiedlich. Laut Suelmann sucht BASF IT-Services gezielt nach aktuell benötigtem Personal. Man betreibe aber aus Kostengründen keine "Bevorratung". Futurestep-Berater Sörge Drosten rät ebenfalls davon ab, ohne eine konkrete Projektplanung IT-Experten einzukaufen. "Aber wenn man die Garantie hat, dass ein CRM-Projekt im September losgeht, ist es eine gute Idee, schon jetzt Ausschau zu halten."

Die Rechnung ist simpel: Selbst wenn ein Projekt erst in ein paar Monaten startet, kann es sich auszahlen, frühzeitig qualifizierte Kräfte zu rekrutieren - mit einfachen Mitteln wie der Auswertung von Aktivbewerbungen. Das spart Zeit und Suchkosten, bestätigt Personalermanagerin Skorczyk von der Techniker Krankenkasse. "Wenn im Herbst ein bestimmtes Projekt anstünde, würden wir auch drei, vier Monate im voraus Leute einkaufen."