Öffentliche Verwaltungen

Public-CIOs virtualisieren fleißig

06.07.2009 von Nicolas Zeitler
Die EU-Dienstleistungsrichtlinie und Virtualisierungsvorhaben stehen bei CIOs in öffentlichen Einrichtungen ganz oben auf der Agenda. Dabei sieht sich jeder Fünfte nicht als Vorantreiber von Fortschritt und Umgestaltung.
Die drei größten IT-Herausforderungen.

IT-Chefs in öffentlichen Einrichtungen sehen die EU-Dienstleistungsrichtlinie als eine der größten Herausforderungen. Das hat eine Umfrage des CIO-Magazins vom April ergeben, an der sich 286 IT-Entscheider aus dem Public Sektor beteiligt haben. Demnach sieht es jeder dritte IT-Entscheider immer noch als Herkulesaufgabe für seine Institution, die Vorgabe aus Brüssel umzusetzen, obwohl diese lange bekannt ist. Bis Ende des Jahres muss sie umgesetzt sein. Manfred Langguth, CIO der Stadt Dortmund, meint dazu: "Jeder kluge CIO nutzt den Druck der Dienstleistungsrichtlinie, um Arbeitsabläufe zu modernisieren."

Die EU-Richtlinie wird in unserer Umfrage nur noch von der Antwortmöglichkeit "Modernisierung und Optimierung von Verwaltungsabläufen" übertroffen. Diesen umfassend formulierten Punkt kreuzten zwei Drittel der Teilnehmer an. An dritter Stelle rangieren bei den nicht reinrassigen IT-Aufgaben der Auftritt der Verwaltungen im Netz sowie mit gleich vielen Nennungen die Umstellung von Kameralistik auf Doppelte Buchführung.

"Jeder kluge CIO nutzt den Druck"

Unter den speziell die IT betreffenden Themen steht in den öffentlichen Dienststellen zurzeit die Virtualisierung an erster Stelle. Mehr als die Hälfte der IT-Leiter, die dieses Thema aktuell als große Herausforderung sehen, befinden sich hier schon im laufenden Betrieb bzw. in der Umsetzung. Ein weiteres Drittel plant ein solches Vorhaben gerade, die übrigen zehn Prozent befinden sich noch in der Evaluierungsphase. Als zweit- und drittgrößte Herausforderung hinter der Virtualisierung reihen sich Hardware- und Server-Konsolidierung sowie Sicherheitsthemen ein. In Dortmund sieht die Lage anders aus. "Bei uns ist das erste Thema die konsequente SOA-Implementierung", berichtet Langguth. Vor zwei Jahren sei das Konzept auf Basis von IBM-Produkten eingeführt worden. Derzeit würden alle Anwendungen auf SOA umgestellt.

Der Stellenwert der IT.

Von ihrem Rollenverständnis her sehen sich die Umfrageteilnehmer nicht gerade als Motoren des Fortschritts: 61 Prozent betrachten ihr Tun vor allem unter dem Aspekt, Effektivität und Effizienz zu verbessern. Jeder fünfte sieht in seinen IT-Services vor allem eine "Gebrauchs- und Produktionsfunktion". Die Antwortmöglichkeit "strategisches Mittel zur Umgestaltung" landete mit 19 Prozent der Nennungen auf dem letzten Platz. Bei Manfred Langguth allerdings steht sie an erster Stelle: "In Dortmund hat die IT-Organisation organisatorische Leitkompetenz", betont er. Beim Umbau der Verwaltung sei sie ein strategisches Mittel. Das sei typisch für viele Großstädte. Dort gebe es meist keine getrennt handelnden Dienstleister, die von der Verwaltung beauftragt werden, sondern die IT sei Teil der Verwaltung und werde strategisch mit eingebunden.

Anbieter wenig sensibel

Die Teilnehmer hatten in unserer Umfrage auch Gelegenheit, frei ihre Meinung zu äußern. Dabei wurde der Wunsch deutlich, dass Anbieter stärker auf die speziellen Bedürfnisse öffentlicher IT-Abteilungen eingehen. So forderte ein IT-Chef "mehr Verständnis für Entscheidungsprozesse im öffentlichen Dienst". Auch Organisationsstrukturen und rechtliche Rahmenbedingungen haben Lieferanten und Dienstleister offenbar nicht immer ausreichend im Blick.

Verwaltungsspezifische Herausforderungen.

Die größte Gruppe der Befragten arbeitet für kommunale Behörden. Sie macht fast 30 Prozent aus. Zwei Drittel dieser Befragten arbeiten bei einer Stadtverwaltung. Stark vertreten waren auch CIOs von Körperschaften des Bundes oder der Länder, außerdem von Landesbehörden und der sonstigen mittelbaren Verwaltung. Bei vielen Anwendern in öffentlichen Einrichtungen hat die IT offenbar keinen guten Stand. So schrieb ein Befragter, dass die meisten Anwender eben mit IT konfrontiert würden, ohne sich wehren zu können. Deshalb müssten IT-Anwendungen ihnen eher als Hilfsmittel denn als Innovation an die Hand gegeben weden. Der CIO wörtlich: "Beamte und Behördenangestellte sind ‚not amused‘, wenn sie sich zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft auch noch um neue Bedienungsanweisungen kümmern müssen."

Auch hier ist die Lage in Dortmund offenbar anders. Manfred Langguth betont, dass er auf keinerlei Widerstände bei Nutzern stoße. Die Arbeit mit Informationstechnik sei für seine Mitarbeiter "etwas ganz Selbstverständliches", sagt der Dortmunder CIO, der gleichzeitig auch Vorsitzender der IT-Leiterkonferenz in der Arbeitsgemeinschaft Kommunale Datenverarbeitung von Nordrhein-Westfalen ist: "Gerade weil wir gezwungen sind, Personal abzubauen, sind die Leute froh, dass sie mithilfe von IT die Arbeit überhaupt noch bewältigen können."