Der hungrige Hermit

Rechner frisst 1,8 Millionen Euro Stromkosten

31.05.2012 von Michael Kallus
Der schnellste Rechner Deutschlands verbraucht Strom für mehr als 1,8 Millionen Euro pro Jahr. Und das, obwohl die Betreiber "Hermits" Energiehunger schon gezügelt haben. Ein Interview mit Stefan Wesner vom HLRS in Stuttgart.
Stefan Wesner Geschäftsführender Direktor, Hochleistungs-RZ Stuttgart: "Wir können viele Programme so weit beschleunigen, dass sie nur noch zehn bis zwanzig Prozent der Zeit benötigen."
Foto: HLRS

Hermit ist der leistungsfähigste Rechner Deutschlands. Der Supercomputer der Universität Stuttgart liegt auf Platz zwölf der weltweiten Top-500-Liste. Hermit rechnet eine Million Milliarden Fließkommaoperationen pro Sekunde - das ist ein Petaflop, eine Zahl mit 15 Nullen. So viel Leistung frisst Strom: Hermit nimmt durchschnittlich 1,55 Megawatt Leistung auf, damit ließen sich auch 4000 Haushalte versorgen. Über den Versuch, den Stromhunger Hermits im Zaum zu halten, sprachen wir auf dem Samsung CIO Forum mit Stefan Wesner, dem Geschäftsführenden Direktor des Hochleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS).

CIO : Herr Wesner, wo können Sie bei Ihrem Hermit denn noch Strom sparen?

Wir haben viel an der Infrastruktur gearbeitet. Beispielsweise haben wir vier Kühltürme gebaut, die sich nach Bedarf zuschalten lassen. Diese kühlen die Abwärme bei Außentemperaturen bis zu 18 Grad Celsius kostengünstig durch Abgabe an die Außenluft. In diese Anlage haben wir etwa zehn Millionen Euro investiert, sparen damit aber Kühlungskosten von rund 800.000 Euro im Jahr.

Wie ist bei Ihnen das Verhältnis von Energiekosten zu Anschaffungskosten? Auf dem CIO Forum hatte ein Redner ein Verhältnis von drei zu eins genannt.

Bei uns ist das nicht so extrem. Hermit hat 22 Millionen Euro gekostet und verbraucht Strom für etwa 1,8 Millionen Euro im Jahr. Aber wir werden den Rechner wohl nur vier Jahre in Betrieb halten.

Wieso nur so kurz?

Das liegt an den Lizenzkosten für die Systemsoftware. Der Betrieb eines Servers kostet uns etwa einen Euro die Stunde, die Softwarelizenz für diese Stunde aber erheblich mehr. Halbieren wir nun die Rechenzeit, würden wir für die gleiche Rechenleistung nur die halben Lizenzkosten zahlen. Daher ist ein Rechnertausch nach etwa drei bis fünf Jahren rentabel. Aber die Software ist für uns noch aus einem anderen Grund interessant, denn hierin liegt der Schlüssel für Effizienz bei Hermit.

Wieso in der Software? Das müssen Sie uns erklären.

Viele Anwendungen nutzen nur einen Bruchteil, sagen wir fünf Prozent, der verfügbaren theoretischen Rechenleistung. Der Grund liegt in einer ineffizienten Programmierung oder bei verteilten Programmen häufig in der Kommunikation untereinander. Wer geschickt programmiert, holt beispielsweise Daten, die bald gebraucht werden, schon mal aus dem Arbeitsspeicher in den Cache - noch während der Prozessor aktuell rechnet. Tatsächlich können wir viele Programme so weit beschleunigen, dass sie nur noch zehn bis zwanzig Prozent der Zeit benötigen. Das heißt, wir erreichen eine fünf- bis zehnfach höhere Effizienz.

Das ist eine Menge …

Stimmt. Wir hatten auch schon Fälle einer tausendfachen Verbesserung oder mehr.

Lassen sich diese Erkenntnisse auch auf ein normales Rechenzentrum übertragen?

Ja und nein. Wenn in fünf Jahren Ein-Petaflop-Rechner für eine breitere Menge von Unternehmen bezahlbar sind, können unsere Methoden in die Standardnutzung eingehen. Dies ist auch ein Ziel des von uns mitgegründeten Automotive Solution Center Stuttgart, das die frühe Integration von Forschung in kommerzielle Produkte vorbereitet.

Wie könnte der nächste Superrechner aussehen?

Wir haben Hermit zwar gerade erst in Betrieb genommen, aber in dieser Branche gilt: Nach der Installation ist vor der Installation. Ehrlich gesagt haben wir heute noch keine Ahnung, wie der nächste Rechner im Detail aussehen wird. Daran arbeiten wir derzeit mit dem Hersteller Cray. Das Interview führte Michael Kallus.

Green Event - Das Samsung CIO Forum

Stefan Wesner sprach am 8. Mai als Referent auf dem Samsung CIO Forum im Münchener Hotel Sofitel. Der Hersteller von Smartphones präsentierte sich dort zum zweiten Mal als Ideengeber für die IT-Branche. Das CIO Forum zeigte in diesem Jahr, wie CIOs den Spagat zwischen einer effizienten IT-Ausrichtung und zukunftsweisenden Projekten schaffen. Die Themen reichten von sparsamer Hardwaretechnik über emissionsfreie Rechenzentren und energieeffiziente Serverarchitekturen bis hin zum "Realtime Business".

Es gab auch unkonventionelle Standpunkte. Etwa von Heiner Diefenbach, CEO der TDS AG, der zum Thema Sustainable Data Center Operations meinte: "Nachhaltigkeit ist im Data Center nicht der wichtigste Punkt, entscheidend sind die Energiekosten und die Minimierung von Ausfällen." Mehr Infos unter: www.samsung-cio-forum.de