Schweizer Bundesbahn

Reporting 2.0: Zeitung statt Zahlenfriedhof

21.08.2012 von Michael Kallus
Die zuvor wenig aussagekräftigen Monatsberichte bereiten die SBB neuerdings journalistisch auf: Sie sind auf Tablets und Lesewünsche der Manager zugeschnitten.
Lukas Schweizer, Head of Performance Management & Reporting der SBB
Foto: Schweizerische Bundesbahnen

Die Signale standen auf Rot. Das Berichtswesen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) war gekennzeichnet von wenig standardisierten und schwer führbaren Prozessen. Die Mitarbeiter beschäftigten sich mit Tools und repetitiven Aufgaben, statt sich der Analyse und dem Aufbereiten von aussagekräftigen Thesen und Kommentaren zu widmen.

Entsprechend unbefriedigend war die Situation für die Empfänger. Die Reports behandelten nicht selten Themen, die nicht auf die aktuellen Herausforderungen Bezug nahmen. Das Reporting war mehr ein aufwändiges Monitoring als ein zielführendes Informationsinstrument.

Tablet-Kultur verändert Nutzerverhalten der Manager

Dabei wird effiziente Steuerung bei der SBB immer wichtiger, wie Lukas Schweizer, Head of Performance Management & Reporting der SBB, in seinem Vortrag auf dem TDWI-Kongress in München erläuterte. "Das Schweizer Schienennetz ist das am höchsten belastete der Welt - noch vor Japan", so Schweizer. "Und der Verkehr nimmt weiter zu. Damit landen auch im Berichtswesen zunehmend komplexere Daten. Fristen werden kürzer, und Führungskräfte müssen schneller reagieren." Gleichzeitig ändert die neue Tablet-Kultur das Nutzerverhalten von Managern. Sie wollen schneller und ansprechender informiert werden.

Das Management der SBB beschloss darum, die Berichtskommunikation grundlegend zu verändern. "Komplexe Sachverhalte muss man mit Texten beschreiben und Bildern anreichern, mit Daten allein kommen wir nicht zum Ziel", erläutert Schweizer. Das neue Reporting sollte Standards setzen und die Kommunikation strukturieren. Schweizer: "Das hieß für uns: Wir müssen Publishing-Qualitäten entwickeln."

Die Lösung bestand in einer konsequenten Standardisierung der Systeme, Prozesse und Skills. "Unser Motto lautete: Lernen von den Zeitungsprofis, die jeden Tag professionelle und auf den Punkt verfasste Berichte rechtzeitig liefern", so Schweizer. Rund 40 Controller erhalten Datenmaterial und müssen ihre Kommentare innerhalb einer kurzen Frist verfassen. Die Berichte sollten künftig ausformulierte Analysen enthalten, die Entscheidungshilfen und Handlungsempfehlungen einschließen. Mit ins Boot für die Umsetzung geholt wurde die Aspektum GmbH, ein Schweizer Spezialist für Unternehmenskommunikation.

Aus Controllern werden Redakteure

Weil nicht jeder als Redakteur geboren wird, investierte die SBB auch in die Fertigkeiten der Mitarbeiter. "Die Texte müssen gut sein", betont Schweizer. "Wenn sie schlecht formuliert sind, hast du schon verloren." Um gute Texte verfassen zu können, wurden die Controller in Seminaren geschult. Zudem erhielten die neuen "Redakteure" ein Handbuch mit 66 Regeln für das Verfassen von Texten mit dem bezeichnenden Titel "Text Rules".

Das Reporting mit Vorspann und klaren Grafiken.
Foto: Schweizerische Bundesbahnen

Auch die Prozesse wurden überarbeitet: Man beschloss, auf Redaktionssysteme zu setzen, die sich in Zeitungsredaktionen bereits seit Jahrzehnten bewährt haben. So führte die SBB mit Unterstützung der Stämpfli AG ein Redaktions- und Publishingsystem von Woodwing ein, mit dem drei Layouter seit Anfang 2012 die internen Berichte erstellen. Das Publishing-System kann die Berichte auch so aufbereiten, dass sie sich auf mobile Geräte verteilen lassen.

Das neue Format orientiert sich auch inhaltlich an Zeitungsstandards: Was wichtig ist, muss vorne stehen. So entstehen jeden Monat Berichte im Umfang von 40 Seiten und pro Quartal 60 Seiten. Ihr Layout ist dezent und informativ gehalten und lebt mit wenigen Farben. Grafiken werden vornehmlich in Rot, Grün und Grau gezeichnet.

Das neue Corporate Reporting hat den Umgang mit den Berichten verändert. "Unsere Controller arbeiten nun schon während des Monats voraus und stellen Fragen. Denn wenn die Zahlen da sind, reicht die Zeit nicht aus, um nach Ursachen zu forschen und die Findings auszuformulieren", sagt Schweizer. Mittlerweile gibt es wöchentliche Redaktionssitzungen, in der Erstellungsphase trifft man sich sogar täglich.

Reporting mit Konsequenzen

Nach der Aufbereitung der Fakten folgen Handlungsempfehlungen.
Foto: Schweizerische Bahnen

"Unser neues Reporting schafft Stabilität ", erklärt Schweizer. Die definierten Maßnahmen werden kontinuierlich nachgehalten, im nächsten Bericht wieder aufgenommen und überprüft. "Empfehlungen oder Maßnahmen, die einmal in Worte gefasst und deutlich sichtbar publiziert wurden, lassen sich nicht mehr hinter Zahlen verstecken", so Schweizer. Ist etwas nicht erklärbar, wird die Abweichung gekennzeichnet und die Erklärung später nachgereicht. So geht es nicht verloren.

Damit wird der Report zum Arbeitswerkzeug, das die Kommunikationsstruktur und die Führungskultur verändert. Ist etwas schwammig formuliert, stellen die Führungskräfte unangenehme Fragen. Wer jedoch gut recherchiert, gut schreibt und objektiv berichtet, hat gute Karten, beim CFO schnell die Freigabe der Berichte zu erhalten.