Hype um neue Technologie könnte platzen

RFID - bald herrscht Funkstille

14.08.2007 von Christiane Pütter
Ronan Clinton geht in die Vollen. "Von allen technischen Fehlentwicklungen der vergangenen 15 Jahre ist RFID die Schlimmste", verkündet er. Clinton muss es wissen: Er ist Managing Director beim Anbieter Heavey RF. Seine These: RFID kann den Barcode nicht ersetzen, weder von der Technologie her, noch von den Kosten. Geld verdienen will er damit trotzdem - mit dem begrenzten Kreis an Unternehmen, die die Chips wirklich brauchen.

Es macht Spaß, Ronan Clinton zuzuhören. "Wenn Sie nicht gerade Wal-Mart sind, können Sie mit RFID nichts anfangen", poltert er. Wobei der Manager bewusst überzieht. Denn Ronan Clinton geht es nicht darum, RFID totzureden. Ihm geht es darum, die Technologie realistisch zu betrachten.

Sein Eindruck: Derzeit werden überhöhte Erwartungen aufgebaut, RFID wird als neue Wunder-Lösung dargestellt, CIOs werden mit Aussagen der Kategorie "Wenn Sie nicht dabei sind, sind Sie bald nicht mehr dabei" verunsichert. Daher sein Vergleich mit der Dotcom-Blase, die schließlich schmerzhaft zerplatzt ist.

Clinton darf nicht falsch verstanden werden - er ist "überzeugter RFID-Fan". Nur: Je süßer dem Kunden RFID angepriesen wird, umso bitterer der Nachgeschmack, wenn Unnötiges und Teures implementiert wurde. Die Bedenken des Heavey RF-Managers konzentrieren sich auf zwei Probleme: die Technologie und die Kosten.

RFID technisch noch lange nicht ausgereift

Technik-seitig, so seine Einschätzung, sind die Funk-Chips noch lange nicht ausgereift genug, um den Barcode zu ersetzen. Das Problem besteht darin, dass es "hunderte verschiedener" RFID-Tag-Typen gibt, alle mit ihren jeweiligen physischen Eigenschaften. Das verhindert eine vollständige Lesbarkeit. Und das verhindert den effizienten Einsatz.

Ganz anders beim Barcode: Jeder stinknormale Scanner kann die komplette Bandbreite an Barcode-Symbolen lesen.

RFID contra Barcode

Zu den Kosten: Clinton lästert, er höre schon die RFID-Verfechter mit ihrer "Aber die Kosten sinken doch ständig!"-Propaganda. Für den Heavey-Geschäftsführer ist klar, dass RFID niemals so kosteneffizient wie der Barcode sein kann. Und hat dafür gleich den Gag vom Auto und dem Helikopter parat: Die Hubschrauber-Lobby könne auch behaupten, ihre Produkte ließen sich zum Preis eines Autos anbieten - wenn denn jeder Otto Normalverbraucher einen Hubschrauber kaufte. Aber wer braucht schon einen Hubschrauber?

Ernsthaft: Die ehrgeizigen Pläne, RFID-Tags für fünf Cent anzubieten, lassen sich laut Ronan Clinton nicht verwirklichen. "Diese Kalkulation basiert auf dem Glauben an eine weltweite Adaption", sagt er. Die wiederum sei angesichts der Vielzahl an Chips und der vielfältigen Bedürfnisse der einzelnen Branchen und Unternehmen kaum zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund ist Clinton auf das Thema Wal-Mart nicht gut zu sprechen. Wie er es sieht, hat der Handelsgigant seine Lieferanten schlicht gezwungen, RFID zu implementieren. "Keiner von denen nutzt das für irgendeinen anderen Kunden", sagt er.

Trotz allem: Ronan Clinton ist davon überzeugt, dass seine Firma weiterhin mit RFID Umsatz machen wird. Den Anteil schätzt er über die nächsten fünf Jahre auf 20 Prozent vom Erlös. So will er seine Philippika denn auch richtig eingeordnet sehen. Das heißt: Wenn ein Unternehmen RFID professionell implementiert, um die Technologie in einem geschlossenen Kreislauf einzusetzen, wird es davon profitieren. Eine genaue Kosten-Analyse vorab und gegebenenfalls auch ein Change-Management unterstützen den CIO dabei, die Vorteile von RFID zu nutzen - und die Nachteile zu vermeiden.