Verarbeitung und Sicherheit bremsen Funkchip-Technik

RFID wird Teil der Wertschöpfungskette

27.01.2006 von Dorothea Friedrich
Der Handel spielt bei der Umsetzung von RFID-Projekten eine entscheidende Rolle. Die Technologie soll bald fester Bestandteil der Wertschöpfungskette werden. Dafür müssen unter anderem Probleme bei der Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Standardisierung, den Investitionskosten sowie bei Datenschutz und Sicherheit gelöst werden. Das sind Ergebnisse eines Reports der Deutsche Bank (DB) Research.

Demnach steht RFID (Radio Frequency Identification) nicht nur für einen "Regimewechsel" vom Strichcode hin zur Funkchip-Technologie. Mit seiner flächendeckenden Verbreitung soll ein "umfassendes Strukturkonzept in der Wirtschaft" umgesetzt werden.

So wundert es nicht, dass die Prognosen für den RFID-Umsatz von Optimismus getragen sind. Nach Schätzungen von DB Research dürfte der Weltmarkt für RFID-Systeme bis 2010 auf 22 Milliarden Euro anwachsen. Das bedeutet im Vergleich zu 2004 eine jährliche Wachstumsrate von 57 Prozent.

In der Europäischen Union (EU) soll der Markt im gleichen Zeitraum auf ein Volumen von vier Milliarden Euro steigen. Das entspricht einem Wachstum von 47 Prozent.

Warum gerade diese Technologie auf Erfolgskurs ist, erklären die DB-Research-Analysten damit, dass RFID die "Brücke zwischen der physischen Welt der Produkte und der virtuellen Welt der digitalen Daten" schlägt. Damit trifft RFID den Bedarf von Unternehmen, die in einer eng vernetzten Wertschöpfungskette kooperieren.

Keine neue Idee

Dabei ist die Idee des Funkchips nicht wirklich neu. Bereits im zweiten Weltkrieg setzten die Alliierten Vorläufer der Chip-Technik zur Freund-Feind-Erkennung von Flugzeugen und Schiffen ein. Inzwischen hat sich RFID in vielen Lebensbereichen etabliert.

Es kommt im neuen E-Pass ebenso zum Einsatz wie beim Pharmahersteller Pfizer. Der will die Verpackung seines Erfolgsprodukts Viagra mit Funkchips versehen. Mittels eines Lesegeräts können Händler dann die Echtheit überprüfen und so vor den weit verbreiteten Fälschungen sicher sein.

In den Plaketten der österreichischen Maut-Aufkleber und in den Eintrittskarten für die Fußballweltmeisterschaft sind Funkchips integriert. Die Bibliothek des Vatikan stattet ihre rund zwei Millionen Bücher und Handschriften mit RFID aus. Die Münchner Stadtbibliothek stellt gerade ihr gesamtes Ausleihsystem darauf um.

Airbus Industries leiht Präszisionswerkzeuge an Partnerunternehmen nur noch mit dieser Technik aus. Seitdem ist der Schwund bei den teuren Spezialgeräten drastisch zurückgegangen.

Effizienzsteigerung mit RFID

Vor allem in der Prozesssteuerung und in der Lagerhaltung locken RFID-Projekte mit enormen Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz. So hat Siemens für ein mittelgroßes Distibutionszentrum ein Einparpotenzial von rund 500.000 Euro pro Jahr errechnet. Rund fünf Prozent davon sollen durch niedrigere Personalkosten erreicht werden. Den Löwenanteil macht ein deutlich geringerer Anteil an falsch bepackten Paletten aus.

Einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Soreon Research zufolge entfallen beim Einsatz von RFID in der Ersparnis- und Ertragsanalyse 45 Prozent auf den Posten "vermiedene Out-of-Stock", 36 Prozent auf vermiedene Diebstähle und 18 Prozent auf effizienter organisierte Unternehmensprozesse.

Erfolgsfaktoren

Ob sich RFID durchsetzt, hängt DB Research zufolge entscheidend von der Entwicklung der Chip-Preise ab. Aktuell beschränkt demnach der Transponder-Preis den RFID-Einsatz auf hochwertige Güter.

Die Textilbranche geht davon aus, dass sich RFID-Systeme erst dann lohnen, wenn der Transponder weniger als zwei Prozent des Verkaufspreises der Ware kostet. Derzeit liegen die Transponderpreise zwischen 0,05 Euro bei einer Auflage von mehr als einer Million und zehn Euro bei einer Auflage von weniger als 1000.

Ein weiteres Erfolgskriterium ist die Standardisierung der Technologie. Hierfür setzt sich vor allem die von der Privatwirtschaft getragene Initiative EPCglobal ein. Sie will nicht nur das Datenformat der Software, sondern auch Funkleistung und Frequenzbereich der Transponder vereinheitlichen. Dem stehen vor allem im europäischen Raum regulatorische Einschränkungen entgegen. Sie sind nicht zuletzt auf Bedenken von Verbrauchern zurückzuführen.

Datenschutz und Sicherheit

Nach der Analyse von DB Research haben die RFID-Anbieter bisher vor allem die Kostenseite im Blick. Darüber haben sie jedoch den Sicherheitsaspekt vernachlässigt. Die Akzeptanz der Funkchips ist allerdings unmittelbar an die Fortentwicklung und Kommunikation von Sicherheitsstandards gebunden.

Eine akzeptable Lösung muss demzufolge über die digitale Verschlüsselung der gespeicherten Daten hinausgehen. Damit stehen die Sicherheitsbedenken zunächst dem Einsatz von RFID im Massenmarkt entgegen. Langfristig könnten die Umsetzung von Sicherheitsanforderungen und die Berücksichtigung von Verbraucherängsten jedoch dazu führen, dass die Akzeptanz steigt.

Nicht nur, dass Dritte, unberechtigt in die Privatsphäre von Anwendern eingreifen können, ist ein Problem. Auch der Sabotage ist unter Umständen Tür und Tor geöffnet. So kann beispielsweise der Einsatz von wiederbeschreibbaren Transpondern kriminelle Energien freisetzen: Das Verfallsdatum verderblicher Ware könnte nachträglich manipuliert werden. Oder ein Saboteur könnte Einzelhandelsprodukte virtuell "verderben" und "verstellen", respektive Preise und Abgabebeschränkungen verändern.

Verarbeitungszeiten

Besonders bei der Schnittstelle zu ERP-Systemen haben RFID-Projekte noch etliche Herausforderungen zu bewältigen. Probleme treten vor allem bei der für RFID-Systeme typischen Verarbeitung von großen Datensätzen auf. Werden die Informationen zu langsam verarbeitet, wird damit die angestrebte schnelle Reaktion zunichte gemacht. Und ein wichtiges Argument zugunsten der Funkchip-Technik entfällt.

Beste Aussichten

Zurzeit wird die Bedeutung der Hardware an den Gesamtkosten von RFID-Projekten zu hoch angesetzt. Software und Installationsservice verschlingen nach Berechnungen von Soreon Research fast zwei Drittel der Projektkosten. Beide Posten werden künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Bis 2010 soll der Markt für RFID-Software jährlich um rund 50 Prozent wachsen, der für Services um 50 Prozent und der Hardware-Markt um 20 Prozent.

Bei den Investitionen in RFID führt Deutschland vor Frankreich und Großbritannien im europäischen Vergleich. Ihr Anteil geht allerdings zugunsten kleinerer Länder zurück. Für DB Research ist das ein Signal, dass RFID im Massenmarkt angekommen ist.

Das Forschungsinstitut DB Research, ein Unternehmen der Deutsche Bank, hat "RFID-Funkchips – Zukunftstechnologie in aller Munde" in seiner Serie "Economics" veröffentlicht.