Projektleiter von Aufgaben entbunden

Rote Karte für das Projekt "Virtueller Arbeitsmarkt"

26.02.2004 von Thomas Zeller
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zieht bei ihrem Großprojekt "virtueller Arbeitsmarkt" die Notbremse. Mit sofortiger Wirkung wurde Projektleiter Jürgen Koch von seinen Aufgaben entbunden. Als Begründung gab der neue Agentur-Chef Frank-Jürgen Weise nach Medienberichten technische Mängel, ausufernde Kosten und Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ausschreibungen an.

Der zuständige Vorstand Heinrich Alt bemängelte vor allem, dass bei der weiteren Kostenentwicklung erhebliche Risiken bestünden. Das Beratungsunternehmen Accenture hatte vor einem Jahr den Zuschlag für das Projekt mit einem Volumen von 65 Millionen Euro bekommen. Doch schon bald erwies sich dieser finanzielle Rahmen als zu gering. In der Folge musste die BA erheblich nachbessern. Während vor zwei Wochen noch von 100 Millionen Euro Projektkosten die Rede war, geht die Agentur nun von einer noch höheren Summe aus.

Allein für die Erweiterungswünsche beim virtuellen Arbeitsmarktes (VAM) werden nun Kosten von insgesamt 125 Millionen Euro bis 2008 kalkuliert. Hinzu kämen weitere 40 Millionen Euro für die Einbindung des Portals an das interne Netz, inklusive des dann auch höheren Datenaufkommens. "Angesichts dieser Kostenentwicklung mussten wir handeln und haben deshalb die Planung der Erweiterungsstufen verschoben", sagt Arbeitsamtssprecherin Ingrid Kortmeyer-Pohl gegenüber Cio.de. "Anfang März wird der Vorstand anhand eines ausführlichen Berichts über die weitere Zukunft des Projektes entscheiden."

Projekt-Splitting

Der virtuelle Arbeitsmarkt soll künftig aus der Internet-Stellenbörse www.arbeitsagentur.de und den internen Vermittlungs- und Beratungssystemen der BA bestehen. Während die Internet-Stellenbörse bereits zu Beginn dieses Jahres online ging, steht die zweite Stufe, die eine Verknüpfung der internen Systeme mit der Stellenbörse beinhaltet, noch aus. Sicher ist hier nur, dass dieses Projekt verschoben wird. Einen Zeitrahmen für die Umsetzung wollten weder die BA noch die Unternehmensberatung Accenture angeben.

Die höchste Priorität habe stattdessen die weitere Verbesserung der bestehenden Online-Stellenbörse, so Kortmeyer-Pohl. Problematisch sei vor allem das das System nicht immer die passenden Stellen- oder Bewerber-Angebote geliefert habe. Nutzer bemängelten zudem, dass es zu langsam gewesen sei und immer wieder abstürze.

Statt Hilfestellung für Arbeitssuchende ist VAM nun zu einer Beschäftigungsmaßnahme für die Innenrevision der Agentur geworden. Nach den Beraterskandalen der vergangenen Monate geht es jetzt insbesondere darum, ob "aus dem Projekt heraus Aufträge an der dafür zuständigen Vergabestelle vorbei vergeben wurden." Für den neuen Agenturchef Weise könnte sich dieses Projekt ideal zur Profilierung und damit zur Abgrenzung von seinem Vorgänger Florian Gerster eignen.

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