ERP und Business Suite

SAP verspricht leichtere Software-Upgrades

05.12.2008 von Frank Niemann
Neue Softwarefunktionen können Anwender von SAP ERP über Enhancement Packages (EhP) in Betrieb nehmen. Langwierige Release-Wechsel wie bei R/3 sollen der Vergangenheit angehören. Kunden begrüßen dies, können aber noch nicht abschätzen, ob der Softwarepflegeaufwand damit wirklich abnimmt.

Nach wie vor bleibt Enterprise Support ein rotes Tuch für die SAP-Kunden. Anwender sollen ab nächstem Jahr mehr für die Wartung zahlen. Sie erhalten dafür Leistungen, die sie aus ihrer Sicht nicht brauchen.

Daneben diskutiert SAP mit den Kunden über das künftige Update-Konzept der Anwendungen. Den Kern bilden hier Enhancement Packages. Mit den EhPs sollen Nutzer, die bereits SAP ERP einsetzen, neue Funktionen gezielt einspielen und aktivieren können, ohne dafür wie unter R/3 langwierige und kostspielige Release-Wechsel fahren zu müssen.

ERP-Erweiterungspaket im Lichte der Wirtschaftskrise

Für SAP ERP hat der Softwarekonzern nun das vierte EhP freigegeben. Es enthält unter anderem Erweiterungen zum Cash-, Liquiditäts- und Treasury-Management, die Unternehmen angesichts der Finanzkrise helfen sollen. Ein ERP Info Center auf dem Service-Marktplatz der SAP informiert die Nutzer, was an Funktionen in den Erweiterungspaketen steckt. Technischer Dreh- und Angelpunkt des Erweiterungsverfahrens ist der SAP Solution Manager.

SAP dehnt das EhP-Konzept nun auch auf die Business Suite aus. Das kommende Release 7.0 der Suite, das im November in "Ramp-up" (Einsatz bei ausgewählten Anwendern) gegangen ist, verfügt über das Feature. Damit sollen die Grenzen zwischen Applikationen durchgängiger werden. Anwender können nach SAP-Angaben ausgewählte Funktionen einführen und ausprobieren. Entsprechende Testszenarien sind in den Paketen enthalten.

Mit der neuen Suite-Version liefert SAP alle Bestandteile (CRM, PLM, SRM und SCM) zur gleichen Zeit aus. Früher hatte der Softwarenanbieter Funktionsbausteine zeitversetzt freigegeben. Die neue Regelung soll es Anwendern erleichtern, Softwareprojekte zu planen. "Bisher war das schwierig, da beispielsweise ERP- und CRM-Funktionen zu unterschiedlichen Zeiten zur Verfügung standen, was die Abstimmung neuer Funktionen mit Fachbereichen sowie die Einführung kompliziert hat", so Sven Denecken, Vice President Suite Solution Management. Wie bereits für ERP bringt SAP auch für die Business Suite 7.0 alle neun bis zwölf Monate ein Erweiterungspaket heraus. Anwender sind nach Herstellerangaben jedoch nicht gezwungen, diese Features zu aktivieren, sondern können dies nach Bedarf tun.

7+2-Wartung für die SAP Business Suite

Das neue Wartungskonzept sieht sieben Jahre Standardwartung und zwei Jahre Extended Maintenance vor.

Neuerdings folgt die Wartung aller Business-Suite-Komponenten dem unlängst bereits für SAP ERP vorgestellten Supportkonzept "7+2". Über sieben Jahre bleiben Softwareprodukte in der Standardwartung (die Wartungsgebühr beträgt gemäß dem Enterprise Support 22 Prozent vom Lizenzpreis). Danach kann der Anwender seine Software für weitere zwei Jahre im Rahmen der Extended Maintenance (24 Prozent) pflegen lassen. Bisher verfolgte SAP beim Support ein 5-1-2-Verfahren (fünf Jahre Standardwartung, danach ein und nochmal zwei Jahre Wartungsverlängerung gegen Aufpreis).

Das 7+2-Modell soll es den Anwendern erlauben, Software länger zu nutzen. Es soll unter anderem solchen Anwendern entgegenkommen, die erst in ein oder zwei Jahren von R/3 auf ERP umsteigen (siehe auch fünfteilige Artikelserie zum Thema Umstieg von R/3). Sie sollen nicht bereits kurz nach der Migration erneut einen Release-Wechsel fahren müssen.

Laut SAP wird es nach der Freigabe der Business Suite 7.0 vorerst kein Major Release und somit auch keinen Zwang zum Softwareumstieg geben. Angesichts des Erweiterungsmodells über Enhancement Packages stellt sich ohnehin die Frage, ob eine befristete Standardwartung künftig überhaupt noch sinnvoll ist. Funktionserweiterungen spielen Kunden bei Bedarf über die EhPs ein. Diese Pakete können Anwender ohne Zusatzkosten im Rahmen ihrer Wartung abrufen. "Bisher haben wir alle zwei Jahre neue Releases auf den Markt gebracht. Firmen können aber nur alle vier Jahre Softwareumstellungen stemmen. Somit mussten Anwender mitunter fünf Jahre auf neue Softwarefunktionen warten", erläutert Denecken. Nicht nur Nutzer der kompletten Suite sollen über die EhPs neue Funktionen leichter einspielen können, sondern auch solche, die lediglich SAP ERP und SAP CRM gemeinsam verwenden.

EhPs auch für SAP-Industrielösungen und Business Objects

Künftig soll es auch für Industrielösungen, die auf SAP-Standardprodukten aufsetzen, Enhancement Packages geben, etwa für "SAP Retail" (siehe auch Fachbeitrag über SAP- und Oracle-Software für den Handel). Geplant ist dieses Upgrade-Verfahren auch für die Entwicklungs-, Integrations- und Ablaufumgebung "Netweaver" sowie für die Business-Objects-Software "Excelsius" und "Crystal Reports", die Bestandteil der kommenden Business Suite sein werden.

Von dem einfacheren Upgrade der Software profitieren sollen nicht nur Nutzer der gesamten Suite, sondern auch solche, die lediglich Teile davon, etwa ERP und CRM, einsetzen.

Nach SAP-Angaben betreiben derzeit 8500 Firmen ERP 6.0 produktiv. Die Kunden entscheiden, welche Funktionen eines Erweiterungspakets sie freischalten wollen. Etwa 1000 Unternehmen haben EhPs im Einsatz. Laut Hersteller lassen sich EhPs gemeinsam mit einem Support Package einspielen. Auf diese Weise müssen SAP-Kunden nur einmal testen. Über regelmäßige Support Packages versorgt der Softwareanbieter seine Wartungskunden mit Fehlerbereinigungen und gesetzlich vorgeschriebenen Softwareanpassungen etwa im Personalwesen und in der Finanzbuchhaltung.

Weniger Arbeit beim Aktivieren neuer SAP-Funktionen

Enhancement Packages liefern Zusatzfunktionen, die Kunden nach Bedarf und ohne umfassende Softwareupdates einspielen können sollen.

Die Inbetriebnahme von Funktionen eines EhP ist dann mit einer vorübergehenden Systemabschaltung verbunden, wenn sich Kernfunktionen der Software verändern. Der Aufwand für die Aktivierung sei aber im Vergleich zu einem R/3-Release-Wechsel viel geringer. Denecken zufolge haben Erfahrungen mit Kunden gezeigt, dass dafür nicht mehr Zeit erforderlich ist als für ein Support Package. Zudem sei genau dokumentiert, an welchen Stellen eine EhP in die Software eingreift, so dass sich Nutzer darauf einstellen könnten.

SAP hofft, dass sich Funktions-Upgrades für den Anwender leichter realisieren lassen und sie deshalb weniger auf Eigenentwicklungen und Drittprodukte angewiesen sind. Ob die Konzepte in der Praxis halten, was SAP in der Theorie verspricht, wird sich zeigen, wenn sich viele Kunden damit beschäftigt haben.

Theorie und Praxis

"SAP schreitet mit dem EhP-Konzept in die richtige Richtung, doch sollten Anwender bei der Erweiterungsplanung einige Einflussgrößen beachten", gibt Frank Naujoks, Research Director und ERP-Experte beim Beratungshaus i2s aus der Schweiz, zu bedenken. Zwar mag aus Sicht der SAP eine EhP-Aktivierung minimalen Aufwand bedeuten, doch der Kunde müsse sehr wohl prüfen, inwiefern die neuen Funktionen mit eigenen Systemanpassungen zu harmonisieren sind. Ferner könnten es EhPs erforderlich machen, Schnittstellen zu Drittsystemen zu überarbeiten. Naujoks weist zudem auf das bekannte Dilemma vieler vor allem großer SAP-Nutzer hin, die zahlreiche Systeminstanzen mit unterschiedlichen Release-Ständen fahren: "Große Konzerne werden es vermutlich nie schaffen, all ihre weltweiten SAP-Applikationen auf eine Softwareversion zu hieven." In vollem Umfang von EhPs profitieren können diese Unternehmen jedoch nur, wenn all ihre ERP-Programme auf dem Release-Stand ERP 6.0 beziehungsweise die Business-Suite-Komponenten wie CRM und SRM auf der künftigen Version 7.0 laufen.

Geringerer Testaufwand aber lange ERP-Downtime

Auch die Anwender begrüßen das SAP-Konzept. "Das Enhancement-Package-Konzept für die SAP Business Suite ist vom Grundsatz her gut", meint Waldemar Metz, Mitglied im Vorstand der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) aus dem Fachressort Prozesse/Anwendungen (SAP Business Suite). Damit könnten Anwender künftig ihre Kernlösung ohne großen Aufwand aktualisieren und funktional erweitern. "Da Firmen neue Funktionen nach Bedarf einspielen können, lassen sich Systemtests auf ein verträgliches Maß reduzieren", beruft sich der DSAG-Mann auf Aussagen der Walldorfer. Metz zufolge müsse sich die SAP-Strategie aber noch beweisen. "Aus der Praxis melden etliche Anwender bereits zurück, dass die Laufzeiten beim Einspielen der Enhancement Packages nach wie vor sehr lang sind und die Downtime der Systeme entsprechend hoch ausfällt." Noch schwer abzuschätzen sei der Aufwand zum Einspielen von Paketen, weil SAP jedes Jahr ein EhP SAP ERP 6.0 ausliefern will. Nach Angaben der DSAG steigt durch die Erweiterungspakete die Komplexität der ERP-Software, weil die einzelnen Pakete nicht gekapselt sind. "Es gibt momentan noch keine Erfahrungswerte, wie aufwändig es sein wird, wenn ein Anwenderunternehmen beispielsweise eine Funktionalität aus Enhancement Package 5 einspielen will, die ohne das Einspielen damit verknüpfter Erweiterungen aus den Paketen 1, 2, 3 und 4 nicht aktiviert werden kann."

Mehr zum Thema finden SAP-Software lesen Sie in unter "SAP-Kosten senken".