Zentrale gegen dezentrale IT

Scharfe Kontroverse über IT-Organisation

09.07.2010 von Werner Kurzlechner
Viele Firmen bauen zurzeit zentrale Einheiten für Shared Services auf. Dies geschehe oft unbedarft, kritisieren die Anaylsten von Ovum. Über den richtigen Weg entscheiden die Qualität des CIO und der Reifegrad der IT-Organisation.
Ovum-Analyst Steve Hodgkinson: Unternehmen reflektieren die Rolle des CIO zu wenig.

Über die Organisation der IT tobt ein scharfe Kontroverse: Alles in einer zentralen Einheit bündeln, sagen die einen. Dieser Ansatz sei von gestern und eine eigenständige IT-Abteilung nahezu überflüssig, kontern die anderen. Sie raten dazu, die Fachabteilungen über notwendige Beschaffungen selbst entscheiden zu lassen oder an regionale IT-Experten zu delegieren. Beides Quatsch, entgegnen jetzt die Analysten von Ovum. In Organisationen von gewisser Größe führe nur der Mittelweg zum Erfolg. Leider aber ist dieser besonders steinig.

Die Kernbotschaft von Ovum: Die Komplexität von IT-Entscheidungen lässt sich nicht so vereinfachen, dass triviale und pauschale Rezepte helfen. Es muss für alle denkbaren Fälle einzeln entschieden werden, welche IT-Lösungen für eine ganze Unternehmensgruppe zentral verwaltet werden sollten, was in die Hände von IT-Experten in den einzelnen Segmenten des Unternehmens gehört und was so richtig nur die Business-Seite beurteilen kann.

Den Überblick darüber kann nur einer haben: der CIO. Allerdings sehen die Ovum-Analysten dafür eine wichtige Voraussetzung: Reife. Was damit gemeint ist, lässt sich getrost doppelt interpretieren. Zum einen die persönliche und fachliche Reife des jeweiligen CIOs, der für Wohl und Wehe des Unternehmens eine wichtige Rolle einnimmt. Zum anderen aber die Reife der gesamten Organisation, die den CIO als Manager von Rang erst mit den nötigen Aufgaben und Befugnissen ausstatten muss.

Auf diesen Erkenntnissen hat Ovum ein ganzes strategisches Reife-Modell der CIO-Funktion aufgebaut. Dankenswerterweise liefern die Analysten gleich ein konkretes Beispiel mit, das die grundlegenden Gedanken veranschaulicht: Die Einrichtung von Shared Services Centers, die als zentrale Einheit nach Einschätzung von Ovum meist zu einfach gestrickt sind.

„Der Trend hin zu Shared Services wirft ein Schlaglicht auf die Reife von CIO-Funktionen“, sagt Steve Hodgkinson, Research Director bei Ovum. Häufig wählten Firmen die Bündelung von Services und Ressourcen in einer auf Ebene der Unternehmensführung angesiedelten Einheit. „Es wird zu wenig daran gedacht, welche Veränderungen das in den CIO-Funktionen erfordert“, warnt Hodgkinson.

Koordination von Anfragen als Problem unterschätzt

Der Erfolg von Shared Services hänge von den Kunden ab. Dabei werde die Bedeutung von CIO-Funktionen bei der Priorisierung und Ordnung von Service-Bedarf oft unterschätzt. Die mögliche Folge: Beim Shared Service-Provider landen unkoordinierte und fragmentierte Anfragen, was zu unzufriedenen Kunden führt und die Nachhaltigkeit des Modells gefährdet.

Die Reifeprüfung besteht die CIO-Funktion im Unternehmen demgegenüber, wenn ein Gleichgewicht zwischen den Ansprüchen aus den Fachbereichen und den Kapazitäten des Shared Services-Providers hergestellt werden kann. Auf dieser Basis erst kann strategisch und mit Blick auf das Gesamtunternehmen über Shared Services entschieden werden. Anders gesagt: Die „reife“ Anleitung durch den CIO ermöglicht erst „intelligentes“ Kundenverhalten.

Anhaltender Erfolg einer Shared Services-Strategie ist – so das Credo von Ovum – abhängig von Aufgabenstellung, Reichweite der Aktivitäten und unternehmensweitem Einfluss der CIO-Funktion. Genau diese drei Komponenten sind auch allgemein die Eckpfeiler des CIO-Reife-Modells, mit dem Ovum die Diskussion um die Rolle des CIOs anstoßen will.

Weil sowohl voll zentralisierte wie auch voll dezentralisierte IT-Ansätze nach dem Befund der Analysten mehr Kosten und Risiken als Vorteile mit sich bringen, bleibt für den CIO die Optimierung der IT-Performance im gesamten Unternehmen eine ständige Herausforderung.

Der CIO ist in großen Unternehmen und Regierungsorganisationen dann derjenige, der die Entscheidungen und Handlungen einer Vielzahl halbautonomer IT-Leiter auf Ebene der Divisionen und Fachbereiche koordiniert.

CIOs managen unvermeidliches Chaos

Er benötigt die besondere Führungsqualität, die disparaten IT-Funktionen zusammenzufügen und in einem chaotischen und fragmentierten Umfeld strategisches IT-Management zu entwickeln. Die Widersprüche und Uneindeutigkeiten, die die Koexistenz von zentralisierten und dezentralen IT-Ressourcen mit sich bringt, lassen sich nie ganz auflösen, konstatiert Ovum. CIOs werden lernen müssen, sie dauerhaft auszuhalten.

Ovum wartet mit zwei Studien zum Thema auf: "Is your CIO function mature enough?" behandelt die allgemeine Frage nach der Rolle des CIOs; "ICT Shared Services: a catalyst for rethinking the role of the CIO" beleuchtet dies am Beispiel Shared Services.