USA führen Data Center-Ranking an

Schweden kickt Deutschland vom Podium

24.06.2013 von Werner Kurzlechner
Deutschland ist in der Rangliste der sichersten Rechenzentrumsstandorte aus den Top Three gefallen. Die Aufsteiger kommen aus Skandinavien. Asiatische und südamerikansiche Offshore-Paradiese zieren das Ende des Feldes.
Die Karte zeigt, welche Platzierungen im Gesamtranking die dargestellten Länder erreichten. Hellgrün ist gut, blau eher mau.
Foto: Cushman & Wakefield

Die besten Bedingungen für Rechenzentren weltweit gibt es in den USA, gefolgt von Großbritannien und Schweden. Deutschland folgt direkt dahinter auf einem sehr guten vierten Rang, verlor im Vergleich zum Vorjahr aber seinen Podestplatz an Schweden.

O.k., das mit den „besten Bedingungen" ist eine etwas verkürzte, aber nicht ganz falsche Wiedergabe. Die genannten Länder führen den „Data Center Risk Index" an, den die Beratungshäuser Hurleypalmerflatt, Cushman & Wakefield und Source8 erstellt haben. Abgebildet werden in der Studie die wichtigsten Risiken, die den erfolgreichen Betrieb eines Rechenzentrums gefährden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Vereinigten Staaten auch im Jahr des Hurrikans Sandy im Großraum New York ihre Spitzenposition hielten. Zwar bedeutete das den vorletzten Platz in der Kategorie Naturkatastrophen, aber diese genießt – anders als in der öffentlichen Wahrnehmung – im Ranking nicht die höchste Bedeutung.

30 Länder, 13 Kriterien

Die drei Consulting-Firmen haben insgesamt 30 Länder in ihre Rangliste der Data Center-Standorte gepackt. Bewertet wurde nach 13 Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung. Als wichtigste Kategorien galten den Studienautoren Energiekosten, internationale Bandbreite und die Möglichkeit, störungsfrei Geschäfte zu machen. Es folgen sieben Kriterien, die wenig stark gewichtet wurden: Unternehmensbesteuerung, Arbeitskosten, politische Stabilität, Nachhaltigkeit, Naturkatstrophen, Bildungsniveau und Energiesicherheit. Noch weniger Bedeutung wurde den verbliebenen drei Kategorien zugemessen: Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Inflationsrate und Verfügbarkeit von Wasser.

Ein erster unbefangener Blick auf das Ranking macht deutlich, dass von der Gewichtung der Faktoren vieles abhängt und man die komplexe Frage der Rechenzentrums-Risiken sicherlich auch ganz anders beantworten könnte als die drei Beratungshäuser. Kein Standort ist frei von eklatanten Schwächen. Die USA als souveräner Gesamtsieger liegen wie erwähnt bei der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen nur knapp vor Japan und sogar auf dem letzten Platz bei den hohen Steuern, die Firmen zu zahlen haben. Der Spitzenplatz bei der Breitbandverkabelung sowie Top-Plätze auch bei den beiden anderen Top-Kriterien bedeuten am Ende aber unangefochten Platz Eins.

Die Top-Standorte fürs Data Center
Drei Beratungshäuser - Hurleypalmerflatt, Cushman & Wakefield und Source8 - haben ermittelt, in welchen Ländern Rechenzentren am sichersten betrieben werden können. Ausschlaggeben waren 13 Kriterien, 30 Staaten kamen in die Wertung. Unsere Bilderstrecke zeigt, welche Länder besonders gut abschnitten und was die Analysten jeweils ins Zeugnis schreiben.
2. Platz: Großbritannien
Das Vereinigte Königreich punktet ebenfalls mit flächendeckend schnellem Internet sowie mit dem traditionell geschäftsfreundlichem Klima. Allerdings bemängeln die Berater die schnell steigenden Energiepreise. Überhaupt setze Großbritannien zu sehr auf fossile Brennstoffe, was Punktabzüge bei Nachhaltigkeit und Energiesicherheit gibt. In der Studie finden sich deshalb laute Zweifel, ob die Platzierung im Spitzenfeld auf Dauer zu halten ist.
4. Platz: Deutschland
Eine führende Volkswirtschaft, auch ein führender Standort für Rechenzentren, konstatieren die Berater. Sie monieren zwar die hohen Steuern und Arbeitskosten, loben aber die Versorgung mit Breitband-Internet, die geringe Inflationsrate und die politische Stabilität. Das Abrutschen um einem Platz im Vergleich zum Vorjahr wird in der Studie mit den steigenden Energiepreisen begründet.
5. Platz: Kanada
In Kanada haben sich im vergangenen Jahr die Energiepreise und die Lohnkosten positiv entwickelt. Für einen etablierten Standort gab es aber einen überraschenden Absturz im Ranking der Internet-Bandbreite auf nur noch Platz 11. Laut Studie dürfte sich das im kommenden Jahr schon wieder verbessern, denn 2014 soll die Ausstattung mit neuer unterirdischer Verkabelung abgeschlossen sein. Das kühle Klima ist sowieso gut für den Data Center-Betrieb.
6. Platz: Hongkong
Das Ranking des Beratungs-Trios ist ungefähr das Gegenteil einer Werbebroschüre für asiatische Offshore-Paradiese. Positiv sticht da umso mehr Hongkong hervor. Auch dank seiner hervorragenden Telekommunikationsinfrastruktur habe sich das ehemals britische Verwaltungsgebiet als führendes Geschäftszentrum in Asien-Pazifik etablieren können, heißt es in der Studie. Die lokale Verwaltung habe sich das Ziel auf die Fahne geschrieben, Hongkong in der Region als erste Adresse auf dem Markt für Rechenzentren zu etablieren - offensichtlich mit Erfolg.
7. Platz: Island
Ja, der kühle Norden liegt insgesamt gut im Rennen. Island ist aber einer der diesjährigen Verlierer. Es ging um drei Plätze nach hinten, Schweden konnte beispielsweise vorbeiziehen. Hohe Lohnkosten sind laut Studie ein Problem, in Sachen Breitband-Konnektivität hat die Konkurrenz aufgeholt und überholt. Soll sich aber wieder verbessern, wenn die Unterwasser-Verkabelung mit den USA, Kanada und Großbritannien vollendet ist.
8. Platz: Norwegen
Neben Schweden in weiterer skandinavischer Aufsteiger - von Platz 12 im Vorjahr ging es in die Top Ten. Die Gründe: ausgeprägte politische Stabilität, natürliche Ressourcen wie Wasser im Überfluss, nachhaltige Energiekonzepte. Darüber hinaus kann man in Norwegen sicher und störungsfrei Geschäfte machen.
9. Platz: Finnland
Finnland hat seine Vorjahresplatzierung gehalten. Das Urteil der Berater fällt aber eher durchwachsen aus. Nirgendwo ist das Risiko von Naturkatastrophen geringer. Aber nirgendwo ist es laut Studie schlechter um die Energiesicherheit bestellt. Das sei der Preis dafür, dass man sich in nahezu totale Abhängigkeit von russischen Lieferungen gebracht habe.
10. Platz: Katar
2022 soll die Fußballweltmeisterschaft in Katar stattfinden. Bei den Fans und Spielern schrillen deshalb schon die Alarmglocken, weil es im Wüsten-Emirat sommers sehr heiß ist. Dem CIO geht es vermutlich ähnlich, wenn er ans den Kühlungsaufwand im Rechenzentrum denkt. Die Studie verteilt schlechte Zensuren für Nachhaltigkeit, Wasserversorgung und Lohnkosten. Auch noch für die Breitbandverkabelung. Aber da will die örtliche Telekommunikationsbehörde in den kommenden Jahren eine halbe Milliarde US-Dollar investieren. Ein paar gut entwickelte Rechenzentren gibt es vor Ort auch schon. Und so lautet das Gesamturteil: ein Standort, den man in Zukunft wahrscheinlich beachten muss.
11. Platz: Schweiz
Die Schweiz ist ins Mittelmaß abgerutscht, so attraktiv der starke Franken und die niedrigen Steuern auch sein mögen. Der Breitband-Internet-Ausbau stockt laut Studie. Auch die Lohnkosten schrecken ab.
12. Platz: Niederlande
Für die Niederlande ging es im Ranking leicht aufwärts. Positiv wirkte sich aus, dass man die hohen Lohnkosten etwas besser in den Griff bekommen hat. In Sachen Konnektivität ist man für europäische Verhältnisse sowieso bestens aufgestellt. Politisch stabil und einigermaßen gefeit vor Naturkatastrophen ist unser Nachbar auch. Allerdings gibt es so manche bürokratische Hürde im Geschäftsleben, was ein noch besseres Abschneiden verhindert.
13. Platz: Südkorea
Der Aufstieg zur Rechenzentrums-Macht hat sich erst einmal abgebremst. Der Strom ist nicht mehr ganz so günstig wie früher, außerdem wurden die Unternehmenssteuern erhöht. Südkorea ist zudem immer der Gefahr von Fluten und Wirbelstürmen ausgesetzt. Politisch sorgt allein der Konflikt mit dem nördlichen Nachbarn für chronische Unruhe, die Energieversorgung steht auf wackligen Bein. Ein gutes Zeugnis liest sich anders.
14. Platz: Frankreich
Aus deutscher Sicht ist der Vergleich mit Frankreich stets aufschlussreich. In diesem Ranking gilt: Der Nachbar kommt nicht vorwärts. Die Berater mäkeln vor allem an üppiger Bürokratie, hohen Lohnkosten und hohen Steuern. Ins Feld geführt werden außerdem politische Unruhen und gewerkschaftliche Aktivitäten. Nun ja, das Verdikt scheint durchaus ein wenig gefärbt. In den drei Schlüsselkategorien hat Frankreich Werte, die nahe an denen Deutschlands liegen.
15. Platz: Singapur
Zwei Plätze ging es nach oben - dank gesenkter Energiekosten und eines guten Geschäftsklimas. Für die Studienautoren ein attraktiver Standort für Rechenzentren. Ein Vorrücken in die Top Ten wurde vorerst durch hohe Lohnkosten und eine hohe Inflationsrate verhindert.

Katar demgegenüber wartet wenig überraschend mit den niedrigsten Energiekosten auf, dazu mit dem höchsten Bruttoinlandseinkommen pro Kopf und der zweitniedrigsten Unternehmensbesteuerung. Wegen der schlechtesten Breitbandversorgung reicht das am Ende nur zu einem mittelprächtigen zehnten Platz. Sogar noch einen Platz schlechter schneidet die Schweiz ab, obwohl die Eidgenossen ebenfalls in den genannten Kategorien in Teilen sehr gut sind, die niedrigste Inflationsrate aufweisen und bei der Breitbandverkabelung immerhin im Mittelfeld liegen. Die Energiekosten in der Alpenrepublik sind selbstredend deutlich höher als in Katar.

Beispiele für zumindest diskussionswürdige Bewertungen finden sich in der Studie so manche, da sie für alle 13 Kategorien auf einem vergleichenden Ranking basiert. Dass die USA vor Kanada in der Kategorie Bildung dominieren stimmt vielleicht, offenbart vielleicht aber auch eine typisch angloamerikanische Brille der Autoren. Dass das US-amerikanische Schul- und Hochschulsystem seine unübersehbaren Stärken, aber auch eklatanten Schwächen hat, scheint nicht unbedingt reflektiert worden zu sein. PISA-Siegerländer wie Finnland und Südkorea mit ihren sich voneinander stark unterscheidenden System kommen in dieser weichen Kategorie übrigens lediglich auf die Plätze 15 und acht, Deutschland auf Rang 16. Die USA wiederum landen im Ranking nur auf Platz 20 bei der politischen Stabilität, vermutlich ein Ausfluss der Terrorgefährdung dort. Ob man deshalb zwingend Polen, Irland, China und Indien für politisch stabiler halten muss als die Vereinigten Staaten, bleibt am Ende wohl eine Geschmacks- und Interpretationsfrage.

Schlusslicht Brasilien, Indien schlecht

Diese Anmerkungen sollen nur verdeutlichen, dass es bei derartigen Bewertungen große Spielräume für anders gelagerte Beurteilungen gibt und einzelne IT-Anwender bei eigenen Überlegungen aus guten Gründen zu anders Ergebnissen gelangen werden. Als um Objektivität und Umfänglichkeit bemühtes Grundgerüst bietet das Ranking der drei Beratungshäuser gewiss eine gute erste Orientierung.

Die eindeutigste Botschaft ergibt sich sicherlich, wenn man neben den Positionen auf den Gesamtpunkte-Index schaut. Die USA werden als Sieger mit 100 Punkten bewertet, die genannten Verfolger und Kanada auf Platz Fünf liegen noch über 80 Punkten. Am Ende des Tableaus meistert Russland auf Rang 24 nur knapp die 60-Punkte Hürde. Dahinter reihen sich eine Handvoll Länder ein, die zum Teil wegen gewissen Kostenvorzügen den Ruf als Offshoring-Paradiese genießen. In der Studie wird hingegen nicht empfohlen, Rechenzentren in China, Japan oder Mexiko zu betreiben. Indonesien und Indien verfehlen sogar die 50 Punkte, Schlusslicht Brasilien endet mit lediglich 35 Punkten.

Jeweils konterkarieren fulminante Schwächen in den Top-Drei-Kategorien die zum Teil ausgeprägten Stärken. In Russland, Indonesien und China sind es vor allem die Schwierigkeiten bei einem geregelten Geschäftsleben, die stark zum schlechten Abschneiden beitragen. In Brasilien kommt dazu noch der letzte Platz bei den Energiekosten, so dass auch die gute Breitbandversorgung alleine wenig nützt. Die genannten Länder beeindrucken in der etwas tieferen Kriterien-Klasse zwar überwiegend mit sehr guten Werten bei den Arbeitskosten und auch bei der Nachhaltigkeit. Das alles wiegt aber die Risiken durch politische Instabilität und Naturkatastrophen sowie Bildungsdefizite nicht auf.

Deutschland: Energie zu teuer

Ein Überblick über die Gesamtrangliste - mit den einzelnen Werten in den drei Kategorien, die die Berater für besonders wichtig halten.
Foto: Cushman & Wakefield

Deutschland verdankt seine gute Platzierung insbesondere der weltweit viertbesten Breitbandverkabelung. Bei Geschäftsleben (Platz 15) und Energiekosten (Platz 19) ist das Ergebnis lediglich mittelprächtig. Ein Merkmal der Studie ist allerdings, dass mittelmäßige Resultate im Vergleich gar nicht so schlecht sind. Es gibt offenbar Nachholbedarf in beiden Punkten, aber die Lage ist nicht so schlecht, dass ein gutes Gesamtergebnis torpediert werden würde.

Auch in den weniger wichtigen Kategorien fehlen die deutschen Top-Werte. Unter den ersten zehn Ländern landet die Bundesrepublik hinsichtlich politischer Stabilität (Platz 8), geringer Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen (Platz 9) und niedriger Inflationsrate (Platz 10). Mau werden die hohen Steuern für Unternehmen und hohen Arbeitskosten bewertet, wobei man sich hier mit Schweden respektive den USA in bester Gesellschaft befindet. Der Rest ist durchschnittlich genug, um alles in allem nur knapp hinter den besten drei Ländern zu liegen. Überraschenderweise stufen die Autoren Deutschland hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit nur auf Platz 24 ein – hier bietet Island den größten Wettbewerbsvorteil.

In der Gesamtbetrachtung des Großraums Europa. Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) arbeiten Hurleypalmerflatt, Cushman & Wakefield und Source8 die europäische Schuldenkrise als größtes Risiko heraus. Dennoch sei weiterhin mit wachsenden IT-Ausgaben zu rechnen. Insofern bestünden für Service Provider auch Anreize, das bisher zu enge Korsett an Datennetzwerken und Rechenzentren zu sprengen und in diesem Bereich zu expandieren. Hinsichtlich der Telekommunikationsinfrastruktur seien die regionalen Unterschied allerdings beträchtlich.

Japan büßt Plätze ein

„Die reifen Märkte werden in der mittelfristigen Zukunft weiter dominieren, aber wir erwarten auch dass die rückständigen Märkte in Nord- und Osteuropa sich – wenngleich von einer kleinen Basis kommend – Zukunftschancen sichern", lautet das Fazit der Autoren. „Die Energiedebatte wird im Zeichen von Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und Preisen so lange fortdauern, bis sich Größen wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland klar zur Infrastruktur der Elektrizitätsgeneration bekannt haben." Ansonsten werde Skandinavien mit seinem Angebot an Wasserkraft auf Sicht der Gewinner sein.

Schon jetzt sind neben Polen im Vergleich zum Vorjahr Schweden und Norwegen die Aufsteiger im diesjährigen Ranking. Japan rutschte als größter Absteiger um sechs Ränge ab. Ähnlich gebeutelt waren lediglich Thailand und Katar, dahinter folgen Island und Frankreich.