Deutsche Post Euro Express führt SLAs ein

Servicequalität nach Wahl

01.12.2003
Die IT-Abteilung der Deutschen Post hat mit ihren Dienstleistern dreistufige Service Level Agreements (SLA) vereinbart. Jetzt müssen die Fachabteilungen des Paketdienstes entscheiden, ob sie Service in Bronze, Silber oder Gold haben - und bezahlen - möchten.

Abteilungen wie Buchhaltung und Auftragsabwicklung bei der Deutschen Post Euro Express (DPEE) müssen gerade das große Einmaleins der IT-Prozesse in allen Facetten lernen. Ein durchaus notwendiges Wissen für die Fachbereiche des Paketdienstes der Post, denn künftig müssen sie in der Lage sein, Geschäftsprozesse darzustellen, zu bewerten und zu beziffern: Anfang 2005 geht die Kostenverantwortung von der IT auf sie über. "Wir müssen Pionierarbeit leisten und viel Verständnis wecken", sagt Detlef Kowaltschuk, Leiter des Bereichs IT-Systeme.

Seine Aufgabe ist zurzeit, gemeinsam mit den Fachabteilungen herauszufinden, für welche Anwendungen sie welche Servicequalität benötigen. Fällt etwa eine sehr kritische Anwendung eine Stunde lang aus, stehen 6000 Mitarbeiter in einer Paketverteilstation tatenlos herum. Für sie muss die Überstunde bezahlt werden, was einfach zu berechnen ist. Schwieriger lässt sich der Verlust fassen, wenn keine Rechnungen geschrieben und keine vorauseilenden Versendungsdaten verschickt werden können. "Ich sah in ungläubige Gesichter, wenn ich fragte, was der Ausfall der Auftragsbearbeitung pro Tag kostet", schildert Kowaltschuk seine ersten Erfahrungen.

Problem: Ausfallrisiko bewerten

Am Ende fließen alle Qualitätsanforderungen für einen Dienst in SLAs ein. Zuvor muss die Fachabteilung mit Hilfe der IT erurieren, wie wie groß die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Anwendung ist und wie lange die Störung maximal dauern darf: Je höher die im SLA festgelegte Ausfallsicherheit, desto mehr kostet auch der Vertrag. Bei der Risikobetrachtung lernen die Fachabteilungen, dass 99,9 Prozent vom Dienstleister versprocheneVerfügbarkeit im Jahr immer noch acht Stunden Ausfall bedeuten - und die können am Stück anfallen. Also muss bei jedem SLA geschaut werden, ob acht Stunden tragbar sind oder ob die 99,9 Prozent an einem Tag, innerhalb einer Woche oder in einem Monat erbracht werden müssen. Kowaltschuk: "Die Fachabteilungen bilden zurzeit Arbeitskreise, um eigenes Wissen über Geschäftsprozesse und Preise aufzubauen."

Kalkulieren mit Schätzwerten

Allerdings hat der Paketdienst in der Vergangenheit die Kosten für einzelne Prozesse nicht systematisch erhoben. "Wir leben mit dem Makel, vielfach nur mit Schätzwerten kalkulieren zu können. Deshalb müssen wir mit Ausschlägen nach oben oder unten rechnen", sagt der Post-Mann. Angesichts des schnellen Wandels der Geschäftsprozesse und Technologien setzt er sportliche Ziele: "Die Kosten für mehr Ausfallsicherheit müssen sich innerhalb eines Jahres amortisieren."



Inzwischen bestehen Rahmenverträge mit dem Outsourcing-Partnern T-Systems, für die IT-Infrastruktur sowie dem Softwarelieferanten "IT-Solutions", ebenfalls eine Post-Tochter. Als Steuerungshebel etablierte die DPEE ein Bonus-Malus-System in den SLAs. Theoretisch lassen sich solche Strafen einfach festlegen: Wenn die vereinbarte Qualität am Ende des Jahres vom Dienstleisters nicht erbracht wird, erhält er zum Beispiel nur 80 Prozent des vereinbarten Preises. "Das unterschreibt kein Dienstleister", sagt Kowaltschuk. Aus diesem Grund einigte er sich mit den Vertragspartnern auf Abzüge von maximal fünf Prozent des Auftragvolumens. Die Konsequenz: "Selbst wenn der Dienstleister nur 60 der Leistung erbringt, können wir maximal fünf Prozent einbehalten".

Bonus-Malus-Modell

Umgekehrt erhält der Dienstleister fünf Prozent Bonus, wenn er 100 Prozent Leistung am Jahresende abgeliefert hat. 105 Prozent Geld für 100 Leistung: Das klingt zunächst widersinnig, doch seien die fünf Prozent Bonus ein Instrument, um den Dienstleister zu steuern, erklärt Kowaltschuk. Schließlich liefere der beispielsweise im Support mehr als vereinbart. "Am Bonus-Malus-Modell wollen wir uns nicht bereichern, sondern einen störungsfreien Betrieb erhalten," stellt er klar.

Die Verhandlungen mit den Dienstleistern verliefen jedoch nicht völlig glatt. Bis vor einigen Jahren betrieb die DPEE ihre IT noch selbst, und einige ehemaligeIT-Mitarbeiter neigten dazu, dem Outsourcing-Partner vorzuschreiben, wie er die Leistungen zu realisierenhabe. Ein Kardinalfehler, wie Kowaltschuk aus eigener Erfahrung weiß: Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber hatte die IT den Dienstleister gedrängt, eine bestimmte Netzwerktechnologie einzusetzen, berichtet er. Als sich herausstellte, dass es wegen zu langer Antwortzeiten zu Ausfällen im Betrieb kam, half kein Protest: Ihr habt es so gewollt, habe der Dienstleister entgegnet. Seitdem verhandelt Kowaltschuk nur noch Preis und Qualität.

Am Ende der Basisarbeit legte Kowaltschuks Mannschaft zusammen mit den externen Dienstleistern die SLA-Qualitätsstufen Bronze, Silber und Gold fest. Bronze beschreibt das erwartete Minimum wie zum Beispiel Support zwischen 8 und 17 Uhr oder 100 Prozent Verfügbarkeit bei Standardanwendungen. Er räumt jedoch ein, dass bei vielen Services nicht immer 100 Prozent Ausfallsicherheit möglich sind. "Darüber kann man immer streiten." Mit der Stufe "Silber" legen die Vertragspartner etwa fest, das der Dienstleister den Support überdie üblichen Arbeitszeiten hinaus mit einem direkten Ansprechpartner bereitstellt. Bei "Gold" muss der Dienstleister auch am Wochenende und innerhalb einer Stunde die Anwendung wieder zum Laufen bekommen. Sobald die Fehlermeldung beim Dienstleister eintrifft, läuft für ihn die Zeit, in der er das Problem je nachVereinbarung beheben muss. "Mit diesem geregelten Prozess können wir am Ende des Tages messen, ob die Leistungen eingehalten wurden", so Kowaltschuk.

Gelingt das nicht, bliebe das Buhmann-Image an der IT haften - auf messbarem Niveau. Ein schwacher Trost für Kowaltschuk.